Styx

Mit einer Crash-Rettung

wird die Protagonistin Rike (Susanne Wolff) vorgestellt. Sie ist Notfallärztin in Gibraltar.

Wolfgang Fischer, der mit Ika Künzel auch das Drehbuch geschrieben hat, inzeniert und filmt in hervorragender Zusammenarbeit mit dem exzellenten Kameramann Benedict Neuenfels einen ziemlich verrückten Unfall.

Bald schon ist die Kamera in übersichtlicher Position hoch über der Kreuzung, in der nach einem verwegenen Beinahzusammenstoß ein weiterer Wagen so von der Spur abkommt, dass er in ein geparktes Auto an der Kreuzung fährt und stehenbleibt.

Es kommt einem vor wie eine Ewigkeit bis die Armada von Polizei-, Feuerwehr- und Sanitätswagen ankommt, sich arrangiert, Beleuchtung installiert und bis endlich die erste Person sich um den Unfallwagen kümmert und feststellt, dass der Fahrer regungslos mit dem Kopf über dem Steuerrad hängt und bis die Ärztin den Befehl der „Crash-Rettung“ erteilt.

Jetzt ist die Kamera ganz nah dran. In der Manier einer Dokumentation schildert sie präzise und nachvollziehbar wichtige Schritte im Ablauf dieser Crash-Rettung, wie der Patient stabilisiert wird, wie er auf eine Trage gehoben und in den Notarztwagen geschoben wird.

Somit hat der Film sein größeres Thema anhand eines konkreten Beispieles vorgeführt, die Organisation von Rettung und Überleben in existentiell bedrohlicher Lage.

Vorausgegangen sind erinnerungswürdige Stimmungsbilder von Gibraltar mit den Affen als Leitmotiv. Ganz in der Ferne taucht ein Zipfelchen Afrika auf. Nicht eines Gedankens wert.

Rike hat ein Segelboot mit einer kleinen Kajüte und einem Hilfsmotor. Sie will allein einen Abenteuertörn nach Ascension mitten im atlantischen Ozean zwischen Afrika und Lateinamerika unternehmen.

Ihre Reisevorbereitungen und die Fahrt schildert der Film weiter in dokumentarisch-protokollhafter Art, konkret und glaubwürdig. Sie nimmt genügend Proviant mit.

Wie sie allein auf dem Meer ist, kommt einem ein anderer großartiger „ Das Meer und ein Mensch“-Film in den Sinn: All is Lost mit Robert Redford. Dieser Film wurde ausschließlich im Studio gedreht. Dort kämpft Redford einen vergeblichen Kampf gegen ein havariertes Boot von ähnlicher Größe wie das von Rike.

Bei Wolfgang Fischer verhält es sich anders. Da kommt mitten auf dem Meer die Flüchtlingsgeschichte dazu. Das verändert die Geschichte, lässt diese fikitonal, hypothetisch werden.

Ein Sturm treibt Rike in die Nähe eines lecken, mit Flüchtlingen überladenen Fischerbootes. Sie verhält sich vermeintlich professionell. Einen Flüchtling kann sie retten; aber ihr Boot löst auf dem sinkenden Schiff eine Panik aus, viele springen ins Wasser und ihre „Asia Gray“ ist definitiv zu klein, um auch nur eine annähernd sinnvolle Zahl Menschen zu retten.

Schon mit Kingsley (Gedion Odour Wekesa) hat sie es schwer genug, diesen leblosen Körper des 14-Jährigen überhaupt an Bord zu hieven und dann eine Erstversorgung zu bewerkstelligen. Die goldene Folie, mit der sie ihn bedeckt ist die Signalfarbe aus Markus Imhoofs Eldorado.

Jetzt ist Crash-Rettung angesagt. Die funktioniert aber auf dem offenen Meer jenseits aller Nationalgrenzen überhaupt nicht. Für eine Geschichte ist die Ausgangslage auch zu hoffnungslos, das kleine Segelschiff, das vielleicht maximal eine Handvoll Menschen aufnehmen könnte und dort das Schiff mit den Dutzenden von Menschen.

Die Konflikte, die sich daraus mit Kinglsey ergeben, der schnell wieder zu Kräften kommt, wirken vor diesem Hintergrund zwar plausibel aber ebenfalls hypothetisch.

Von einem Frachter in der Nähe, den Rike per Funk zur Rettung schicken möchte, bekommt sie die Antwort vom Kapitän, er dürfe das laut seinem Vorgesetzten nicht machen und er möchte seinen Job nicht verlieren.

So schön das alles erzählt ist, so konfrontiert es den Zuschauer doch mit einer Situation der Ohnmacht oder der Erkenntnis, dass das Crash-Rettungswesen auf den Weltmeeren noch ausbaufähig ist oder dass das Seenot-Recht anzupassen sei. Ein Beispiel für eine wunderschön erzählte Geschichte, die sich jedoch als Stoff für das Geschichtenerzählen als nicht optimal erweist. Irgendwie fehlt ihr die Hefe zum Aufgehen beim Backen.

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