Kommentar zu den Reviews vom 6. Juni 2019

Varia (verschiedene, schöne Heißluftballons). Diktaturaufarbeitung und Zeugunsunfähigkeit in Chile. Traum von der traumhaften Liebe in Britannien. Traum vom künstlerischen Austausch mit Nordkorea. In Südkorea für die Literatur brennen. Autorentum und moderne Medien in Frankreich. Kampf nach oben in England. Über die Kulinarik zu Familiengeschichte in Ostasien. Kampf gegen Wohnraum als Beute des Kapitalismus. Phoenix aus einem Special-Effects-Geschwurbel. Rettung von Wildpferden für inniges Coming-of-Age in Deutschland, außerdem ein Film zum Thema Organspende sowie ein seltsam uncineastischer Kinderfilm ebenfalls aus D.

LOS PERROS
Eine faszinierende Frau zwischen Kinderwunsch und Schatten der Diktatur.

ANKER DER LIEBE
Vom Widerspruch der Liebe und dass sie ewig währe.

WAR OF ART
Vorsicht vor westlichem Überlegenheitsgefühl.

BURNING
Porträt des Autoren als eines jungen Mannes.

ZWISCHEN DEN ZEILEN – DOUBLES VIES
Mehr Argumententauschfilm als Charakterkomödie – mit Esprit und Amour.

FIGHTING WITH MY FAMILY
Klassisch schöner Kampf an die Spitze.

RAMEN SHOP
Familiengeschichte zwischen Geschichtsgräueln und feinem Essen.

PUSH – FÜR DAS GRUNDRECHT AUF WOHNEN
Wohnungen dürfen nicht zu Assets der Finanzwirtschaft werden.

X-MEN: DARK PHOENIX
Die Story verschwiemelt im Special-Effects-Geschwurbel.

MAGIE DER WILDPFERDE
Roadtrip mit gezähmtem Wildpferd zum Erwachsenwerden.

DAS LEBEN MEINER TOCHTER
Porträt eines schlechten Menschen.

TKKG
Kinderfilm nach der Jugendbuchreihe.

X-Men: Dark Phoenix

Special-Effects-Orgie mit wilden Dimensions- und Verpuffungsverschwurbelungen (Figuren, die wie Wasserfarben sich ins Spektrum auflösen und dann woanders wieder auftauchen) von schablonenhaften Menschen, deren bedeutungsvoll betonte Banalsätze in öden Stehpartys Gewicht bekommen sollen („Sie ist fort. Sie ist frei.“).

Der Film fängt 1975 an. Ein besonderes Mädchen wird in das Institut von Professor Charles Xavier (James McAvoy) gebracht. Er verspricht ihr das Beste für sie, das sei ein Ort mit speziellen Menschen wie sie. Es ist der Ort, an dem die X-Men sich rekrutieren.

1992 geht bei einer Space-Shuttle-Mission etwas schief. Das erwachsene besondere Mädchen Jean wird jetzt von Sophie Turner gespielt. Die X-Men sind gefragt für den waghalsigen Einsatz im All. Sie werden mit Kräften einer Sonneneruption konfrontiert, die sie nicht beherrschen können.

Auf Jean hat das eine verheerende Wirkung: sie wird zu Dark Phoenix mit unkalkulierbaren Energien und Fähigkeiten. Sie wird deshalb von einer Gestaltwandlerin (Jessica Castain) gejagt.

Die X-Men, die sind schon eine originelle Crew mit ihren Anleihen an Indigenen-Kulturen. Aber in diesem Film von Simon Kirberg nach dem Drehbuch von John Byrne + 3 nach den Comics von Jack Kirby und Stan Lee haben sie wenig Chancen, diese menschlich eventuell urwüchsige Komponente zum Tragen zu bringen. Hier herrscht die Killerdominanz der Special-Effects der Computer-Animation. Die Geschichte verläppert sich darin. Die statische Inszenierung lässt den Darstellern keinen Gestaltungsraum.

