Happy Death Day 2U

Zeitschlaufen-Verschlingungen in kalter Neonästhetik.

Der Geburtstag von Tree (Jessica Rothe) ist Dreh-, Angel- und auch Todespunkt dieser Universitäts-Blondine. Sie verheddert sich endlos darin. Den Geburtstag feiert sie mit ihrem Vater auf der Terrasse eines Restaurants. Da tritt auch immer wieder Trees verstorbene Mutter auf, bis zu einer romantisch-versöhnlichen Szene mit der Tochter.

Das Problem der Darstellerin in diesem Film von Christopher Landon ist, dass sie einerseits makellos-teenie-hübsch sein muss, andererseits eine Vielzahl von abstoßender Härte und Hysterie zu spielen hat. Dadurch wird das mit der Sympathie schon mal schwierig.

Eine Komödie ist es auch nicht. Hinzu kommt, dass der Film mit einer Zeitschlaufe ihres knuddeligen, blondierten und im Gegensatz dazu mit stark geschwärzten Augenbrauen versehenen Kommilitonen Ryan (Phi Vu) anfängt. Er sitzt verschnarcht in seinem PKW. Er wird aufgeschreckt, rennt halb schläfrig zur Uni, wird ständig angerempelt und landet schließlich im Labor bei seinem ganz besonderen Experiment, das mit Quantenmechanik zu tun hat, aus einer Kugel mit mindestens einem Meter Durchmesser aus Drähten und Röhren besteht und mit einem Computer verbunden ist.

Der Professor erklärt das Projekt für gescheitert. Ryan wird bedrängt, flieht, wird umgebracht. Wacht wieder verschnarcht im Auto vorm Campus auf. Er wird als Sympathie-Figur eingeführt und nachdem er einem Doppel von sich begegnet ist, übernimmt Tree die führende Rolle. Das ist nur einer der krassen Faux-Pas des Drehbuches, das den Eindruck erweckt, es sei vielleicht von Management-Beratern ausgeheckt, sicher aber nicht von Profis. Diese wollen es knallen und krachen lassen, wollen Hysterie über Hysterie, gern in kalter Neonästhetik. Es geht ihnen vielleicht um eine Effekten-Ansammlung, ein Überschütten der Leinwand mit wie wahllos zusammengestellten Horroreffekten zum Thema Zeitschlaufe.

Dadurch wirken die allesamt hübschen und sicherlich talentierten, aparten, intelligenten Nachwuchsdarsteller wie beziehungslos, als ob sie den gewünschten Schuh runterspielten, weil auch sie kaum was von Beziehung zu den anderen finden können.

So mag die Musik noch so sehr den Swing und den Schwung versuchen – sie kann nicht über das Durcheinander der Story hinweg helfen, auch dies scheint aus nicht weiter erklärlichen Gründen Eingang auf die Tonspur gefunden zu haben. Der Film findet selbst nicht mehr aus dem zeitlichen Dimensionsdurcheinander heraus. Und wird so von Szene zu Szene zu einer immer größeren Enttäuschung.

Godzilla II: King of the Monsters

Dieser Film von Michael Dougherty belegt, wie weit inzwischen die Animationstechniken des Kinos sind, wie sie spielend gigantische, belebte, urzeitlich wirkende Ungeheuer zeichnen können, die fliegen, fauchen, kämpfen, brennen, lieblich knurren, mit den Augen blinzeln. Sie bewegen sich mit ihren Riesenschwingen, oft auch brennend, im Wasser, in der Luft, auf Erden, in Stadt und Dschungel, in sintflutartigem Regen, in Ruinenlandschaften, in Wolkenbrüchen und in Flammen-, Lichter-, Nebel- und Fontänenmeeren.

Es sind apokalyptische Szenerien und der Mensch fühlt sich immer mehr bedrängt, er wird die Geister, die er rief, nicht mehr los. Insofern ein faustisches Angebot.

Und etwas komplizierter, weil ein von Menschen gezüchtetes Neu-Urwesen sich selbständig gemacht hat, weil invasive Elemente eine Rolle spielen und auch, weil es sich bei „Monarch“ um ein weltweites Forschungsprojekt handelt, mit unendlich vielen Außenstationen.

