Cold War – Der Breitengrad der Liebe

Kulturpessimismus?

Großes polnisches Erzählkino in Schwarz-Weiß und im Quadratformat von Pawel Pawlikowski (Ida und Welcome to Karastan – hier Drehbuchmitarbeit).

In meisterlich osteuropäischer Kinematographie und in idealer Erzählökonomie vergleicht Pawlikowski die kulturelle Situation zwischen Ost und West in der Zeit des Kalten Krieges bis in die frühen 60er.

Er fängt im Polen von 1949 an. Tonjäger sind in einem aus heutiger Sicht romantisch-nostalgischen VW-Bus im Land unterwegs auf der Suche nach Volksliedern, nach traditionellen Melodien. Den ersten Auftritt erhält ein hagerer, alt aussehender Dudelsackpfeifer.

Die Tonjäger, ein Mann und eine Frau, sind mit einem voluminösen Tonbandgerät und mit Mikros ausgestattet. Sie nehmen die Melodien und später die Lieder auf.

Es zeigt sich bald, dass sie in politischem Auftrag unterwegs sind. Denn der im Osten herrschende Stalinismus möchte das Kulturgut bewahren und eine Ausbildungsstätte für die Besten der Besten gründen.

Eine der Lehrkräfte wird sich bald zu einer der Hauptfiguren entwickeln, es ist Viktor (Tomasz Kot), Dirigent, Pianist, Klavierlehrer.

Beim Vorsingen für den ersten Studentenjahrgang tritt Zula (Joanna Kulig) in Erscheinung. Ihr skeptisch-abweisender Charakter liegt, das lassen später einige biographische Angaben vermuten, in ihrer Geschichte begründet.

Die Begegnung zwischen ihr und Viktor ist der Anfang einer großen Liebesgeschichte. Diese wiederum ist der Leitfaden für den Kulturvergleich zwischen dem kommunistischen Polen und dem liberalen, demokratischen Westen, den Pawlikowski präzise aus unvoreingenommener Distanz messerscharf zeichnet, der Benimm in den kulturellen Kreisen, der Hype um Kunst und Jazz und die Wichtigkeiten dabei.

Aber der Vergleich fällt nicht eindeutig aus. Viktor setzt sich ab in den Westen und reüssiert in Paris. Die Liebe ist aus den Augen. Ein Tourneeauftritt der polnischen Gruppe mit Zula führt zu einer erneuten Begegnung. Inzwischen haben beide neue Partner. Das ist egal, wenn es sich um eine große Liebe handelt.

Wie groß diese gewesen sein muss, zeigt der vielleicht etwas zu pathetisch gewordene Schluss in diesem ansonsten makellosen Film; der selbst wiederum die Frage aufwirft, ob Pawlowski, wenn er künstlerisch im Westen sozialisiert worden wäre, bei gleichem Talent, wirklich die gleichen Filme machen würde, oder was er hier für Filme machen würde, oder ob er hier gar nicht erst Filme machen würde, weil diese Art von Meistertalenten speziell bei uns im Filmsubventionsland gar nicht erste gedeihen können.

Die Kultur auf dem Breitengrad ist je nach Ost oder West krass verschieden ausgeprägt, die Liebe über die Breite hinweg ist nur eine.

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