Wer meine kühle, zurückhaltende Reaktion auf diesen Film nachvollziehen möchte, der sollte sich den in zwei Wochen anlaufenden „Brightburn – Son of Darkness“ anschauen, zwar im Horrorgenre angesiedelt, aber mit vielen Parallelen: ein 5-Sterne-Glanz-Menü gegenüber diesem Produkt aus industrieller MassenComicHaltung.

Zwischen den Zeilen – Doubles Vier

Bildungsbürgers und Cinéasten Olivier Assayas‘ kleine Fingerübung für zwischendurch. Ihn scheint die Diskussion über die Konkurrenz von Internet und Print, Bücher, Kindle oder Blogs zu nerven.

In Form einer gehobenen Salonkonversation ventiliert er die gängigen Argumente zum Thema. Als Argumenteneinbringer hat er wunderbare Schauspieler engagiert, die ihren Job mit Leichtigkeit erfüllen.

Alain (Guillaume Canet) ist ein Verleger, der selbstverständlich genau die Relation der Zahlen von Buchverkäufen und Digitalisierung beobachtet. Seinem Autor Léonard Spiegel (Vincent Macaigne) gibt er für sein neuestes Manuskript einen Korb. Der Inhaber von „Les Editions Vertheuil“ will den Verlag verkaufen.

Außerdem beschäftigt sich Assayas mit der uralten Frage, was an einem Roman Fiktion sei, was aus dem Leben des Autors. Dazu gibt es öffentliche Auftritte, Radiosendungen und Salon-Gespräche.

Es geht um die letzte Liebesbeziehung von Léonard. Solche Dinge möchte die Öffentlichkeit genau wissen und die Betroffenen erst recht, die sich geoutet oder preisgegeben fühlen, denn der Autor macht ja ein Geschäft mit der Geschichte.

Auch das Thema Literatur und Ware wird angesprochen.

So wirkt denn der Film über eine gewisse Strecke als ein schnell skizzierter, begabt inszeniert und geschnittener Themenfilm.

Dass das Thema Assayas nervt, zeigt die parallele Schiene der Liebesbeziehung, Ehen und Affären der Protagonisten. Alain ist mit der Serienschauspielerin Selena (Juliette Binoche) zusammen. So ergibt sich die Möglichkeit, Bonmots zu Fernsehkrimis und Serien loszuwerden. Auch sie hat ihre Affäre, wie Alain mit einer Angestellten.

Solche amourösen Beziehungen zu schildern, hat das französische Kino die Tradition und die Eleganz. Womit Assayas aber auch erzählt, dass egal, über welche Wege Geschichten transportiert werden, es immer die gleichen bleiben werden; insofern kann er den Film wohlig in Mittelmeerlandschaft ausklingen lassen.

Es fallen Ausdrücke wie Worst-Sellers und Feel-Bad-Books. Und sind SMS als Literatur wirklich so neu? Frag nach bei Mallarmé!

War of Art

Viel habe ich bei meinen bisherigen Reviews nicht gefunden über Filme aus oder über Nordkorea: Hana – Dul – Sed, ein Film über die nordkoreanische Fußballmannschaft, und ein Film über nordkoreanische Gefangenenlager, Camp 14 – Total Control Zone, von denen wohlweislich in diesem Film von Tommy Gulliksen nicht die Rede ist.

Gulliksens Film hat eine andere Absicht. Er will nicht Nordkorea kritisieren. Er dokumentiert, und ist insofern hochpolitisch, den Versuch eines Austausches mit Künstlern aus Europa und China in und mit Nordkorea. Es sind dies ein Grafiker und Installationskünstler aus Frankreich, ein Maler und Sprayer aus Norwegen, ein Fotokünstler und Filmemacher aus China, ein Sounddesigner aus Deutschland, eine Musiktheater-Regisseurin aus England. Sie machen sich unter der Organisation durch Morten Traavik, der lange schon Kontakte zu Nordkorea pflegt, auf nach Pjöngjan.

