Die Farbe des Horizontes

Was die Liebe alles vermag.

Intensives isländisches Gefühlskino von Baltasar Kormákur (Everest, Contraband) nach dem Drehbuch von Aaron und Jordan Kandell, David Branson Smith nach dem autobiographischen Roman der Amerikanerin Tami Ashcraft, die die Geschichte erlebt hat: über 40 Tage auf einem Segelschiff allein auf dem Pazifik nach einem Schiffbruch.

Tami wird eindrücklich gespielt von Shallene Woodley, ihr Freund Richard von Sam Claflin, ein junger fescher Brite, strahlende Augen, schwarzer Bart, breites Lachen mit blendend weißen Zähnen, abenteuerliebend und entwaffnend zugleich. Er ist mit einer selbstgebauten Jolle schon lange auf den Weltmeeren unterwegs.

Auf Tahiti begegnen sich die beiden. Auch Tami ist abenteuerlustig unterwegs, nur nicht zurück in die Heimat, sich durchschlagen mit Jobs.

Bei der ersten Begegnung springt der Funke gleich über. Vielleicht, gerade aus dem Grund, weil keiner der beiden sich auf irgend eine bestimmte Liebe mit genauen Vorstellungen fixiert hat, weil sie offen sind. Weil sie nicht besonders leiden unter ihrem Zustand.

Was beide verbindet, das stellt sich im Laufe des Filmes heraus, das sind schwierige Verhältnisse zuhause. Das dürfte die Liebessehnsucht verstärken, die Bereitschaft, sich radikal auf eine Liebe einzulassen, ohne großes Federlesens. Tami ist bereit, sich treiben zu lassen, sie ist bereit, mit Richard mitzufahren.

Ein Angebot eines älteren Ehepaares, das Richard kennt, gibt der Geschichte eine andere Richtung, er soll deren Boot Mayaluga nach San Diego überführen. Eigentlich will Tami da noch nicht zurück, aber ein Erstklasse-Rückflugticket lässt sie umstimmen; dass sie mit darf, ist die Bedingung, unter der Richard den Auftrag annimmt.

Ein Sturm führt zum Schiffbruch; Richard wird über Bord gespült. Er hat Tami vorher in einem Gespräch gesagt, dass längeres Alleinsegeln zu Halluzinationen führen kann. Das wird ein wichtiges Element im Bewältigen der 40 Tage, so lange, wie Jesus in der Wüste war, aber hier geht es nicht um Religion, hier geht es einzig um die Kraft der Liebe, das bestärkt auch immer wieder der Musikscore von Miles Davis bis Tom Waits.

Das Boot als ewiges Liebessymbol (in sein Gegenteil verkehrt in Am Strand – Chesil Beach)

Der Flm erzählt, dass eine Liebe, die Menschen gehabt haben, ihnen keiner mehr wegnehmen kann, dass sie sie für lange noch tragen kann. Er singt das Loblied der Liebe eines Überlebensbootes, einer Liebe – obwohl es einen Heiratsantrag gibt – die sich nicht an Maßstäben von Hochzeit und Ehe bemisst, sondern als einer extraordinären Begegnung zweier Menschen, die zum Vornherein gewisse Verbindungen haben, was sich wohl im allerersten Blick bereits abcheckt und verifiziert.

Ein Film, der die umfassende Gefühlswelt von Liebe umrundet; immer trägt sie den Menschen und verbindet sie. Und klar gehört dazu nicht nur Katastrophe, sondern auch Sonnentunergang, Shoppen, Essen, Kochen, Lachen, Segeln. Die zerstückelte Erzählweise mit überraschenden Rück- oder Vorblenden unterstützt den Eindruck, dass es vor allem um den Versuch geht, umfassend über die Gefühle von Liebe und ihren Sinn zu berichten.

Der Film kann mit dieser seiner eigenen Gewichtung und seinem Augenmerk allein auf der Kraft der Liebe spielend mithalten mit anderen Allein-auf-dem-Meer-Filmen wie All is Lost von Robert Redford (der großartig eine Alte-Mann-und-das-Meer–Tragödie spielt), Life of Tie – Schiffbruch mit Tiger von Ang Lee (der sich vor allem auf 3D fokussiert) oder die deutsche Produktion Styx (die den Aspekt der Flüchtlingsboote ins Zentrum setzt – demnächst im Kino).

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