Glücklich wie Lazaro

Nach dem Brückeneinsturz.

Ein Symbol in diesem Film von Alice Rohrwacher ist eine eingestürzte Brücke über einem Fluss. Etwas romantisch zwar und malerisch. Aber es stehen nur noch die Pfeiler. Automatisch denkt man an die Katastrophe von Genua.

Und, da ist Frau Rohrwacher ahnungsvoll: in Genua gibt es Gerüchte über eine reiche Familie, die aus Geldgier an den Reparaturen gespart hat. Hier geht es um die De Lunas, einen korrupten Haufen mit der Marchesa (Nicoletta Braschi), genannt die Giftschlange, an der Spitze.

Sie wohnen in einer unlogischen, malerischen Niemandslandschaft in einem Ort namens Inviolata irgendwo in einem Gebirge und halten 54 Menschen wie Leibeigene, die ein enges, quirliges Familienleben führen. Es sind nach Strich und Faden ausgebeutete „Halbpächter“, ein Status, den es gar nicht mehr geben darf.
Die De Lunas haben ihr Geld mit Tabak gemacht.

Die Hauptfigur Lazzaro ist ein stiller, in sich gekehrter junger Mann, ein Mädchen für alles, Lazzaro hier, heißt es, Lazzaro da.

Eines Tages taucht der Sohn der Marchesa auf, Tancredi. Eine merkwürdige Anziehung verbindet die beiden Jungs.

Lazzaro stürzt von einem Berg. Er muss tot sein. Aber ein Wolf küsst ihn ins Leben zurück. Von dem Moment an geistert er weiter durch den Film, unverändert, obwohl Jahre vergangen sind – er bleibt jung.

Die De Lunas sind ins Gefängnis gesteckt worden, ihre massive Wohnburg wurde geplündert. Der Film folgt den Plünderern, zu denen der Lazzaro-Geist stößt, in die Stadt, wo sie ihre gestohlene Ware zu Geld machen wollen unterm Etikett des Altwarenhandels (roba vecchia); dort ist die inzwischen alt gewordenen Antonia (Alba Rohrwacher).

Rohrwacher frönt – als Regisseurin – ihrem Faible für filmschöne Armut auf verlorenen Plätzen, unlogischen Orten geschmückt mit der Poesie des Zerfalls, Symbolen der Ungerechtigkeit und mit Müll, der dann doch entfernt wird.

Lazzaro trifft den alt gewordenen Tancredi (Tommaso Ragno) wieder, erlebt mit einer Einladung eine herbe Enttäuschung bei den runtergekommenen de Lunas. Die Banken seien schuld. So will Lazzaro das direkt mit den Banken klären. Was sich als unendlich naiv erweist.

Rohrwacher bezieht sich laut Abspann in ihrem Drehbuch auf eine Erzählung über Franziskus und den Wolf, der denn symbolisch immer wieder zu Ehren kommt mit Bild oder Wolfsgeheul.

Wie schon in Land der Wunder kennt ihre unerschöpfliche Fabulierlust in solchen Fantasie-Locations einer Landwirtschaft, die mehr dem Film denn der Produkterzeugung dient, keine Grenzen zur Bebilderung der Krassheit des Gegensatzes zwischen Arm und Reich, einem hochaktuellen Thema, das sowohl der jetzige Papst aufgreift als auch zum Symbol der Kaputtheit im Brückeneinsturz von Genua findet.

Und die Musik, was ist mit der Musik, wohin entschwebt die Orgelmusik?

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