Sie sollen Werke von sich präsentieren. Sie leben in einer Blase, betreut, beobachtet und kontrolliert von sorgfältig ausgewählten und hochgebildeten Nordkoreanern. Wäre vor 20 Jahren so ein Unternehmen noch so etwas wie ein Haarriss in der Abschottung der Diktatur gewesen, so scheint es heute immerhin eine kleine Pforte in der Mauer zu sein, durch die doch mehr Westler in das Land gelangen und dort sehr gut beobachtet selber ein klein wenig beobachten dürfen.

Der Film öffnet einen klitzekleinen Spalt zu dem Land, vermutlich nicht mal vergleichbar dem Begriff von der Spitze des Eisberges. Die Gäste leben in der exklusiven Abgeschottetheit um das Hotel Pjöngjan, einem Internationalen Hotel. Sie beobachten aus ferner Distanz nordkoreanisches Lebens, vermutlich des feinen Lebens ausgesuchter Bürger. Das ist meine Interpretation.

Der Film von Tommy Gulliksen schildert spannend, wie schwierig eine kulturelle Annäherung an ein Land läuft, das künstlerisch vor über 100 Jahren stehen geblieben scheint, lange vor DADA, Impressionismus, Futurismus, Expressionismus.

Die nordkoreanische Kunst dient einzig und allein der Vergötterung des großen Führers Kim Jong-Un und der Beschwörung der Juche, des nordkoreanischen Menschenideals, das der Einheit und Stärke des Landes dient.

Nordkorea ist schon über 70 Jahre abgeschottet, man denke, wie weit sich eine DDR in 40 Jahren von unserem demokratischen Denken entfernt hat und wie heute die Trennung noch nicht überwunden ist, wie tief die Prägung für Menschen war, die dort noch ihre Jugend verbracht haben. Insofern steht es uns nicht zu, uns Nordkorea gegenüber irgendwie als Besserwisser aufzuspielen. Das zeigt der Film deutlich.

Das erfordert von der Künstlergruppe große Demut, nicht mit der Tür ins Haus zu fallen, sondern für die abschließende Präsentation, die vorgesehen war, zwar nicht sich zu verstellen, aber Kunstprodukte zu zeigen und vorzuführen, die nicht Lichtjahre vom Weltbild der Nordkoreaner entfernt sind. Das kostet manche Künster Nerven und führt zu mehreren Ultimaten.

Die Erfahrungen der Gruppe bis dahin waren schon frustrierend. Immer wieder Termine, immer wieder Ablehnung von Begegnungen und Austausch. Der gemeinsame Nenner, der universelle, scheint im Moment erst minimal zu sein.

Trotzdem sollte es für uns Westler Pflicht sein, uns mit dem Bericht über solch kleinen Schritte zu beschäftigen und zwar nicht aus einer Warte der Überlegenheit heraus, sondern bei aller ideologischer Diskrepanz, mit Respekt den Menschen und Künstlern gegenüber, die in einem für uns absurden System leben.

TKKG

Traue keinem sympathischen Lehrer!

In diesem Film von Robert Thalheim nach dem Buch von Peer Klehmet ist das Storygerüst deutlich gearbeitet.

Tim (Ilyes Moutaoukkil), Vater gestorben, Mutter alleinerziehende Supermarktangestellte, sozial niedere Wohnblockverhältnisse, erhält trotz Disziplinlosigkeit ein Stipendium für ein reiches Internat. Grad realistisch ist das nicht und wird auch nicht im Sinne einer Nachvollziehbarkeit erzählt, es passiert eher wie ein brechtscher Deus ex machina und unvorbereitet. Das hätte man dem Jungen nicht gegeben.

