Auf der Suche nach Oum Kultuhm

Aparte Annäherung an eine große Sängerin.

Die ägyptische Sängerin Oum Kulthum hat auch über 40 Jahre nach ihrem Tod ihre Strahlkraft im arabischen Raum und drüber hinaus nicht verloren. Zu einmalig waren ihre Stimme und ihr Gesang.

Shirin Neshat probiert jetzt (in Zusammenarbeit mit Shoja Azari) eine ganz besondere Annäherung an diese Übergröße von Künstlerin und Frau, an dieses Monument, ohne an der Monumentalität zu kratzen noch sich davon erschlagen zu lassen.

Sie erfindet die Geschichte der Regisseurin Mitra (Neda Rahmanian), die einen Film über Oum Kulthum drehen will. Ihre behutsame Annäherung an die Künstlerin zeigt sie im Film anfangs mit Szenen, die an eine Kunstinstallation erinnern. In einem herrschaftlich ägyptischen Haus sehen wir die Regisseurin durch die Räume gehen; sie sucht die Vorstellung von Oum Kulthum als erfolgreicher Künstlerin wie auch als Kind. Die Figuren begegnen ihr leibhaftig oder mit modernistischen Mitteln würde man sie als Hologramme einspielen. Auf solchen Firlefanz verzichtet Shirin Neshat. Sie arbeitet konzentriert mit der Imagination, der sie aber physisches Futter unterlegt, wenn die Figuren auch rein statuarisch wie in einem Wachsfigurenkabinett gezeigt werden.

Mitra sucht die Darstellerin. Sie entscheidet sich (in der erwachsenen Variante) für Ghada (Yasmin Raeis), eine Lehrerin mit guter Stimme, die aber zweifelt, ob sie darstellerisch der Herausforderung gewachsen ist.

Vor dem Dreh schaut sich das Team Archivmaterial aus der ägyptischen Geschichte an, dokumentarische Filme mit Nasser und Oum Kultuhm.

Wie nach fallengelassenen Brotkrumen, mit denen Hänsel und Gretel ihren Weg rückverfolgbar machen wollten, führt Neshat auch das Thema, ihr ureigenes Thema ein, das des Frauseins sowohl als Künstlerin (und hier lässt sie die Regisseurin im Film ein Konkurrenzgefühl zur Sängerin aufkommen, die in ihrer Großartigkeit immer ganz oben war) als auch als Mutter. Denn während des Drehs verschwindet ihr Sohn. Das stürzt die Regisseurin im Film in eine Krise.

Da der Film gut geplant ist, schreiten die Drehbarbeiten, die mit ruhiger, statuarischer Kamera in der feinen, ägyptischen Gesellschaft und in Konzertsälen spielen, ungebremst fort. Ihr Assistent Amir (Mehdi Moinzadeh) übernimmt die Leitung. Die Figur Ahmad/Latif /Kais Nashif), die für das soziale Gewissen steht, ist längst ins Team integriert.

Am letzten Drehtag erscheint Mitra wieder am Set. Sie will den Schluss ändern. Und obwohl das eine ganz unprofessionelle Sache ist, aus persönlichen Gründen und Krisen so ein Projekt, das mit Geldgebern und den Künstler abgesprochen ist, eigenwillig umzupolen, macht sie es.

Interessanterweise ergibt das in diesem Film ein zusätzliches Moment von einer Vibration zum Thema Frau und Künstler und lässt sie überhaupt nicht, also auch Shirin Neshat nicht, in einem dilettantischen Licht erscheinen. Es scheint, als sei das genau das Salzkorn, das eine Biographie über eine so überragende Künstlerin braucht.

Die Kronjuwelen des Films sind die Lieder von Oum Kulthum, die passend in die Geschichte vom Biopic eingebaut sind. Eine Stimme mit glasklarer Artikulation und Intonation aus einer kaum erreichten Tiefe.

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