Hagazussa – Der Hexenfluch

Alpenländisches Drama um eine einsame Frau zu Zeiten, als noch die Pest wütete. Ausgiebige Schilderung oder Nacherfindung mitelalterlicher oder frühmittelalterlicher Existenzen, langsamen, landschaftlich abgelegenen Seins. Oder: lebendiges Freilandmuseum mit Urlautdialekt (vor allem anfänglich) und mit Perchten, die von Hexen reden. Es lastet eine Schwere auf diesen Schicksalen. Die Sicht auf die Menschheit als Gewürm. Gegenentwurf gegen die Moderne, Postmoderne und IT-Moderne.

Alrun (Aleksandra Cwen) lebt allein auf einer Alp mit einem Säugling. Sie wird misstrauisch beäugt von den besser gekleideten Dorfbewohnern. Kinder treiben ihr Spiel mit ihr. Die scheinheilige Swinda (Tanja Petrovsky) tut so, als ob sie ihre Freundin werden wolle, bringt ihr symbolbeladen einen Apfel und bietet sie auf einer friedlichen Bergwiese einem Fettsack von Typen an. Sie macht Bemerkungen darüber, wie diese Bergbewohner stinken.

Die Vorgeschichte im ersten Kapitel erzählt in einem strengen Winter, wie Alrun als kleines Mädchen allein mit ihrer Mutter Martha (Claudia Martini) in der Einsamkeit haust, wie sie diese nach einem Zusammenbruch pflegt.

Der Film ist eine Arbeit der DFFB in Berlin, von Lukas Feigelfeld. Er zeigt damit vor allem, was sie an diesen teuren Filmschulen inzwischen gewiss lernen, wie Kinobilder von großem Atem und entsprechender Bildspannung in breitem Format herzustellen sind, wie sie episches Sichzeitlassen lernen.

Sie lernen, Versatzstücke aus der Asservatenkammer des Horrorgenres wohldosiert einzusetzen in einem Film, der Themen wie Einsamkeit, Isolation, Aussonderung, Sehnsucht nach Liebe bebildert.

Sie lernen eine ganze Soundmaschinerie unter die Bilder zu legen, die diesen ab und an allerdings mehr Bedeutung aufhalsen, als sie hergeben. Sie lernen perfekt mit Unterwasseraufnahmen umzugehen und eine Riesenshow an Rotchromatographie aus einer Unterwassermonatsblutung und dem Ertränken eines Säuglings zu machen.

So eindrücklich die Bilder sind, es scheint, dass es vor allem um den Beweis geht, Gelerntes umzusetzen, der Schule zu beweisen, dass sie eine Daseinsberechtigung habe.

Allein – das ist nach wie vor das Grundübel der deutschen Filmkultur – sie kann nicht oder weigert sich, zu erzählen, zu verraten, was sie erzählen will, zu vermitteln, was das dringende Bedürfnis des Filmemachers ist, dass er diesen Film unbedingt machen muss, außer, um von der Schule ein gutes Abgangszeugnis zu erhalten.

Faszination durch Einsamkeit und Außenseitertum und durch klassische Kinobilder allein, scheint mir da zu wenig. Es fehlt das Besondere, die persönliche Haltung des Filmemachers zu seinem Thema. Man könnte andersrum fragen: warum wird es diesem Film wie so vielen deutschen Filmen ergehen: dass er sang- und klanglos im Kino untergeht und über die Branche hinaus kaum jemanden interessieren dürfte? Wohl doch, weil er nichts erzählt, was einen heutigen Menschen bewegen könnte, weil er keinen erhellenden Blick, keinen erfrischenden Blick zu seinen (im Kino doch ewig gleichen!) Themen bringt. Das schmerzt umso mehr, je meisterlicher die Bilder sind, wie hier eben.

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