Im Internat muss er das Zimmer mit Klößchen/Will (Lorenzo Germeno) teilen, einem superreichen Söhnchen, das mit Privatjet und Chauffeur angeliefert wird und sich erst weigert, das Zimmer, noch dazu mit einem ohne Smartphon und ohne Markenturnschuhe, zu teilen, mit dem Stipendiaten „aus dem Ghetto“. Gut, auch das ist heillos überrissen, heillos märchenhaft.

Überdeutlich wird aufgetischt, dass der reiche Bub keine Freunde hat, denn nur diese dürfen ihn Klößchen nennen. Eigentlich ist das nur sein Chauffeur.

Gleich in der ersten Nacht stürzt in der Nähe ein Privatjet ab. Es ist derjenige von Klößchens Eltern – ohne jede zeitliche Logik. Darin ist eine millionenschwere goldene Statue aus Asien, die der Chauffeur, der gleichzeitig der Pilot ist, entführen wollte.

Gleichzeitig mit der Polizei nehmen an der Absturzstelle die Kids die Ermittlungen auf, nicht etwa zur Ursache des Absturzes, sondern zum Verbleib der Statue und später, als Folge davon, des entführten Klösschenvaters.

Zu Tim und Will gesellen sich der vergeistigte, supergscheite Computernerd Karl (Manuel Santos Gelke) und die Tochter der ermittelnden Polizisten Gaby (Emma-Louise Schimpf). Auch dass die Polizistentochter auf diesem Eliteinternat ist, scheint unrealistisch. Sie spielt dort zudem im Orchester.

Der Polizeiapparat zur Behandlung des Flugzeugabsturzes ist faktisch reduziert auf Gabys Vater und einige Komparsen. Das ist weitab von realistisch.

Was also will der Film uns erzählen? Dass Freundschaft sinnvoll ist und Klassenvorurteile nicht von Nutzen und dass man sich in den Menschen täuschen kann, zum Beispiel im Lehrer, den Tom Schilling spielt. Der kommt erst als sympathischer, den Schülern zugeneigter Lehrer rüber. Es zeigt sich aber, dass er eine zweite Seite hat, die durchtrieben und mies ist, aber so wie er die erste spielt, ist das nicht glaubwürdig, ja schadet dem Image ehrbarer Pädagogen. Moral: hütet Euch vor sympathischen Lehrern.

Die Inszenierung wirkt statisch, eine Folge sicher des erhöhten Augenmerkes auf die Dialoge. Die Musik hämmert penetrant dem Publikum und gnadenlos diese locker und lustig sein sollende Stimmung ein, die mangelndes Flair von Inszenierung und Montage kompensieren soll. Deshalb muss zum Schluss ein rauschendes Fest her.

In mir hinterlässt der Film ein frustriertes Gefühl, was das Kino anbelangt, er kann keine Kinobegeisterung wecken, dazu ist er zu bieder, zu bemüht um die Ordentlichkeit der Präsentation der krass unglaubwürdigen Story. Eher kommt mir der Film vor wie geknechtet in den engen Fesseln eines ZDF.

Push

Das Monster.

Leilani Farha macht sich weltweit auf die Suche nach dem Monster, das das Wohnen für so viele Menschen in so vielen Städten der Welt unbezahlbar, gar unmöglich macht. Sie ist „Special Rapporteur“ für die UN. Sie will bei der Politik eine Wende (Shift) bewirken, dass das Monster, das sind Finanzinvestoren, nicht mehr ungehindert das Wohnen wie eine Goldmine ausbeuten kann ohne Rücksichtnahme auf das grundlegende Recht des Menschen auf Wohnen.

Farha holt wissenschaftlichen Rat bei Saskia Sassen (Wohnungen als Assets, die in irrer Geschwindigkeit gehandelt werden können) und beim Ökonom und Nobelpreisträger Joseph Stieglitz, resp. der Dokumentarist Fredrik Gertten, der sich an die Fersen von Leilani Farha heftet, holt diesen Rat ein. Stiglitz schiebt die Schuld am heutigen Problem auf Milton Friedman, der der Deregulierung ohne Rücksicht auf die Menschen das Wort geredet hat.