Das führt zu einer Häufung der Bedrohungen, das führt zu einer Häufung des Wechsels von einem Ort zum anderen, das führt zu einer Häufung von Forschungs- und auch Kriegspersonal, das in frisch gebügelten Hemden und Uniformjacken regungslos vor Monitoren steht und entweder lange Gesichter macht oder das Gesicht aufweichen (und die Stimme flüstern) lässt, falls die Musik gerade ankündigt, dass sich die Situation wieder beruhigt.

Das führt zu einer Häufung von Kommandoständen, von Kommandobrücken, von Lagezentren, von Befehlsgebrüll, von Diskussionen, was zu tun sei, von Spannnungsinformationen, dass nur noch so und so viel Zeit bleibe, dass nur noch dies Kästchen oder der Mann oder was oder wer auch immer die entflammte Welt noch retten kann, die teilweise eh schon in Schutt und Asche liegt.

Die Helden bleiben dadurch, wegen der bescheidenen Texte und auch, weil sie überwiegend nur Reaktionen auf die Monster spielen müssen, schablonenhaft und sind nicht weiter erwähnenswert. Dito verhält es sich mit der dünnen Story.

Das dreiköpfige Schlangenmonster Zero hat Hydraqualitäten und letztlich kann es nur von Godzilla besiegt werden. In all dem Chaos geht es auch darum, eine Familie wieder zusammenzubringen. Das sind immerhin ordentliche, dramaturgische Ansätze.

Mir scheint es, die Macher wollten zu viel, immer wieder entflammt der Kampf neu, explodieren Dinge, rüttelt und schüttelt es U-Boote, Flugzeuge und Außenposten, fliegen Dinge durch die Gegend, rennen Mensch schutzsuchend wohin. Wobei die Geschichte sekundär und unwichtig ist, es geht dem Film um die Jahrmarktmonsterspektakel-Katastrophen-Effekte; davon bietet er mehr als genug. Dabei hört sich das Zitat „Long live the King“ dann doch ziemlich deplaziert an.

Tatort: Die ewige Welle (ARD, Sonntag, 26. Mai 2019, 20.20 Uhr)

Drogen an der Eisbachwelle.
Seit der Intendant des BR (jawohl, derjenige mit dem Kanzlerinnengehalt!) gesagt hat, er könne wegen nicht genügend Geld nicht mehr die gewünschte Qualität liefern, also weniger Drehtage und mehr Wiederholungen, hat das den Fokus auf die BR-Produktionen geschärft.

Nach einer schön nostalgischen 1984er-Nackt-Schwimm-Szene in Portugal scheint einem der Überfall 35 Jahre später in München auf einen Eisbachwellen-Surfer auf dem Heimweg (Drehbuch: Alex Buresch, Matthias Pacht, Regie: Andreas Kleinert) bereits mit zu wenig Zeit und zu wenig Geld (und vielleicht auch zu wenig Überlegung) dilettantisch gefilmt. Dann wacht der Überfallene im Krankenhaus auf und Leitmayr hat ein Aha-Erlebnis, das wohl auch mit zu wenig Zwangsgebührengeld in den Kasten musste.

Soll man sich überhaupt noch Zeit nehmen und sich mit so einem Märchen-Zusammengestöpsele-Produkt beschäftigen? Zu differenzieren, was akzeptabel war, was nicht? Na denn…

Das Bühnenbild ist schön romantisch, etwas vertüdelt, liebevoll, kleindörflich mit viel Einsatz der Ausstattung und des Lichtes (immer im Hinblick auf das zu wenige Geld, was die ARD laut deren Sprecher mit den Zwangsgebühren einnimmt).

Die Story, das ist ein Stück vom Märchenonkel, der inzwischen Mühe hat; ein aus den Fingern gesaugtes Märchen, hirnverquast bis dort hinaus.

Die Story der Ausgangslage in Portugal ist eine Ménage-à-trois, die zeigt einen Anhauch von großem Kinofilm, da müssen sich die Darsteller auch nicht durch unspielbare Rollen quälen, wie später Andreas Lust als Mikesch, das gesuchte Eisbachopfer. Er beweist am deutlichsten, wie unspielbar seine Rolle ist. Das fällt auf die Drehbuchautoren Alex Buresch und Matthias Pacht zurück.

