Das vorderste Interesse von Aneesh Chaganty, der mit Sev Ohanian auch das Drehbuch geschrieben hat, scheint gewesen zu sein, ein realistisches Abbild (im Sinne, dass Kunst ein Abbild des Lebens, der Realität zu sein habe) unserer inzwischen von virtueller Kommunikation durchdrungenen Realität zu geben.
Dieser Vesuch ist sicher auch erstklassig gelungen, so gut, dass der Zuschauer sich in die Enge vor dem häuslichen Computer versetzt fühlt, so gut, dass einem schier schwindlig wird vor lauter offenen Fenstern, Eingabemasken, Chattexten, Youtube-Filmen, Livestream von fixen Raumkameras, Maileingangsverzeichnissen und dazu noch News aus den Fernsehnachrichten.
In der Absicht, diesen schnell zumindest meine Augen strapazierenden Text- und Bildmix erträglich zu machen, hat Chaganty als Story einen Kriminalfall erfunden. Der soll aber nicht gleich als solcher erkenntlich sein. Das Prinzip des Vergeheimnissens durch unendlich viele offen geahltenen Bildschirmfenster, Eingabemasken.
In elegant-kinoaffinem Schnelldurchlauf wird als Ouvertüre die Geschichte der Familie Kim erzählt. Die Heirat von David (John Cho) mit Pam (Sarah Sohn), die Geburt von Margot (Michelle La); die Familienchronik ihres Aufwachsens durchgeblättert bis sie zur EverCreek High School.
Die Mutter ist inzwischen krank geworden (Lymphom) und gestorben. Das Tempo hierbei gewinnt der Film aus einem interessanten Mix aus bedächtigem Bedienen von Computertastaturen, Klick und nur kurzem Aufenthalt bei der dadurch gewonnen Bildinformation.
Auch der Vorgang des Gewahrwerdens der Abgängikeit seiner Tochter durch David ist eine langsame Bewusstwerdung. Hier fängt seine Recherche an, bis klar ist, dass etwas nicht stimmt und die Polizei eingeschaltet wird.
Detective Rosemary Vick (Debra Messing) kümmert sich. Von Anfang an ist klar, dass etwas Besonderes ist an ihr, die Vermutung liegt in der Luft, dass aus ihr und David ein Paar werden könnte – dass etwas wird ist offensichtlich, wird aber gleichzeitig diffus gehalten.
Fehlspuren zu legen gehört zum Handwerk von Krimiautoren. Ob aber diese Art des erzählerischen Verschleierns so geschickt ist, sei dahingestellt.
Ab dem Polizeieinsatz schwenkt die Erzählweise des Filmes allerdings verstärkt zu derjenigen des Sensationsjournalismus wie wir ihn gerne dem Privatfernsehen zuschreiben und wie er auf Bedröppelung schielt.
Später wird sich herausstellen, dass die Story ziemlich als am Schreibtisch erfunden wirkt und dass sie nicht über den Stellenwert von Kriminalnachrichten in den Zeitungen hinausgeht.
Familie Kim wird nicht als Empathieträger eingeführt, mehr informativ, da das Hauptinteresse des Filmemachers an der Form liegt. Die größere Krux allerdings scheint mir im Ansinnen zu liegen, die reale virtuelle Welt im Kino zu reproduzieren; das arbeitet doch de se gegen das Kino; da das Kino selbst eine virtuelle Welt mit eigenen Gesetzen ist, die just nicht der realen virtuellen Welt entsprechen.
Der Film will das Bild eines Menschen zeichnen, der sich in den Weiten der Internetkommunikation und von Fakeidentitäten verirrt, und will damit einen Hinweis auf die Gefahren des Internets geben.