Apostel des Schönen.
Wim Wenders, der mit David Rosier auch das Drehbuch geschrieben hat, ist, insofern er zweifellos ein Künstler ist, in den Worten des Papstes ein „Apostel des Schönen“.
Dieses Kompliment verdient er sich zweifelsfrei mit diesem Image- oder Messagefilm für den sich dem Kampf gegen die Armut verschrieben habenden Papst aus Argentinien.
Großartig und reine Romantik und Verklärung sind die Schwarz-Weiß eingeschobenen Reenactments aus dem Leben des Franz von Assisi, dem Namensgeber und Vorbild für den Papst.
Wenders bietet ihm eine feine Plattform für die Verbreitung seiner Botschaft. Er begleitet ihn auf jeder Menge Reisen in die ganze Welt hinaus, beim Fahren durch die Massen, nie beim Zelebrieren einer Messe immer nur mit ganz unverdächtigen Ansprachen, die jeder Mensch, der guten Willens ist, bejahen und befürworten kann, ja muss.
Franziskus, ein geschulter Jesuit, ist clever genug, die religiöse Botschaft so zu verkaufen, dass sie von jedem Kirchenverdacht frei ist. So zitiert er lieber Dostojewski und Thomas Morus oder eine populäre Variante des Kantschen Imperativs. Er verzichtet auf Kirchenväter, Kodizes, Kirchenbüchenbücher, Liturgisches, Exhortationen, Sünde und Beichte, auf kirchliche Vorschriften aller Arten und auch auf die Bibel, auf Rosenkranz, Zölibat und Marienverehrung, auf Liturgie und Sakrament.
Franziskus definiert den Menschen als frei im dem Sinne, dass er frei sei, zu lieben oder nicht zu lieben oder zu hassen. Wo aber die Kirche Zugriff auf den Menschen nehmen will, darüber kein Wort (zB das verschnarchte, männlich-zölibatäre Priesterbild). Oder ist die Kirche gar nicht mehr nötig, da sie eh auf allen Prunk verzichten soll?
Nein, der Papst will die Kirche nicht abschaffen, er will sie nur erneuern, das heißt, er will auf die kirchlichen Schafe und wie die Theologie sie sich gefügig macht, nicht verzichten. Kirchenerneuerung: so wie er den bedröppelten Kardinälen eine Gardinenpredigt gegen den kirchlichen Prunkt hält.
Die Botschaft von Franziskus ist großartig: Brücken zu bauen statt Mauern, den desaströsen Nebeneffekten des Turbokapitalismus den Kampf ansagen, die Naturzerstörung stoppen, da seien wir alle mitverantwortlich, innerkirchlich Pädophilie hart zu bestrafen, Missbrauch ebenso, Pomp nicht minder, gegen die Geldgier zu sein, gegen die immer krassere Ungleichverteilung des Reichtums, der gemeinschaftsgefährdend wirkt, dem Menschen die Würde mittels Arbeit geben.
Er kommt glaubwürdig rüber, wenn er direkt in die Kamera von Wim Wenders spricht, sei es in Innenräumen des Vatikans, die in diesem Moment ganz diskret bleiben oder im Garten mit Bäumen und der Petersdomkuppel im Hintergrund und über seiner Schulter immer nur das obere Teil von reich verzierten Herrrschaftsstuhlrückenlehnen.
Aber was nützt das alles. Vor dem amerikanischen Kongress verurteilt er die Rüstungsausgaben. Jetzt unter Trump werden diese massiv erhöht. Er sollte auch nach Deutschland kommen und dem Kabinett Merkel einen Vortrag halten, es fragen, ob das gscheit sei, dass Frau von der Leyen unter wohlwollender Duldung von Frau Merkel sich gleich 12 zusätzliche Milliarden vom überquellenden Bundesbudget unter den Nagel reißt für Hochrüstung. Er sollte die Minister fragen, ob sie das fair finden, dass ein HartzIVler und untere bis mittlere Einkommen im Jahr gerade mal so viel Entlastung oder Erhöhung des Satzes erhalten, was sie als Minister an Diätenerhöhung monatlich kassieren. Die aktuelle deutsche Regierung könnte dringend eine päpstliche Standpauke gebrauchen und vielleicht die Frage beantworten, warum es bei diesen ständig steigenden Steuereinnahmen immer mehr Flaschensammler im Lande gibt.
Aber – es nützt wohl nichts. Der Papst scheint ein Rufer in der Wüste zu sein und im Klerus provoziert er den Aufstand der Pfründenplünderer.
Anfangs ist dem Film gut zu folgen, vor allem der Armutsargumentation vor dem Hintergrund des Lebens von Franz von Assisi. Allerdings nehmen im Film von Wenders zusehends die Reisen, die öffentlichen Auftritte, die Segnungen und Besuche bei Kranken, Armen, Schiffbrüchigen, Heliflüge, Händeschütteln und Klagemauer, Vad Yasehm und Ground Zero, Auftritt vor der UN mit der Umweltenzyklika Laudatio Si, überhand, so dass man sich fragt, ob so ein Leben noch im Sinne von Gottes Wohlgefallen sei, das nicht mehr zur Ruhe kommt, das selbst im Flugzeug noch Presskonferenzen geben muss und nebenbei den Vatikan als Milliardenfirma – wovon kein Wort fällt – im Griff behalten muss. Ob, was er selber verurteilt, dieser Overdrive, dieses Leben auf der Überholspur (als Geisel der Terminplanung) noch gut ist für einen Seelsorger und Theologen? Denn diesen Eindruck von immer mehr Betrieb und Aktivität erweckt Wenders mit dem Schnitt.
Andererseits stellt sich die Frage, ob den Politikern so ein Papst gerade recht kommt, der sich als Stimme der Armen (sein Schock über den ersten Anblick einer Gated Community), Unterdrückten, Kranken, Benachteiligten, Flüchtlingen vor Krieg und Armut oder von Naturkatastrophen, gibt, damit diese das Gefühl bekommen, sie hätten auch eine Stimme in dem immer mörderischeren Wettkampf der Globalisierung und der immer schneller sich weitenden Drift zwischen Arm und Reich, die destabilisierend wirkt und gegen die die Politik kein Mittel hat.
Als Seelsorger kennt er die Nöte der Menschen auch aus der Beichte und kann so verständlich zu ihnen sprechen, auch mal mit einem Lachen. Er gewinnt Sympathie mit Fußwaschungen von Gefangenen. Zum Thema Frauen hingegen möchte man mehr hören, wenn sie schon so wichtig sind, wie er sagt, warum sind sie nicht im Klerus? Und was ist mit dem Zölibat, das Thema hat er sich wohl von Wenders verbeten. Solcherlei könnte die schöne Stimmung diese Image-Filmes rasch bedenklich trüben.
Apostel des Schönen. Wim Wenders, der mit David Rosier auch das Drehbuch geschrieben hat, ist, insofern er zweifellos ein Künstler ist, in den Worten des Papstes ein „Apostel des Schönen“....