Der Regisseur Andreas Kleinert, der mal als große Kinohoffnung gegolten hat, erfüllt das Drehpensum mit deutlichen Performance-Dellen in diesem Krimi, der zwischen Melodram und Krimi dermaßen schwankt, dass dem Krimi der Krimi ausgetrieben wird.

Noch weniger spielbar ist die Tochter der unspielbaren Mikesch-Figur – oder sie ist ein eklatanter Castingmissgriff. Die beiden haben rein gar nichs miteinander gemein. Selbst ein Märchen sollte doch wenigstens eine minimale Glaubwürdigkeit im Interesse des Publikums gewährleisten.

Die Autoren dichten dem Kommissar Leitmayr eine Hippie-Vergangenheit an, deren Mitbeteiligte, ohne dass er es mitkriegt, unter seinen Augen in München alt werden. Der Melodram-Kommissar muss mehrfach große Augen machen, wenn er damit konfrontiert wird. Das überschreitet die Grenzen der Kommissarsprofessionalität andauernd und ist reines Märchen, aber kein besonders gut erfundenes.

Oder was soll es uns erzählen? Dass aus einem Hippie ein seriöser Fernsehkommissar geworden ist? Was wäre der Reiz dabei? Und aus seinem damaligen Kumpel ein Looser, der versucht, mit Drogendealerei aus der Scheiße rauszukommen (dazu passt das Surfen am Eisbach wie die Faust aufs Auge – oder gehören zu den Surfern auch Drogen?).

Dabei reitet er sich nur immer weiter rein. Der arme Andreas Lust muss ständig mit einer lebensgefährlichen Wunde durch den Film rennen. Mal denkt er dran, meist nicht. Dann agiert er als sei nichts, und wenn dann jemand sagt, es gehe ihm nicht gut, so ist das diametral der gespielten Realität entgegengesetzt. Vermutlich haben die das sogar so abgesprochen, die Mühe müsse sich der Darsteller nicht machen, wie im Märchen reiche allein die Behauptung, dass er lebensgefährlich verletzt sei, das brauche er nun wirklich nicht in jeder Einstellung spielen (das liege auch gar nicht drin bei der Gage, die der Intendant des BR dafür rausrückt).

Der ARD-Intendant jammert, er könne mit dem ihm zur Verfügung stehenden Geld kein qualitätsvolles Programm machen. Das beweist eine Sendung nach der anderen, auch dieser Tatort.

Wie unglaubwürdig schon die Ausgangsszene mit dem Messser im Bauch inszeniert ist. Da hätten die einfach mehr Zeit gebraucht. Aber die gibt es nicht. Insofern gibt es für den Zuschauer auch nicht das Sprungbrett mit der nötigen Elastizität für Spannung.

Was will uns dieser Möchtegern-Krimi erzählen? Dass München ein Märchenwald ist, in welchem grotesk-absurde Szenen ablaufen, allerdings nicht grotesk genug, um auch Witz zu beinhalten, gar Zeitkritik.

Wenn der Gesuchte in der leeren Straßenbahn mit blutender Bauchwunde mit dem Kommissar telefoniert und der Satz fällt, „dann sind wir vielleicht zusammen Vater“, so weiß man nicht, ist das jetzt gewollt schauderhaft oder zufällig oder einfach nur peinlich? Mir scheint das eher das Resultat von Ratlosigkeit angesichts eines Drehbuches, bei dem hinten und vorne nichts zusammengeht, das vor Weltfremdheit und Unglaubwürdigkeit, besonders wenn es um die Drogendealerei geht, nur so strotzt.

„Sie müssen nicht tot sein, damit wir ermitteln“.
„Ich möchte die Wiedersehensfreude nicht bremsen, aber vielleicht können wir kurz das Geschäftliche regeln.“
„Den Rest kannst privat machen, wir müssen uns um den Messerstecher kümmern“.

Der Assi Kalle berichtet den beiden neben die Unterführung hingestellten Kommissaren, dass das Opfer aus dem Krankenhaus abgehauen sei und eine tiefe Wunde habe, was eine ernste, lebensbedrohliche Lage darstelle. Schnitt. Der so beschriebene ist munter in der Stadt im Sonnenschein unterwegs, von tiefer Wunde keine Spur, irgendwie komisch gehen tut er.

