Männerfreundschaften

Goethe küsst Schiller auf den Mund.

Laut Aussage einer Mitwirkenden hat Rosa von Praunheim, der mit Valentina Schütz auch das Drehbuch geschrieben hat, zu einem Workshop nach Weimar eingeladen. Thema sind laut Titel dieses Filmes, der primär fürs Fernsehen gemacht sein dürfte, Männerfreundschaften.

Das Thema wird eingeengt auf das 18. Jahrhundert, auf die große Weimarer Zeit. Von Praunheim untersucht diese Freudschaften unterm besonderen Aspekt der Homosexualität.

Das Problem dabei ist, dass es den Begriff, auch den der Heterosexualität, noch gar nicht gab. Erst spät im Film zitiert er Heine, wie der mit sexueller Diskriminierung gegen August von Plathen begonnen habe.

Der Film ist die Dokumentation dieses Workshops. Es sind beteiligt Schauspieler, Experten, Autoren, Literaturwissenschaftler, Museumskuratoren.

Die Schauspieler steckt der Regisseur in klassich-höfische Kostüme mit Perücken des 19. Jahrhunderts. Wie in einem lockeren Sommercamp dreht sich die Unterhaltung, schon bei der Begrüssung der Akteure, wenn sie in Zivil eintreffen, um das Thema, auch was sie davon halten.

Mit den kostümierten Darstellern treibt er sich im hochsömmerlich kulturtouristischen Weimar herum, mitten im Touristenmassel oder auch abseits in höfischen Parks und Räumlichkeiten. Immer sind klassische Texte dabei, Hinweisstellen auf Männerfreundschaften („Knaben liebt ich wohl“, Goethe).

Es war die Zeit schwärmerischer Männerfreundschaften. Die schrieben sich Briefe und wie sehr sie sich vor Sehnsucht nach dem anderen verzehrten. Wobei oft die zentrale Frage von Praunheims unbeantwortet bleiben muss, haben sie es auch getrieben miteinander, denn niemand war dabei, der die Laterne gehalten hat.

Belegstellen in den Texten der Dichter gibt es reichlich und auch genügend Bücher zu dem Thema. Im Zentrum steht „Warm Brothers“ von Robert Tobin. Den größten Raum nehmen Goethe und Schiller ein.

Mitten im Film gibt es einen kurzen Exkurs zum Thema lesbische Liebe (Adele Schopenhauer und Sibylle Mertens).

Der Hof von Weimar mit seinen kunstsinnigen Fürstinnen und Fürsten (auch die sind nicht frei von der Vermutung der Sehnsucht nach Männerfreundschaft). Die Freiheit der Menschen vom Hofe, auch die Freiheit zu reisen. Italien war das Sehnsuchtsparadies, das Land sexueller Freiheiten, wo die Adeligen tun und lassen konnten, was sie wollten, was zuhause wohl so nicht möglich gewesen wäre.

Es werden weitere bekannte Persönlichkeiten unter die Lupe genommen zum Thema, Kleist, der exzentrische Herzog August-Emil-Leopold, Carl August, Wilhelm Ludwig Gleim in Halberstadt, August von Platen, von den Humboldt-Brüdern vor allem Alexander, der sehr viel in der weiten Welt unterwegs war – immer mit seinem Sekretär zusammen, den er auch als Erbe eingesetzt hat (er sei lieber auf einen Vulkan als auf eine Frau gestiegen). Wobei der Unterschied zwischen schwärmerischer Liebe und vollzogenem schwulen Akt sicher noch viel Stoff hergäbe. Und da es historisch nicht bewiesen ist, lässt Rosa von Praunheim den Goethe den Schiller auf den Mund küssen.

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