Die Poesie der Liebe – Mr & Mme Edelmann

Konversationsstück als Stenogramm einer Autorenbiographie und des Einflusses der Liebe darauf; wo lebt der Autor mehr, in der Literatur oder im Leben?

Auch hier im Film wird diese Verwicklung gespiegelt. Autor, Regisseur und Hauptdarsteller Nicolas Bedos hat mit seiner Protagonistin Doria Tiller auch das Drehbuch geschrieben.

Im Film spielen die beiden den Erfolgsautor Victor de Richemont genannt Adelman und Sarah Adelman.

Unter dem Pseudonym Adelman wird er erfolgreich. Er gibt sich eine jüdische Biographie, verschweigt seinen französischen Reichen-Hintergrund aus großbürgerlichem Milieu. Das Adelmanpseudonym nimmt er von seiner Frau und integriert da hinein gleich ein Stück ihrer Geschichte.

Wie sie überhaupt in sein Werk eingreift, indem sie schon nach der ersten Nacht, die sie mit ihm verbringt, anfängt seine Manuskripte durchzulesen, zu korrigieren und zu kritisieren. Wobei die Nacht bei seinem Alkoholkonsum und seiner Ermattung alles andere als eine Liebesnacht war. Aber Sarah hat sich vorgenommen, sich den Typen zu krallen.

Es sind die 70er Jahre, da war einiges möglich; sie muss zu augenfälligen Mitteln greifen, um den Literaten aus seiner literarischen Welt herauszulotsen.

Die Beziehung fängt in den 70ern an und erzählt in raschem Takt und unter 11 Kapiteln subsumiert (von „Strategie des Zufalls“ über „Justierungen“, „das Geheimnis des Erfolges“, „Das Geld“, „Ein Neuer Anfang“ bis zum Epilog) von der irren Fallhöhe der größten Lust bis zur Verödung, von Riesenerfolg, Misserfolg, Kinderglück und Kinderpech, Trennung und erneuter Annäherung.

Den Rahmen bildet die Trauerfeier für Adelman. Dass die Erzählattitüde nicht todernst ist, sondern eher salopp im Künstlerleben, im Kulturleben rumtobt, geben schon die Titel seiner drei in der Trauerfeier erwähnten Meisterwerke zu verstehen: „Die bedrückende Stadt“, „Der Bärendurst“, „Die Windmühlen der Stille“.

Tiller-Bedos packen rein, was rein geht in so eine Vita: den Psychiater, den Victor regelmäßig aufsucht, den zurückgebliebenen Sohn, das Inzestverhältnis vom Vater zur Tochter Melanie, die jüdischen Schwiegereltern, sein großbürgerlicher Background, den Ruhm, die sinnlose Geldrausschmeißerei, das Aufplustern des Haushaltes mit Personal und Hunden, das Auseinanderleben des Ehepaares, künstlerischer Misserfolg, Depression, Trennung, Professur, anhimmelnde Studentinnen, Wiederannäherung und schließlich Demenz bis zu einem merkwürdigen Tod von Victor in Etretat, wo die Falaises ganz hoch sind.

So ein Tod, gibt der Trauergemeinde Rätsel auf und Anlass zu Spekulationen. Aus dem Traueressen heraus nähert sich der Journalist Antoine Grillot (Antoine Gouy) der Witwe. Er sei dabei, ein Buch über den berühmten Schrifsteller zu schreiben. Davon gebe es doch schon genug, meint die Witwe, nutzt aber die Chance, sich von der falschen Trauergemeinde zu entfernen und in der Bibliothek ausführlich – quasi ehrlich und offen – ihre Sicht der und ihre Verwicklung in die Geschichte zu erzählen. Das sind die Rückblenden.

Vorher noch drückt sie ihre Zigarette auf dem sündteuren Schreibtisch aus, einem ganz besonderen Exemplar, das Viktor nie geschätzt habe. Einen deutlicheren Kontrast zum deutschen Verleihtitel „Poesie der Liebe“ könnte es kaum geben, denn dass er ironisch gemeint ist, das sieht man ihm nun wirklich nicht an. Der französische Originaltitel behauptet trocken, von Herrn und Frau Adelman zu erzählen.

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