Die Freundin von Mikesch ist auch ziemlich doof, dass sie nicht merkt, dass es ihm wirklich schlecht geht. Das spielt er aber erst später, kurz nachdem sie gegangen ist.

Und dann wird’s richtig Kindertheater, wie sie die Kartons auspacken mit dem Dope und es dem Heinrich anhängen wollen. Ach, alles so unglaubwürdig …
was sind das für Dealer! Oder so hingepfuscht. Die bräuchten ne Menge mehr Drehtage für so einen Stoff, der sich kaum zusammenreimt.

„Der Robert, der glaubt, Sie san sein Freund“ (dieser Schauspieler gibt sich wenigstens Mühe).

Batic mimt ab und an ein Ischias oder sowas – wie mit dem Vorschlaghammer … einzig, damit die Pointe mit dem Anbau für den Eigenbardarf vorgetragen werden kann …

… eine weltfremde Dealerszene in Kunstmuseum … Drogendealer-Melo …
und dann gibt’s noch eine richtig romantische Schießerei.

Kommentar zu den Reviews vom 23. Mai 2019

Filme. Britische Selbstverwirklichung, asiatische Versöhnung, deutsche Selbsterhaltung, deutsche Musik-Neugier weltweit, amerikanische Selbstspaltung (physisch), französische Schnösel, Orientprunkoperette aus Hollywood, Menschenjagd als amerikanische Action, in Hollywood auf den Tod warten. Neuigkeiten. Nicht in Cannes spielt die Musik, sondern in München im mathäser im Dolby Cinema und bei einer Pressekonferenz wurde das Projekt einer Internet-Plattform für Dokumentarfilmer vorgestellt.

Kino
EDIE – FÜR TRÄUME IST ES NIE ZU SPÄT
Der Tod des Ehepartners schafft neuen Freiraum.

RAMEN SHOP
Nicht nur Liebe, auch Versöhnung kann durch den Magen gehen.

DIE ROTE LINIE – WIDERSTAND AM HAMBACHER FORST
Hier zeigt der Staat Gewalt statt Gesicht.

BLOWN AWAY – MUSIC, MILES AND MAGIC
Zwei Deutsche segeln um die Welt und fischen – Musik!

JONATHAN
Ein Mann mit zwei sich ausschließenden Körpern.

THE WILD BOYS
Coming of Age, Sex, Gewalt, Knechtung, Züchtigung und Trauminsel.

ALADDIN
Und der Teppich fliegt und fliegt und fliegt.

JOHN WICK: KAPITEL 3
Die Macher haben die Ausgangslage des ersten Filmes vergessen, der Held hat davor kapituliert, macht Kniefall und dient dem Vergessen.

SUNSET OVER HOLLYWOOD
Mäuschen im Hollywood-Luxus-Altenheim.

Neuigkeiten
Kino-Offensive (das DOLBY CINEMA im mathäser)
Das ultimative Kinoerlebnis!

Eigeninitiative für den Dokumentarfilm
DOKfans will zur Popularisierung des Dokumentarfilmes beitragen, eine Privatinitiative.

Aladdin

Overlamped.

Und nochmal die Wunderlampe reiben und nochmal, drei Wünsche hat der Reiber und nach dem gefühlt zehnten Mal ist immer noch nicht Schluss. Und wieder taucht Will Smith als der teilanimierte Riese von Lampengeist auf und erfüllt die Wünsche des Reibers und macht Späße aus dem Repertoire des Pausenclowns.

Der Lampenreiber ist nicht immer derselbe, es kann auch der ehrgeizige Jafar (Marwan Kenzari) sein, der wie Aladdin (Mena Massoud) als kleiner Dieb in der Stadt angefangen hat, inzwischen Wesir am Hof ist und es bis an die Spitze des Sultanats bringen möchte und dazu vor keinen Mitteln zurückschreckt.

Deshalb will er an die Lampe kommen, die in einer von einem Steinungeheuer wie einem Höllenhund bewachten Höhle voller Schmuck und Juwelen und Gold liegt. Die soll Aladdin holen, weil Jafar ihn erwischt hat, wie er sich heimlich zu Prinzessin Jasmine (Naomi Scott als ewiggültige Schönheit) in den streng bewachten Palast geschlichen hat. Er ist bei einem seiner Diebeszüge im Basar, er macht die immer mit seinem Äffchen, an sie geraten und hat sie so kennengelernt; sie war mit ihren prachtvollen Geschmeiden sein Opfer.