Farha ist unterwegs in Valparaiso, in Ottawa, in Stockholm, in Seoul, Berlin, London, New York. Sie findet in London ganze Straßenzüge mit Wohnhäusern und keinen Menschen unterwegs, lauter leeren Parkplätzen: Wohnungen, die nur noch Assets und keine benutzten Wohnräume mehr sind. Auswüchse des Finanzkapitalismus, der sich auf den Immobilienmarkt stürzt.

Farha findet Politiker und Idealisten, die versuchen etwas gegen diese Art der Gentrifizierung zu unternehmen. Gemeinden, die Häuser und Boden kaufen mit Vorkaufsrecht, um diese dem Zugriff der Finanzinvestoren zu entziehen.

Farha stößt auf das Paradox der Pensionsfonds: in Seoul wurde massenhaft Wohnraum von Arbeitern vernichtet, damit Pensionäre ihre Pensionen bekommen können. Ein Termin bei Blackrock, einem der größten Finanzinvestoren der Welt, wird kurzfristig ersatzlos gestrichen. Sie wollte mit den Investoren über den Zusammenhang zwischen Finanzmarkt, dessen Agieren im Wohnungsmarkt und dem menschlichen Recht auf Wohnen diskutieren (wie Frau Sassen meint: sie verhalten sich nicht wie Hersteller von Produkten, die Mehrwert schaffen, sondern wie Prospektoren, die Minen ausbeuten, bis sie leer sind und der Rest interessiert sie nicht).

Der Film von Fredrik Gertten ist kein Unterhaltungsfilm, er ist einer von der Sorte illustrierter Ökonomielektionen, die alleweil anregend anzschauen sind. Wobei mir aus deutscher Sicht das Wiener Modell fehlt genau so wie Hans-Jochen-Vogels Forderung nach einer Bodenreform.

Magie der Wildpferde

Pferdeliebe.

Es ist Liebe. Es ist das Leben. Die Beziehung zu ehemaligen Wildpferden aus Polen kann einer jungen Frau, Simone, unendlich viel geben.

Sie macht sich mit ihrer kleinen Herde auf den Wanderritt von Bayern nach Kiel. Sie übt sich in Minimalismus der Lebenskunst, eines Tages werden sogar die Gepäcktaschen nach Hause zurückgeschickt.

Die kleine Herde, das sind die beiden ehemaligen Wildpferde Coco und Luna und ein junges Pferd und ein Hund. Auch eine Freundin reitet mit. Zeitweilig werden sie von anderen Reitern begleitet. Sie reiten ungeplant. Im Laufe des Tages wird eruiert, wo es was mit Pferden gibt. Gegen Mitarbeit im Stall können sie über Nacht bleiben.

Das Glück von Simone und ihre Dankbarkeit kennen keine Grenzen. Der Wanderritt mit den Pferden hat etwas Magisches, hat mit ihr etwas gemacht, hat sie gelehrt, wozu ein Grundvertrauensverhältnis gut ist, was wichtig ist im Leben.

Wildpferde sind das Thema in diesem Film von Caro Lobig. Die Geschichte mit Simone ist das Roadmovie darin. Lobig fängt in den USA an, in Georgia. Hier gibt es jede Menge Wildpfere. Es sind ihrer zu viele, so dass sie ihre eigene Ernährungsgrundlage vernichten. Der Mensch versucht zu regulieren. Mit Helikoptern werden die Herden zusammengetrieben, untersucht, allenfalls sterilisiert. Ein Teil der Herde wird den Menschen anvertraut.

Der Film wendet sich jetzt nach Oregon zu einer Pferdetrainerin deutschen Ursprungs, die Wildpferde aus Georgia trainiert. Sie möchte damit möglichst vielen der Pferde ein Überleben in guten Händen garantieren. Sandra ist begeistert, was Wildpferde einem Menschen zu geben imstande sind, ganz anders als Zuchtpferde.

