Nico 1988

Ikone ganz unikonisch.

Sie war „erstes deutsches Supermodel, einstige Muse von Andy Warhol und Sängerin der Gruppe ‚Velvet Underground‘“ (aus dem Presseheft): Nico, bürgerlich Christa Pfäffgen.

Der Film ist eine faktenbasierte Fantasie oder sich sensibel hineinfühlende Impression im Sinne einer Hommage an Nico der italienischen Regisseurin Susanna Nicchiarelli.

Nico wird von der dänischen Schauspielerin und Sängerin Trine Dyrholm verkörpert.

Die Story deckt die letzten zwei Jahre im Leben von Nico ab. Sie fängt in Manchester an, wo sie 1986 eine Wohnung sucht. Von hier aus geht sie auf Tournee bis nach Tschechien und Deutschland. Die Geschichte endet kurz vor ihrem Tod, wie sie auf Ibiza ihr Haus verlässt, symbolisch öffnet sich das Tor, sie will schnell mit dem Fahrrad wohin fahren. Sie verschwindet aus dem offenen Tor, das Tor bleibt – hoffnungsvoll ist die Normalinterpretation – offen. Das wars mit ihrem Leben. Denn Minuten später wird sie einen Fahrradunfall haben, an dessen Folgen sie stirbt.

Der Film ist keine Tournee-Chronologie. Diese gibt eher den Faden ab für Flashbacks, für kurz eingespielte Super-8-Aufnahmen von Andy Warhol, von ganz wenig, wie Erinnerungsfetzen verhuschtem Archivmaterial aus der Supermodel-Zeit, aus der Ikonenzeit.

Jetzt ist die Ikone ganz unikonisch, ist eine überzeugende Persönlichkeit, drogenabhängig, mühsam setzt sie sich einen Schuss in halbzerstörte Venen überm Fußknöchel, sie braucht den Stoff.

Ihr Tourmanager Richard (John Gordon Sinclair) ist wie ein Bodyguard immer in ihrer Nähe. Es gibt Proben und Konzertauftritte, nachinszenierte Interviews und Dyrnholm singt Lieder von Nico in ganz eigener, überzeugender Prägung – großartig.

Als dramaturgisches und performatives Spannungselement kommt eine gewisse Verlangsamung in ihrem Spiel, Sprechen und Schauen, die ihr Drogenkonsum mit sich bringt, hinzu. Das erzeugt gleichzeitig eine fesselnde Präsenz.

Sympathisch ist ihre Manie der Ton-Sammelwut. Oft trägt sie in einer schwarzen Ledertasche ein Tonaufnahmegerät (wir sind anno 1986) mit sich und hat ein Mikro dabei. Sie sucht Töne in den absurdesten Situationen. Einmal gibt sie auch Auskunft darüber: dass sie die Geräusche des Bombardements von Berlin wieder suche, was praktisch auch das Ende des Krieges bedeute.

Das ist die Anfangsszene wie sie als kleines Mädchen an der Hand ihrer Mutter die Silhouette des brennenden Berlins vor sich sieht und fragt, was das bedeutet. Für ihr Tonband riskiert sie viel, selbst die Verhaftung in Prag nach einem Konzert, das sie fluchtartig verlassen muss.

Vielleicht ist das Nicht-Spektakuläre die Stärke dieses Filmes, die teils unappettitlichen Umkleideräume für sie und das Orchester, die Privatunterkunft statt eines Top-Hotels, alles überhaupt nicht starlike.

Sie möchte ihre Musik machen und sie den Menschen vermitteln, die sich dafür interessieren. So erinnert sie momentweise von der Haltung her an Anne Clark und dann ist da noch die Geschichte mit ihrem Sohn, der von Alain Delon stamme, wie gemunkelt wird.

In Nürnberg singt sie bei einer Besichtigung der Hitler-Rednerkanzel das Lied vom Nibelungen-Land und nach einem Selbstmordversuch ihres Sohnes, den sie aus dem Entzug auf Tournee mitgenommen hat, singt sie My only child.

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