Die Geschichte ist bekannt. Es kommt hinzu der fliegende Teppich. Der ist niedlich animiert, kann mit seinem Bommeln an den Ecken wedeln, kann sich krümmen wie ein kleines, sympathieheischendes Tier und fliegt die wahnsinnigsten Kapriolen über die verwinkelte orientatische Stadt.

Überhaupt ist die Ausstattung prunkvoll, so richtig schön, wie man sich anno dunnemals den Orient und seine Märchen vorgestellt hat oder wie wir ihn aus der Operette kennen, denn gesungen wird auch ab und an, das machen die mit Talent.

Die Kostüme sind ein Mixstil, es bewegt sich immer was auf der Leinwand und es ist richtig eine Erleichterung aus dem Nahen Osten so etwas Altverspieltes, mit einigen neuen Zerbröseleffekten Angereichertes zu sehen, statt immer nur die Terror- und Hass- und Rachenachrichten aus Israel, Palästina, Syrien, Iran, Irak und Saudi-Arabien, was in der eigenen Botschaft in Istanbul Landsleute zerstückelt oder aus der Türkei mit ihrem Despoten, der sich selbst ein dröges Märchenschloss baut, sich aber den überladenen Holly-Bollywood-Prunk wie hier von Disney nicht richtig traut. Der Orient ist nur noch bei Disney das, was er einmal war.

Die Regie führte Guy Ritchie (King Arthur – The Legend of the Sword), der mit John August auch das Drehbuch geschrieben hat.

Blown Away – Music, Miles and Magic

der etwas andere Musikfilm
oder
der etwas andere Reisefilm
.

Oder: eine aparte Mischung von beidem. Oder: über den Umgang mit einem Erbe.

Ben Schaschek erbt nach seinem Studium der Tontechnik 15′ 000 Euro. Damit will er etwas Abgefahrenes machen, „das Raster verlassen“, wie es später im Film einer nennt.

Mit dem Geld fliegen er und sein Freund Hannes Koch auf die Salomon Inseln, kaufen dort das Segelboot „Marianne“ mit der Absicht, um die halbe Welt nach Hause zurückzusegeln.

Die Route führt über Australien, Indonesien nach Indien, Madagaskar, Südafrika, Brasilien dann über Kuba nach Miami und von dort über Irland nach Hamburg. Zwischendrin nehmen sie sich ausgiebig Zeit für Landausflüge. In den USA kaufen sie einen ausgemusterten Schulbus, bauen ihn um für eine ausgedehnte Ostküstenreise.

So besehen würde sich der Film nicht groß von anderen aus der aktuellen Welle von Reisefilmen unterscheiden. Aber sie haben sich auch ein Ziel gesetzt. Sie wollen überall auf der Welt Musik aufnehmen. Und zwar nicht studiomäßig, sondern im Freien, so dass auch noch ferner Autoverkehr oder die Natur im Hintergrund zu hören ist. Das ergibt mitunter pittoreske Bilder und liefert zumindest subkutan die Message, dass Musik die Menschen weltweit verbindet. Und statt Geld erhalten die Musiker eine schöne Nennung für ihre Aufnahmen im Sinne einer Visitenkarte.

Auf eine dezidierte Message, die ein Film ja irgendwie haben soll, sind sie nach über vier Jahren Reise in den USA gestoßen: Tiokasin Ghosthorse, Ureinwohner-Aktivist, richtet mahnende Wort an die Menschheit über das Geheimnis der Dinge, dass alle Dinge miteinander verbunden sind.

Das Private, die Liebe, das Persönliche lassen die beiden Weltreisenden außen vor. Es ist ein Abenteuer- und Musiksuchfilm, selbstverständlich mit viel Traumschiff-Beifang, Segelimpressionen, kiloschwere Fische an der Angel, Städte- und Eisenbahn-An- und Aussichten.

Das Segeln müssen sie sich erst selbst beibringen. Tagebuchmäßig protokollhaft sprechen sie ab und an direkt in die Kamera über den Fortgang der Reise. Von Benni ist am Schluss zu erfahren, dass seine Mutter während der fast 5 Jahre Abwesenheit von Zuhause gestorben ist. Die Gitarre von seinem Opa spielt eine Rolle, sie geht durch die Reisestrapazen aus dem Leim; dem ist eine schöne Sequenz über einen Gitarrenflicker in den USA zu verdanken.