Der Film fährt fort mit einem Schwenk in die Eifel zu einer weiteren Pferdetrainerin, die Wildpferde aus Oregon trainiert und heimisch macht. Es geht darum, dass die Pferde sich wohl und in Sicherheit fühlen und nicht wie Gefangene.

Nach einem kleinen Schlenker nach Andalusien, auch hier mit einem deutschsprachigen Pferdetrainer, der auf die Konflikte hinweist, die immer mehr Menschen und immer mehr Pferde hervorbringen, setzt die Geschichte mit Simone an.

Der Film transportiert deutlich mehr Enthusiasmus, Tierliebe, Emotion zwischen Pferd und Mensch als die ganzen deutschen Pferde-Teenie-Filme der letzten Jahre zusammen. Die Musik lässt den Film Film sein (so wie manche Trainer sagen, sie wollen das Pferd erst Pferd sein lassen) und träumt ruhig und zufrieden vor sich hin.

Fighting with my Family

Stephen Merchant erzählt nach einer wahren Geschichte von einer jungen Frau aus Norwich, Britannien, die sich an die Weltspitze des Frauenwrestlings emporkämpft.

Es ist Saraya Knight (Florence Pugh). Ihre ganze Familie, die Merchant wunderbar als britische Proloklasse inszeniert, voller Energie, voller Gefühl, voller Leben und kämpferisch, auch ein bisschen „weird“ (wie sie sich selbst in der Fremdwahrnehmung beurteilen), betreibt eine Wrestling-Schule. Wrestling ist ihr Leben.

Von der Weltspitze träumt nicht nur Saraya, die sich später den Künstlernamen Paige gibt, sondern auch ihr Bruder Zak (Jack Lowden). Die Eltern Juliy (Lena Headey) und der Vater Ricky (Nick Frost) träumen mit.

Talentspotter Hutch (Vince Vaughn) sieht in Saraya Möglichkeiten, lädt sie ein zum Training nach Orlando, Florida. Jetzt wird’s einsam um Saraya, denn ihr Bruder, zu dem sie ein inniges, auch sportlich gesehen, Verhältnis hat, wird nicht ausgewählt.

Paige ist in Orlando eine Outsiderin, nicht nur wegen ihres britischen Akzentes (der so klinge, wie wenn Nazis im Film sprechen), auch von der Figur und den schwarzen Haaren her. Die anderen sind größere, stark muskulöse Blondinen.

Es setzt Krisen. Paige will nicht weitermachen, möchte beim Weihnachtsurlaub zuhause bleiben. Es kommt zu Diskussionen, alles was so ein Film braucht, um auf ein glorreiches Ende hinzusteuern.

Merchant inszeniert das prima mit genügend Gefühlsmayonnaise und nutzt die Bildqualitäten dieser Show-Sportart, die in ihrem Auftritt Wert auf ein „Script“ und auf eine „Erzählung“ legt.

Produziert hat Dwayne Johnson. Er hat sich selbst eine lässige Hintergrundfigur als Dwayne „The Rock“ Johnson ins Buch schreiben lassen und hat als Produzent darauf geachtet, dass der Film eine gut nachvollziehbare Erzählung hat und eine schöne Geschichte erzählt, die genügend Melodram ist.

So einen Film hätte man sich früher liebend gerne in einem Aki angeschaut, um die Wartezeit auf einen Zug zu verkürzen.

Das Leben meiner Tochter

Herzverkauf am Telefon
oder das Porträt eines schlechten Menschen
.

Dieser Mensch ist Micha Faber (Christoph Bach). Er ist verheiratet mit Nathalie (Alwara Höfels). Sie haben das Mädchen Jana (Maggie Valentina Salomon). Jana hat eine unheilbare Herzmuskelentzündung. Heilung ist nur möglich durch eine Herztransplantation. Bis dahin muss das Mädchen an eine Herzmaschine angeschlossen sein. Diese ist so groß wie ein Kühlschrank und auf Rädern. Das Mädchen hat etwas Bewegungsraum dank Schläuchen.

