Niemandsland – The Aftermath

Perfektes Melodram auf brisanter, historischer Bruchstelle.

Ein Melodram der Oberklasse, inszeniert von James Kent nach dem Drehbuch von Joe Shrapnel und Anna Waterhouse nach dem Roman von Rhidian Brook.

Es spielt vor dem Hintergrund des riskanten Überganges vom zerstörten 1000-jährigen Reich zur Zivilisation in Hamburg, etwa 5 Monate nach dem verpassten Endsieg.

Hamburg in Trümmern. Die Engländer sollen für Ordnung sorgen. Colonel Lewis Morgan (Jason Clarke) kann seine Frau Rachael (Keira Knightley, hier als perfekter Filmstar inszeniert in der großartigen Paarung von makelloser Schönheit und Charakter) aus England herholen. Sie werden zwangseinquartiert am Elbufer in der mondänen Villa des Architekten Stefan Lubert (Alexander Skarsgard), der hier mit Personal und Töchterchen Frieda (Flora Thiemann) lebt.

Die Morgans werden in den exklusiven Salons im Parterre (Mies-van-der Rohe Möbel, Steinway-Flügel) wohnen. Rachael ist überaus misstrauisch, beäugt die Feinde und gleichzeitig Quartiergeber skeptisch, hätte sie am liebsten aus dem Haus.

Aber schon die ersten Blicke zwischen ihr und Stefan lassen den Beginn einer neuen Liaison erahnen.

Das Melodram bleibt stets im Vordergrund. Die Figuren habe ihre Schicksale. Deutsche haben Menschen verloren (Stefan seine Frau), die Morgans haben bei einem Bombenangriff in London ihren Sohn verloren.

Vor allem ist die Ehe zwischen Rachael und Lews eine typische Anhängselehe: er hat immer dienstliche Verpflichtungen, er kann mit dem Tod des Sohnes nicht umgehen, er flieht, sie bleibt allein zurück.

Auch von Hamburg aus muss Lewis mehrere Tage weg wegen eines Anschlages im russischen Besatzungssektor.

Wie nebenher tauchen die bösen Geister der Nazizeit auf, es werden auch noch Menschen erschossen, es gibt Schwarzmarkt, die Wände mit den Zetteln auf der Suche nach Angehörigen und Bekannten, die Trümmer, gewalttätige Demonstrationen, immer wieder ist auf den Unterarmen von Burschen und Männern die eintätowierte 88 (zweimal der 8. Buchstaben des Alphabetes, das „H“) zu sehen.

Der Film erzählt so ganz en passant, wie schwierig der Weg aus dem Krieg und seinen Gräueln zurück zur Zivilisation ist.

Top-Inszenierung, -kamera und -schnitt ergeben ein makelloses Filmerlebnis ohne den kleinsten Anflug von der Bedröppeltheit vieler Aufarbeitungsfilme – weil der Film sich auf das Melodram auf diesem extrem schwierigen Terrain konzentriert – umso mehr sticht er hervor.

Und wenn es schon einen Steinway-Flügel gibt, so ist es folgerichtig, dass auch ein Musikstück seinen dramaturgischen Part übernimmt: Claire de Lune von Debussy. Aber man sieht: die Liebe ist eine ewige Prüfung.

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