Über die Kilometer und die Kosten der Reise halten die beiden jungen Männer einen auf dem Laufenden: fast 5 Jahre, über 50′ 000 Kilometer für durchschnittlich 12 Euro am Tag all inclusive. Mit dem Geld wären sie in Berlin nicht über die Runden gekommen und den feinen frischen Meeresfisch hätten sie auf ihrem schaukelnden Yacht-Herd auch nicht zubereiten können.

Die Inschrift auf dem Boot: sailingconductors.

John Wick: Kapitel 3

Am Faszinierendsten
an dieser dritten Auflage der John Wick-Filme scheint mir die raffinierte Chronometer-Werbung für Carl. F. Bucherer, obwohl ich mir nicht ganz sicher bin, ob es für diese Firma ist, man bekommt bei den flashhaft im Hintergrund eingeblendeten und sich in Bewegung befindlichen Ziffernblattbildern immer nur Bruchstücke der Inschriften zu lesen, auch weil man ja trotzdem die Handlung im Vordergrund nicht ganz aus dem Auge lassen möchte. Obwohl es, dies zu tun, gute Gründe gibt.

Im ersten Film war für mich die John Wick -Figur (Keanu Reeves) von Interesse, weil er einen Widerstand gegen die Action, die er glaubte hinter sich gelassen zu haben, zeigte, ja er hatte sein Gewehr sogar einbetoniert. Kunstbücher fanden sich in seiner Wohnung, was ich als einen Hinweis auf die möglicherweise empfindsame Seele eines Killers deutete.

Nichts mehr davon in diesem Kapitel 3. Wick hat den Widerstand gegen die Action aufgegeben, das Privatleben, den Ruhestand vergessen. Er liefert jetzt die von den Drehbuchautoren Derek Kolstadt, Shay Hatten + 4 geschriebene und von Chad Stahelski inszenierte Action wie am Fließband ab, nur noch mit dem Ausdruck des Gehetzten. Denn auf ihn ist ein Kopfgeld von 14 Millionen und später sogar mehr ausgesetzt, da er ein Excummunicado ist, ein zum Abschuss Freigegebener.

Sicher haben sich die Macher bemüht, die Feuerwaffen- und Mann-gegen-Mann-Action mit Nuancen zu versehen, sie in glitzernden Glas-Stahl-Spiegelpalästen, Bibliotheken oder anderen Opernausstattungslocations, wie großes, klassisches Theater-Ballett stattfinden zu lassen. Aber das kommt nur noch wie eine Andeinanderdreihung daher, wie ein Almanach, interessant für Kampffans und Spezialisten.

Ein simpler Menschenjagdfilm und alle paar Minuten wird geschlägert, immer hat Wick mehrere Gegner gleichzeitig zu erledigen nach ähnlichem Schema. Und immer wieder muss Wick selber sich derrappeln, Wick, der Derrappler.

Die Texte sind von bescheidener Natur: I should shoot you right in the head, das sagt Sophia (Halle Berry), deren Gesichtsmuskeln sich dabei in unerwarteten Richtungen mitbewegen. Du hast die Regeln gebrochen und dich gegen die Tafel gestellt. Ich habe gedient. Ich will zu Diensten stehen. Solche Texte können nicht so richtig zünden, wirken steril. Das Sippenhaftelement kommt ins Spiel, alle, die den Excommunicado vorher unterstützt haben, müssen sich nun vorsehen.

Es scheint vergessen worden zu sein, vor lauter Fokus auf Variierung der immer gleichen Action, ein geistiges Gerüst zu erstellen. The best of your life will be the death of others. Brauchen wir zu Trump-Zeiten noch solchene Moral? You, Jonathan, do, what you do best. What? Hunt! – Dabei wollte er doch Pensionär sein. Das hat er scheint‘ s vergessen, seine andere, vielleicht spannendere, undurchdringlichere Seite vergessen.

The Wild Boys

Performance in exotisch-erotischem Schwarz/Weiß oder mit Farbfiltern, eine Phantasmagorie zum Exzess oder der Züchtigung des geschlechtlichen Triebes verwöhnter, reicher Jungs auf La Réunion.