Das Thema dieses Filmes von Steffen Weinert ist die Beschaffung eines Spenderherzens. Im Normalfall ist mit einer Wartezeit von 8 Monaten zu rechnen. Nach einem Jahr ist nichts passiert, außer dass ein Geschwisterchen zur Welt gekommen ist.

Der Film schildert die Aktivitäten des Vaters, mit allen Mitteln an ein Spenderherz zu gelangen. Übers Internet bekommt er Kontakt zu einem Arzt in Bukarest, der eines für eine Viertelmillion inklusive Transplantation organisieren könnte.

Der Film warnt ausdrücklich vor dem Herzspendenhandel, den dubiosen Quellen und den möglicherweise unzureichenden hygienischen Verhältnissen in Drittländern, da diese Art von Handel in Deutschland nicht erlaubt ist.

Dem Vater sind Gesetze egal. Für das Wohl seiner Tochter pfeift er auf alle zwischenmenschlichen Regeln, gelten ihm humane Interessen und Rücksichten nichts. Er organisiert den Deal, beschafft mit krimineller Energie das Geld und was der bösen Taten mehr inklusive nächtlichen Abhauens mit dem Töchterchen und dem heimlichen Flug nach Bukarest sind. Er hintergeht damit auch seine Frau, die nicht damit einverstanden ist. Ihm gilt weder das Wort etwas noch die Liebe zu seiner Frau.

Der Film fängt verheißungsvoll an. Die Eltern sind im Gespräch mit dem noch gesunden Mädchen. Das Mädchen fragt, wie sie sich den kennengelernt haben, übers Internet? Nein, nein, erzählen sie, noch ganz normal in der Mensa hätte er sie angesprochen und zum Kaffee eingeladen. Was die Mutter geantwortet habe? Nein. Warum? Weil er nur bumsen wollte (passt zu seinem schlechten Charakter). Klein Jana korrigiert die Eltern, das sage man heute nicht mehr, heute spreche man von „Ablaichen“, „Durchflöten“, „Einparken“. Der Film verspricht mit diesem kleinen Vorspann, mehr als er denn hält, er verspricht Einblicke in die Liebe von Vater und Mutter, deren Prüfungen, deren Haltbarkeit.

Doch der Film reduziert sich auf die Transplantationsthematik. Es geht nur noch um das verbissene Ziel des Vaters, Töchterchen ein neues Herz zu beschaffen, egal, wer dafür ums Leben kommt. Der Film wirkt so mehr wie ein Beratungs- oder Aufklärungsfilm zum Thema Herzkauf und Herztransplanation und damit einhergehend zum Thema der Organspende. Insofern empfiehlt sich der Regisseur mit seinem pointiert ausgeleuchteten Film für Schulungsfilme, Beratungsfilme mit illustrierender Spielhandlung.

Da der Film bestimmt auch fürs Fernsehen gedacht ist, wird der Protagonist, der schlechte Mensch, durch eine Entdeckung in Krankenhaus in Bukarest eine Läuterung durchmachen und seine eigene Schlechtigkeit erkennen.

Burning

Brennen – für die Literatur, so könnte vielleicht der Titel dieses Filmes von Chang-dong Lee, der mit Jungmi Oh auch das Drehbuch geschrieben hat, interpretiert werden.

Der literarische Bezugspunkt ist William Faulkner. Der ist das Vorbild für den Protagonisten Lee Jong su (Ah-in Yoo), er hat literarische Ambitionen, möchte so schreiben wie Faulkner, aber so recht weiß er nicht, was er schreiben möchte. Ein früher Zustand an literarischer Ambition, insofern auch etwas unterentwickelt oder positiv gesprochen, eindeutig ausbaufähig. Das schlägt sich im Film nieder.

