Raus

Dramaturgischer Mäander.

Eine merkwürdige, dramaturgische Figur hat sich Philipp Hirsch, der mit Thomas Böltken das Drehbuch geschrieben hat, für seinen Erstlingsfilm ausgedacht.

Er fängt philosophie- und sozialrevolutionärstechnisch gesehen auf der Ebene eines Hans Weingartner an (303, Die Summe meiner einzelnen Teile). Er macht das in Form der Illustrierung eines Monologes seines ersten Protagonisten Glocke (Matti Schmidt-Schaller). Die Welt ist kacke, die Falschen sind am Drücker, aber die Welt gehört doch Dir, Du bist Deines Glückes Schmied, die Welt ist am Arsch.

Glocke war bislang ein Mensch passiver Erkenntnis, er war kein Handelnder, das möchte er ändern (er hat auch noch keinen Sex gehabt). Er fackelt einen 400′ 000 Euro teuren SUV ab (was sich für so viel Geld alles machen ließe – und wie es zusammengekommen ist!).

Sein Handeln wächst ihm über den Kopf, denn er wird erwischt dabei, legt sich mit der Polizei an, ein Video davon wird zum Internet-Hit, das bekommt er nicht mit. Er will nur noch weg, raus.

Es folgt der Teil des Filmes, in welchem Glocke nur noch einer von fünf Protagonisten ist. Er begibt sich mit Judit (Milena Tscharntke), Elias (Tom Gronau), Steffi (Matilda Merkel) und Paule (Enno Trebs), lauter junge, aufstrebende Schauspieler-Talente, die schon ein bis zwei Dutzend Credits bei IMDb aufzuweisen haben, alle mit roten Zipflemützen und Überlebenspaket ausgerüstet, auf den Weg zu einem gewissen Friedrich, den sie über das Internet kennengelernt haben.

Friedrich lebt abgeschieden in bergiger Natur in einer Hütte. Den Weg finden sie über geheimnisvolle Hinweise. Diese Sequenz des Filmes könnte der spannende Beginn eines kompetenten Horrorfilmes sein – der er dann so nicht wird.

Die Kids sind durchgehend, außer die Action verlangt anderes, makellos auf reine Jugendlichkeit geschminkt, auf attraktiv und erotisch. Hirsch filmt sie oft in inneren Monolog versunken, das macht Figuren interessant und erzählt mehr über sie, als wenn sie pausenlos quasseln müssen. Das treibt er so weit, dass das Thema Schweigeglübde aufkommt (man kann es interpretieren als die Stille vor dem Sturm – des Lebens).

Der Film ist bis jetzt konfliktfrei abgelaufen, etwas vorbereitend oder etwas illustrierend. Nach einigen Tagen der Wanderung entwickelt sich eine Auseinandersetzung, denn die Jugendlichen kommen einer Täuschung, auf die sie reingefallen sind, auf die Spur. Das verändert das bisherige Jungendfreizeit-Camping-Lagerfeuer-Seeidylle-Gefühl. Es kommt zu Kämpfen und Balgereien, zu einem Strafakt.

Hirsch bemüht dazu das christlich-religiöse Symbol des Heiligen Sebastian, der von Pfeilen durchbohrt an ein Kreuz gebunden ist. Hirsch verändert das Motiv allerdings, statt mit Pfeilen durchlöchert ist der Körper des wie ein Märtyrer Bestraften über und über mit Bienen bedeckt.

Parallel zu diesen Handlungen wird Jugendromantik im Freien nostalgisch zelebriert und der Regisseur bemüht einen Tick zu oft das Käfer/Insektenmotiv, das wirkt dick aufgetragen, so kraft- und machtlos ist die Jugend nicht.

Zum guten Ende bleibt die unausgesprochene Frage im Raum stehen, ob der Weg oder das Ziel das Ziel sei. Die Tonspur untermalt diskret die intendierten Atmosphären.

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