Schon die Einführung des Filmes von Bertrand Mandico gerät krass. Die Literturlehrerin lädt fünf reiche Schnösel aus der Klasse zum Nachspielen einer Szene aus Macbeth ins Schilf nahe dem Ufer: Romouald (Pauline Lorillard), Jean-Louis (Vimala Pons), Hubert (Diane Rouxel), Tanguy (Anael Snoek), Sloane (Mathilde Warnier).

Die Jungs sind in weißen Hemden, haben Hosenträger an und weiße Masken vorm Gesicht. Sie kippen starken Alkohol. Das Vorspielen endet grausam in einem Gewalt- und Sexexzess.

Es folgt eine performative, symbolische Gerichtsverhandlung. Die Jungs lügen sich und dem Gericht fett einen vor. Der Zuschauer hat es eindeutig anders gesehen. Der Elternrat entscheidet, die Jungs als Erziehungsmaßnahme einem holländischen Kapitän (Sam Louwyck) zur Züchtigung auf sein Schiff mitzugeben.

Auf dem Schiff werden Varianten von Herrschaft durchgespielt, von Ankettung und sexueller Sehnsucht, von Gruppenzwang und Befreiungsversuchen, die Intimität zwischen Quäler und Opfer.

Die letzte Station dieser Erziehungsmaßnahme ist eine Insel („ein schwarzer moosbedeckter Scheißhaufen“), die mit einer Auster verglichen wird. Mit der Person Séverin(e) (Elina Löwensohn), die sich für die Auster hält, hat es eine Besonderheit, mystisch, drahtzieherisch, sie steht hinter dem Kapitän, der nur als ein Vollzieher – und also nicht besonders intelligent – dasteht.

Die ersten Beschreibungen der Insel sind wie die einer Kloake, stinkig, bissig, unattraktiv, obwohl die Natur reichlich gedeiht. Dann plötzich ein Wechselbad der Gefühle, die Natur als ein Paradies, das auch sexuelle Gelüste befriedigt – nicht nur dies, sie scheint die Fähigkeit zur Geschlechtsumwandlung zu besitzen. Hier suhlt der Film sich genüsslich im orgiastisch Trancehaften und auch der Schwulität solcher Vorgänge, in der Ewigkeitssehnsucht, dem Widerstand gegen jegliche moralisch-sittliche Begrenzung von Gefühl und Trieb.

Ein weiterer Versuch kinobildhafter Annäherung an das anscheinend nie lösbare Problem der Geschlechtlichkeit des Menschen und seiner Aufspaltung in mindestens zwei Varianten und das Element der Herrschaft dabei mit den Mitteln einer Grausamkeitsperformance, von Grausamkeits- und Allmachtsphantasien und der Vorstellung, über einen anderen Menschen verfügen zu können (wie über einen Hund an der Kette), auch dem Tier im Menschen sowie den beiden Geschlechtern, Entidealisierung des Menschen. Vielleicht die negative Variante von moralischem Dozierkino? Verkommenheit als Prinzip, Grausamkeit als Prinzip oder um ihrer selbst willen.
„On se croyait immortel“.
„Das war, bevor ihnen Brüste wuchsen. Zurück zur Insel“.

Sunset over Hollywood

Uli Gaulke (As Time goes by in Shanghai) hat in Hollywood ein Künstleraltenheim entdeckt und war der Ansicht, er müsse uns darüber berichten. Denn das ist nicht gerade das, was wir unter einem Altenheim bei uns vorstellen. Es handelt sich um eine ausladende Anlage mit Wohnblocks und mit Bungalows. Also nichts wie das Haus der Friedmann-Stiftung am Viktualienmarkt in München für bedürftige Künstler.

In der großzügigen Anlage in L.A. verbringen Hollywoodkünstler ihren Lebensabend: Schauspieler, Produzenten, Regisseure, Autoren, Schnittmeister. Stifter der Häuser sind berühmte Hollywoodstars.

Allerdings ist hier im Film von Uli Gaulke, der mit Marc Petzke auch das Drehbuch geschrieben hat, nichts über die Aufnahmebedingungen, nichts über die Kosten zu erfahren, nichts über die Hintergründe. Zu tief will Gaulke nicht in die Materie eindringen.

