Der Hauptmann

Ein bemerkenswerter deutscher Film, der nicht eine Sekunde den trendigen Subventionsmief ausstrahlt und der zumindest auf Festivals seine Aufmerksamkeit erhalten dürfte – sicher auch preisverdächtig – wegen der frischen, aber gut am altbacken guten Kino abgeschmeckten Art, wie Deutschland ein ekelhaftes Kapitel der Naziendzeit behandelt.

Zuerst in Schwarz-Weiß. Das bringt, wenn sie mit etwas Russ oder dunkler Farbe behandelt werden, die Gesichter, vor allem die Augen, besonders zum Leuchten. Umso mehr, als die Gesichter auch zum Studieren exponiert werden durch häufiges nur Schauen, nur Anblicken des Gegenübers, abwartend abwägendes Schauen. Das erzeugt eine schauspielerische Grundspannung, lässt keinen Satz als schnell schnell in der Garderobe auswendig gelernt erscheinen.

Auch Ausstattung, Kamera, Schnitt, Licht arbeiten dem erzählerischen Grundduktus harmonisch zu. Es ist die Geschichte vom falschen Hauptmann Herold (Max Hubacher, ein Nachwuchstalent wie aus großen Kinozeiten), einem Gefreiten, der in den Wirren des zusammenbrechenden Nazireiches im April 1945 eine Hauptmannsuniform und schnell Geschmack daran findet. Die Macht, das spielen die anderen. Insofern erübrigt sich die Szene, in der Herold allein vor dem Fundauto übt.

Der erste Gefolgsmann ist Milan Peschel als Freytag, der schnell aus eigenem Überlebenstrieb das Spiel mitspielt. Erst geht es darum, Essen zu beschaffen. Freytag stellt sich dem Hauptmann zur Verfügung, da er versprengt sei. Er macht das Militärauto wieder flott. So können sie eindrucksvoll vorfahren im nächsten Wirtshaus. Auch hier ist die Stimmung verfahren. Aber der Uniform gelingt es mit erfundenen Versprechungen, Gutmachung von Schäden und Bestandsaufnahme dazu, Respekt zu erlangen, Gefolgschaft und vor allem Nahrung.

Der Erfolg macht mutiger und dreister, das ist die Mechanik kulturloser Macht. Schwierig scheint es zu werden bei der Begegnung mit einem anderen Hauptmann. Die Stärke des stummen Blickes aber überzeugt auch hier.

Die Truppe Herold wächst und wächst. Kommt zu einem KZ. Schütte (Bernd Hölscher), der hier tätig ist, sieht sich überfordert wegen der Überbelegung durch Gefangene. Hansen (Waldemar Kobus) ist für eine ordnungsgemäße Erledigung des Themas.

Alkohol und Uniform gewinnen die Oberhand, ermöglichen die standesrechtliche Erschießung von 90 Gefangenen, ein Kriegsverbrechen. Schwentke traut sich, in nicht bedröppelt-bedröppelnder Weise, sondern aus der Perspektive des Täters das Grauen zu schildern, wie die leichtfertig mit dem Leben dieser elenden Kreaturen umgehen, wie sie feiern und saufen und sich Gefangenen-Theater vorspielen lassen von Roger (Samuel Finzi) und Schneider (Wolfram Koch).

Es wird auch gesungen und getanzt beim Bunten Abend im KZ. So richtig lassen Herold und seine Mannen anschließend die Sau raus im Hotel Oranien und lassen es krachen.

Merkwürdigerweise lässt Schwentke Herold im Film durch die Kulisse (dunkler Wald) ins Dunkel abgehen. Im Abspann steht es anders zu lesen. Dann leistet sich das Filmteam, um den Zuschauer bei den langen Reihen von Namen der Credits, die in Rot geschrieben sind, bei der Stange zu halten, noch im Heute mit den Wohn- und Ausstattungs-Wagen im Hintergrund den Gag, in den alten Uniformen Passanten von heute zu filzen, ob gewarnt oder nicht gewarnt ist nicht ersichtlich, eine Gaudi mit nicht ganz versteckter Kamera. Bringt aber die Frage auf, ob das der einzige Bezug zum Heute sei; oder inwiefern soll sich ein Mensch von diesem Film angesprochen fühlen?

Es ist ein Köpenickiade, aber keine lustige. Beim Hauptmann von Köpenick gibt es Grund sich zu amüsieren über die Uniformgläubigkeit der Menschen, und er macht die Sache, um sich einen Pass zu beschaffen. Während es Herold hier zuerst ums Überleben geht, was sich zum Kriegsverbrechen ohne Sinn und Zweck auswächst. Hier ist nichts Lustiges. Insofern sackt die Message des Filmes im Vergleich zur Machart wie ein Luftballon, dem die Luft ausgeht, vollkommen in sich zusammen.

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