Die Story, soweit sie haptisch zu fassen ist, ist im Endeffekt doch arg simpel – einerseits. Andererseits lässt der Film den Zuschauer rätseln, was ist real, was ist Fiktion. Und gibt am Schluss – meiner Ansicht nach – doch eine ziemlich klare Antwort. Insofern sollte bei einer Inhaltsangabe Zurückhaltung geübt werden.

Lee Jong-su ist ein Bursche vom Lande in Südkorea, aus der Gegend Paja in Sichtweite zur Grenze nach Nordkorea. Hier wird Gemüsebau in Gewächshäusern betrieben. Der Vater von Lee muss ein interessanter Typ gewesen sein, aber wegen einer Unbeherrschtheit steht er vor Gericht. Charakter passt nicht in jede Gesellschaftsordnung.

Zuhause hat er noch ein Kalb im Stall stehen. Sein Sohn verdingt sich mit Trägerjobs in Seoul. Damit fängt der Film an, wie er an einem LKW eine Zigarette raucht. Ihn sieht man nicht. Irgendwann kommt die Hand mit der Zigarette. Dann biegt er ums Eck, um einen Sack mit schwerer Ware zu schultern und in eine Fußgängerzone hineinzutragen.

Die Kamera lässt sich dabei von jungen Frauen in kurzen Röcken und überhaupt auf sexy gekleidet ablenken, die als Rekommandeusen für ein Gewinnspiel arbeiten. Auf dem Rückweg spricht Shin Hae-mi (Jong-seo Jun) Lee an, ob er sie nicht wiedererkenne. Er erhält ein Los und gewinnt eine pinke Frauenarmbanduhr. Die schenkt er Haemi. Die beiden sind im selben Dorf aufgewachsen.

Das ist der Anfang einer Liebesgeschichte, die einen Slalomweg durch verschiedene literarische, filmische Genres nehmen wird. Haemi will sich daran erinnern, dass Lee sie einmal als kleines Mädchen aus einem tiefen Brunnen gerettet habe, in den sie gefallen sei. Dort sei sie stundenlang traurig gewesen, bis er sie gerettet habe. Er kann sich nicht daran erinnern.

Mit solchen Behauptungen gibt der Film zu verstehen, dass er keinesfalls daran denkt, ein realistisches Narrativ aufzustellen, dass ihm anderes im Hinterkopf rumgeht.

Die Liebesgeschichte zwischen Lee und Haemi wird infrage gestellt durch Ben (Steven Yeun) mit einem schwarzen Porsche Carrera, der für nicht selbst erworbenen Reichtum steht – Lee fährt einen ruckligen, rostigen, landwirtschaftlichen Pickup. Ben taucht plötzlich auf beim Rückflug von einer Afrikareise, die Haemi sich gegönnt hat.

Ein Thema werden später verschuldete Frauen in Korea sein, nachdem vorher schon das Problem der Jobsuche via Lee eingeführt worden ist. Es gebe viele Frauen, die ihre Kreditkarten überzögen und in einen Schuldenstrudel geraten würden. Es gibt recht abschätzige Meinungen über solche Frauen. Auch die Mutter von Lee ist so eine. Deshalb hat sie sich vor 16 Jahren aus dem Staub gemacht.

Von der Machart her, auch dem wohldosierten Einsatz von Musik, Kamera, Schnitt und Darstellung gehört der Film in die Erstklassigkeit koreanischer Filmkultur, kann einen reinziehen. Von der Qualität der behandelten Literatur her bin ich mir da nicht so sicher, der Roman, der dem Möchtegernautoren vorschwebt, ist doch recht simpel.

Das Thema Bürgerrechte wird gestreift, mittels einer Petition, die Lee in Paja für seinen Vater startet, und in Südkorea bekommt selbstverständlich auch die Kirche ihren Auftritt.