Gaulke zieht es vor, ein Traumbild vom Traumalter der Künstler der Traumfabrik im Traumaltenheim zu entwerfen.

Die fahren rüstig und munter auf ihren Elektroscootern auf dem Gelände herum.

Viel Zeit verbringt eine von Gaulke herausgepickte Gruppe in einem Creative Writing Workshop. Die alten Hollywoodherrschaften versuchen, Casablanca fortzuschreiben. Sie drehen selbst einen Film. Sie schauen ihn sich an.

Eine Dame geht mit über 100 Jahren noch munter zu Auditions und spielt immer wieder in Filmen mit.

Im Zusammenhang mit dem Schreibworkshop wird es einen Moment etwas persönlicher, wenn Einzelne aus ihrer Kindheit und dem Verhältnis zu den Eltern erzählen. Das hat Gaulke wohl in seinen Film genommen, um dem zu Recht erwartbaren Einwand der schieren Oberflächlichkeit und billigen Mäuschendoku etwas entgegenzusetzen zu haben.

Zwischendrin gibt es Clips aus berühmten Hollywoodfilmen.

Der Film Ü 100 von Dagmar Wagner über Hundert- und Mehrjährige in Bayern ist dagegen deutlich breiter aufgestellt.

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Sanft verpackte Grausamkeit.

Eine Grausamkeit, die stellvertretend steht für die Gräuel, die die Japaner beim Angriff auf Singapur 1942 angerichtet haben, ist der rabenschwarze Kern, um den herum Eric Khoo sensibel und fast verträumt schön die Geschichte des jungen Japaners Masato (Takumi Sahito) erzählt.

Masato begibt sich nach Singapur auf Spurensuche nach seiner Familie. Kochen scheint ein Faible in dieser Familie zu sein. Und Erico Khoo widmet sich der Suppenzubereitung und deren Genuss so ausführlich (wobei die Asiaten immer gerne essen in ihren Filmen), dass der scheidende Berlinale-Chef sich bemüßigt sah, den Film in der Reihe kulinarisches Kino zu zeigen. Das Logo dieser Reihe prangt nun im Vorspann, was mir wie eine Beleidigung des Filmes vorkommt, denn nicht nur die Liebe geht durch den Magen, auch die Versöhnung.

Khoo lässt sich Zeit, Masato in Singapur sich umsehen zu lassen. Er schildert erst das Verhältnis zuhause, der Vater lebt noch und betreibt ein Restaurant. Der Sohn fühlt sich unglücklich. Vater stirbt. Jetzt ist der Sohn frei, sich auf die Suche zu machen.

Über einen Kochblog lernt er Miki (Seiko Matsuda) kennen. Er selbst ist die ersten Jahre seines Lebens in Singapur aufgewachsen, dann aber nach Japan zurückgekehrt.

Der Film gibt einen Einblick in die Nationalitätenverhältnisse in Ostasien, Vorurteile einerseits und Singapur als Schmelztiegel der Kulturen andererseits. So wird im Film Mandarin gesprochen, Kantonesisch, Japanisch und auch Englisch. Die Untertitel sind je nach Sprache in einer anderen Farbe, vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig, aber auch sinnig.

Mit feiner Nase und der Erinnerung an Gerüche, mit Herumfragen und mit Hilfe von Miki findet Masato, der seit seiner Kindheit nicht mehr in Singapur war, die Spuren seiner Familie, macht einen Onkel ausfindig, der ein Restaurant betreibt, eine bekannte Rippchen-Suppenküche.

Masato stößt auf die Spur seiner Oma, von der er nichts wusste und die seine Mutter offenbar verstoßen hat. Hier wird sich weisen, welche enorme Kraft Kulinarik auf dem Weg zur Versöhnung erstarrter Vorurteile schaffen kann.

Khoo lässt sich genügend Zeit für Impressionen vom Land, von dörflicher Idylle, von Reisfeldern aber auch von der Großstadt Singapur mit ihrer imposanten Skyline. So stellt er einen höchst genießbaren Film her. Sowohl Erzählungen aus der Familie als auch Fotoalben, Tagebücher und Kochrezepte sind wichtige Bausteine auf der Suche von Masato nach seiner Familie.