Dieser Film von Peter Solan, der mit Josef Hen und Tibor Vichta auch das Drehbuch geschrieben hat, ist 15 Jahre nach dem Ende des Dritten Reiches der Versuch, mit der Figur von Manfred Krug als KZ-Kommandant Walter Kraft einen Hauch Menschlichkeit in das Ungeheuerlich-Unfassbare der Nazi-Vernichtungsmaschinerie zu bringen.
Anstatt wieder eingefangene Flüchtlinge aus dem KZ, er nennt sie Fliegen, zu vergasen, spürt Walter Kraft in einem von ihnen, in Jan Kominek (Stefan Kvitik) die Boxernatur. Er selber ist leidenschaftlicher Boxer und ihm fehlt es an Herausforderern im öden KZ mit dem regelmäßig schwarzen Qualm aus dem Schornstein.
Kraft schenkt Kominek – und damit den übrigen Fliegen – das Leben, wenn er mit ihm boxt und ihn schlägt. Das ist die ungleiche Geschichte in diesem packenden Schwarz-Weiß-Film von 1962 aus der Slowakei, wie der KZ-Kommandant seinen abgemagerten Gegner auffuttert und trainieren lässt. In Kraft ist der Sportsgeist stärker, die Sehnsucht nach Augenhöhe mit einem gleichwertigen Gegner, als alle Nazimilitärhierarchie. Das ist das Menschliche, was den bestialischen Mechanismus vorerst außer Gefecht setzt, was sozusagen Hoffnung lässt. Es ist diese Konzilianzfähigkeit der Krug-Figur, dieses Patriarchalisch-Familiäre, was so gar nicht ins KZ passt. Aber: kann es einen guten Kommandanten in einem schlechten Lager geben?
Bald erkennt auch der Zuschauer, dass Kominek mit Training und guter Ernährung Kraft deutlich überlegen ist. Das ist der zentrale Konflikt, dass Kraft der hierarchisch Mächtigere ist, der aber so tun will, als habe er es mit einem Ebenbürtigen zu tun. Ein weiterer, elementare Konflikt etabliert sich unter den Gefangenen durch die Privilegierung von Kominek.
Kominek findet im alten Venzlak (Jozef Kondrat) einen heimlichen Trainer, der lange aufmerksam in der Boxwelt gearbeitet hat.
In Stefan Kvietik hat Krug einen ebenbürtigen Schauspieler als Partner, der laut IMDb heute noch dreht. Krug selber fasziniert einerseits mit einer federballleichten Beweglichkeit (Box- und Seilspringszenen), wenn er boxt und mit dieser präsenten Männlichkeit, die ihn für eine Weltkarriere prädesteniert haben könnte. Was wäre bloss aus ihm geworden, wenn er in die USA gegangen wäre. Ihn hat leider später das deutsche Fernsehen domestiziert; wobei er auch dort noch immer herausgeragt ist.
Interesant ist vielleicht auch der Vergleich mit einem der neuesten Nazizeit-Filme, dem vielgelobten, ebenfalls in Schwarz-Weiß gedrehten Der Hauptmann. Hier richtet ein niedrigraniger Soldat, der eine Hauptmannsuniform ergattert, in einem KZ, obwohl der Krieg praktisch vorbei ist, ein Massacker an; Gegenfigur ist ein beamtenhafter KZ-Kommandant. Im Vergleich zum Solan-Krug-Film, der diesen Sportsgeist (der dann so sportlich doch nicht ist) beschwört, eine Menschlichkeit über die Herrschaftsverhältnisse hinaus, ist heute, über 70 Jahre nach Kriegsende nichts mehr zu spüren. Da herrscht blanker Zynismus und Beamtenhaftigkeit. Ein Trend? Und ein Fortschritt in der Behandlung, des eigentlich nicht behandel- und verhandelbaren Themas?
Interview mit Peter Solan
Solan erzählt, wie er auf die Geschichte von Tibor Vichta gestoßen ist und spürte, dass das sein Film würde. Vier Jahre lang kämpfte er gegen den Einwand, das würde ein pro-faschistischer Film werden. Und dann plötzlich ging es, inklusive der Besetzung mit dem Deutschen, Manfred Krug. Gedreht wurde in einem Original-KZ.
Diese Interview ist auch eine spannende Lektion über das Filmemachen.
Solan erzählt in konzentrierter Interviewsituation; er sitzt auf einem Stuhl, der Hintergrund bleibt dunkel. Er spricht über Freigaben. resp. keine Freigabe; zuerst solle er seine positive Einstellung gegenüber den demokratischen Institutionen des Volkes unter Beweis stellen; dafür bekam er einen Kurzfilm. Die Kulturbürokratie. Filmen in der Planwirtschaft.
Wenn du arbeitest, dann nicht für das, was es mal sein wird. Was aus einem Film wird, das überlässt er gerne denen, die ihn sich anschauen.
Das war sein letztes Interview, kurz vor seinem Tod im September 2013. Es wirkt so frisch wie von heute.
Interview mit Martin Kanuch
Über die goldene Zeit des slowakischen Autorenfilmes, den sozialistischen Realismus. Über die darin geforderte Authentitzität, Geschichten an Originalschauplätze zu drehen und zu improvisieren. Dokumentarfilm als Übung, Voraussetzung, um Spielfilme zu drehen. Solan habe sich nicht als schöpferischer Regisseur gesehen, ihn interssierten Geschichten, Probleme und die Reaktionen darauf.