Wie ich lernte, bei mir selbst ein Kind zu sein

Dieser Film von Rupert Henning nach dem Drehbuch von Uli Brée nach dem Buch von André Heller wirkt wie zwei Filme.

Der erste Film, das ist derjenige, der von Karl Markovics als Roman Silberstein dominiert wird. Er residiert in einem riesigen Schloss mit seiner Frau Emma (Sabine Timoteo) und seinem 12jährigen Buben Paul (Valentin Hagg).

Roman ist ein brutaler Tyrann, so könnte Markovics auch den König Ubu spielen. Der Film fängt im Sommerurlaub mit einer Szene am See an, in der es hart zu und her geht. Paul soll nach den Ferien ins Internat gesteckt werden. Es ist ein starres Knabeninternat mit pervers und schmierig dreinschauenden Patres, Unterdrückung der Knaben wie nur möglich, Schläge inbegriffen.

Paul verliebt sich aus dem Dachfenster heraus in ein Mädchen, das mit roter Jacke auf einem Schimmel auf dem Nachbarsgrundstück reitet. Die Patres haben dem Jungen längst eingebläut, dass Berührungen, Gefühle, Nähe sündig seien.

In seiner ersten Phase wirkt der Film wie eine Aneinanderreihung von knallig inszenierten und mit bärbeißiger Kamera aufgenommenen, knappen, hochgebürsteten Flash-Szenen am Rande des Kabaretts – oder wie Zirkusnummern.

Der Junge beeindruckt durch seine perfekten, schwierig – sozusagen altklug – formulierten Sätzen und dem Ernst, mit dem er sie vorträgt. Inhaltlich geht es um die Autonomie der Person, dass er das tun möchte, was er für richtig hält; dem voraus geht ein Überprüfen der Träume. Diese hält er in einem Buch fest. Es sind Zirkusträume.

Der zweite Film setzt nach dem selbst gewollten Tod des Vaters ein (hier lässt Markovics nochmal so richtig die Schauspielersau raus). Jetzt melden sich seine Brüder, Emigranten aus verschiedenen Ländern und Kontinenten. Paul hat die Freiheit gewonnen.

Es ist merkwürdig zu beobachten, wie der Film plötzlich extensiver wird, als ob er sich verläppert, als ob ihm der Dompteur Markovics fehlt. Jetzt verschwiemeln die Formen. Der Junge, obzwar frei und auch in vielen verschiedenen Kostümierungen zu sehen, wirkt nicht mehr so interessant wie im formal zwingenderen ersten Teil.

Der zweite Teil wirkt wie nachgeschobene Erklärungen zur Familiengeschichte inklusive Holocaust.

Ein nochmal gründliches Durchkämmen des Drehbuches hätte dem Film nur genützt und ihn angenehm gekürzt.
Es dürfte sich um die Bio von André Heller handeln, dem Mitbegründer des Zirkus Roncalli.

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