Flucht im Seelenverkäufer über den Lagodasee.
Auf dem Lagodasee spielte sich 1941 ein Kriegsdrama ab, das in manchen Dingen an die dramatischen Vorfälle im Mittelmeer von heute erinnert, wo immer wieder Schiffe mit Flüchtlingen untergehen.
Auch 1941 sind die Menschen aus St. Petersburg nicht aus Lust und Laune geflohen. St. Petersburg war von den Nazis eingekesselt und sollte ausgehungert werden. Der einzige Fluchtweg, der noch blieb, war der über den Lagodasee. Diesen hatte die Luftwaffe der Deutschen nicht auf dem Radar.
Aleksey Koziov beschreibt mit seinem erstklassigen Kinofilm diese Flucht. Als Rahmenhandlung inszeniert er eine Dokumentation über einen Dokumentarfilm, der mit einer der Überlebenden gedreht wird. Die alte Dame wird im Rollstuhl durch ihre Wohnung gefahren und sie erzählt.
Im Film ist die zentrale Liebesgeschichte die zwischen Kostya (Andrey Mironov-Udalov) und Nastya (Maria Meinkova). Um sie herum wird die Geschichte dieser dramatischen Rettungsfahrt geschildert mit Diskussionen, ob der Seelenverkäufer Schiff Nr. 752 überhaupt soviele Menschen aufnehmen kann. Aber auf dem Lagodasee gibt es nicht so viele verfügbare Schiffe. Es geht darum, so viele Menschen wie möglich zu retten, trotz Mängeln am Schiff.
Kostya möchte unbedingt mit Nastya zusammenbleiben. Entgegen dem Befehl für seine Truppe, die in letzter Sekunde an die Front beordert wird, schickt ihn sein Vater aufs Schiff – aus undurchsichtigen Gründen. Das schafft Probleme, speziell mit einem Geheimdienstler, der über alles Bescheid zu wissen scheint; es erweckt den Eindruck von Protektion.
Während das Schiff gezogen von einem Schlepper losfährt, wird um Petersburg herum der Krieg praktiziert. Hier ist auch der Vater von Nastya in Gefechte verwickelt. Diese Kämpfe sind so inszeniert, dass man sich über deren Absurdität durchaus bewusst wird.
Parallel zur filmischen Frontdramatik entwickelt sich auf dem Lagodasee eine weitere, doppelte Dramatik. Ein Sturm zieht herauf und die Nazis sind inzwischen auf die Fluchtroute aufmerksam geworden und schicken Bomberpiloten. Die Versenkung des Frachtschiffes soll ein Geburtstasgsgeschenk für einen deutschen Feldmarschall werden.
Die deutsche Sychro ist industriell zu nennen, erfüllt ihren Zweck der Verständnismöglichkeit. Die feinen Kinoqualitäten des Filmes dürften auf dem Heimkinobildschirm bestens zur Geltung kommen. Ein Film, der durch die heutige, weltweite Migrationsbewegungen eine schmerzliche Aktualität gewinnt, weil er von der Seite berichtet, von der wir am liebsten nichts wissen möchten.