Candelaria – Ein kubanischer Sommer

Für diesen Film von Jhonny Hendrix, der mit Maria Camila Arias, Abel Arcos Soto und Carlos Quintela auch das Drehbuch geschrieben hat, lassen sich eine ganze Reihe charakterisierender Titel finden.

Silencio
ist eines von vier Kücken, die Candelaria (Verónica Lynn) und Victor Hugo (Alden Knigth) in ihrer Wohnung in Havanna halten. Sie wollen sie aufziehen, um ihre bescheidene Speisekarte aufzubessern. Das ist selbstverständlich verboten.

Der Film spielt zur Zeit der Herrschaft der CDR (das Komitee der Revolution), aber diese ist in diesem poetischen Film nun wirklich eine Nebensache, die wenig zur Sprache kommt. Silencio ist kein langes Leben beschert. Es verunglückt unter den Füßen des unachtsamen Victor Hugo; die Traurigkeit dieser kleinen Geschichte liegt in ihrer poetischen Symbolik.

Candelaria und Victor Hugo,
so nennen sich die beiden Protagonisten. Sie sind ein hochbetagtes Paar, leben in einer Wohnung, in die es hineinregnet und die diesen abblätternden Charme ausstrahlt, der einen aus jedem Kubafilm anspringt. Sie arbeitet anfangs noch in einer Wäscherei, er liest in eine Zigarrenfabrik den Zigarrendrehern Nachrichten und Sportergebnisse vor. Beide singen in einem Chor.

Una buena pelicula porno
nennt el Carpintero (Philipp Hochmair) das, was er auf der Videokamera, die Victor geklaut worden ist, entdeckt hat. Denn Candelaria und Victor haben sich selbst beim Liebesspiel aufgenommen, ganz ungeniert.

Die Kamera ist Candelaria bei der Arbeit zugefallen. Sie hat sie in einer Tasche gefunden, die ihr aus dem Wäscheschacht vor die Nase geplumpst ist. El Carpintero betreibt einen Handel mit Hehlerware, alles, was in Havanna gestohlen wird, landet, wenn es wertvoll ist, betont er, bei ihm.

Wie Victor die vermisste Kamera bei ihm sucht, bekommt er von Carpintero das Kompliment, dass es sich um einen guten Pornofilm handelt. Das Filmchen verkauftsich blendend, der Handlungsstrang verlangt nach mehr solcher Filmchen und stellt das alte Paar vor die Frage: Geld oder Anstand, die es mit Twists und Charme löst.

Blüten der Blockade
könnte der Film, das wäre ein fast zynischer Ansatz, auch genannt werden; er schildert diese armselig-zufriedenen Menschen auf Kuba, die durch die Blockade gebeutelt werden, ohne einen Aufstand dagegen anzuzetteln; eher geht ein Kleid, ein Fahrrad, eine Zigarrenkiste einen Weg, den es laut CDR nicht nehmen darf. Verbote sind da, um umgangen zu werden. Gerade die filmische Exploitation dieser idealistisch-sozialistischen Armut ist von beachtlichem Seh- und Gefühlsswert.

Ein kleine Begebenheit.
Ganz unprätentiös erzählt Hendrix und wie beiläufig die kleine Begebenheit, wie das hochbetagte Paar zu der Kamera kommt und wie es anfängt, sich beim Liebesspiel zu filmen und wie dies ihrem Leben und ihrer Liebe einen neuen Impuls verleiht. Eine verschmitzt berichtete Geschichte als ein Fundstück, das der Filmemacher wie zufälligerweise gefunden hat, so wie dem Paar die Kamera zugefallen ist, über das er staunt und womit er ganz nebenbei quasi-dokumentarisch ein Stück kubanischen Lebens und Alltags auf die Leinwand und uns nahe bringt.

Weggeweht wie ein altes Taschentuch im Wind,
ist eine Zeile aus einem der wunderschönen Lieder, die von Liebe und Martyrium erzählen, um die der einfache und gleichzeitig dichte Film von Jhonny Hendrix sich dreht und der so persönlich wird, weil seine Maxime die ist, nur Filme zu drehen, so sein Statement im Presseheft, zu denen er einen persönlichen Zugang hat. Er ist zwar aus Kolumbien, aber wie seine Frau schwanger war, überlegten sie, nach Kuba zu ziehen; ihr Kind wollten sie „Candelaria“ nennen. Später hat er in Kuba tatsächlich eine „Candelaria“ kennengelernt, die ihm die Grundelemente der Geschichte erzählt hat.

Erwin Piscator
war ein berühmter deutscher Theatermann. Sein Name taucht im Presseheft auf, denn die Darstellerin Verónica Lynn, die sei ein Schützling von Piscator gewesen, der „ihr den Weg in die kubanische Theater- und Kinoszene ebnete“. Das ist doch eine unerwartete Verbindung und es wäre interessant, mehr darüber zu erfahren.

Auf einer spanischen Website relativiert sich diese Überraschung etwas: „En 1956 comenzó a recibir clases de Andrés Castro que había sido alumno de Erwin Piscator, director alemán, discípulo de Constantin Stanislavski – el hombre que había sintetizado el conocimiento de los actores – aunque ya la actriz se había iniciado en sus estudios de la técnica.

(Lynn „fing 1956 an, Schauspielerunterricht bei Andrés Castro zu nehmen, der ein Schüler von Erwin Piscator gewesen ist, einem deutschen Regisseur, der (wiederum) ein Schüler von Constantin Stanislavski war – der Mann, der die Wahrnehmungen/Einsichten der Schauspieler systematisiert hatte – obwohl die Schauspielerin bereits begonnen hatte, sich in seine Theorie und Technik einzuarbeiten“ – so laut meinem kruden Spanisch).

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