Kommentar zu den Reviews vom 8. März 2018

Überleben – oder nicht. Überleben in kleinen Filmrollen. Überleben nach der Atomkatastrophe. Überleben in Chicago dank Selbstjustiz. Überleben in der Feuerwalze. Überleben dank dem Auge fürs Schöne. Überleben nach geplatzter Sportlerkarriere. Überleben der Schimpansen im Dschungel. Überleben dank Arbeit. Nicht mehr leben wollen in Amsterdam. Aufwachsen in defekter Familie. Krepieren einer schönen Filmidee. Die wildesten Gefechte vor Masar-e Scharif überleben. Am Fernsehen gabs die unterhaltsam-informative Doku über einen Modemacher und einen wenig originellen Zugriff auf den Zwangsgebührengeldhaufen.

Kino
LUCKY
Abschiedshommage an einen großen Schauspieler kleiner Rollen in einer großen Rolle.

FURUSATO – WUNDE HEIMAT
Selbst Atomverseuchung kann viele Menschen nicht von der Rückkehr und vom Weiterleben in der Heimat abhalten.

DEATH WISH
Selbstjustiz ist seit dem neuesten Schulmassacker in den USA fragwürdig geworden.

NO WAY OUT – GEGEN DIE FLAMMEN
Amerikanische Helden der Feuerbekämpfung.

WALTER PFEIFER – CHASING BEAUTY
Zitternde Hände und Berufsfotograf – geht das? Und wie!

MOLLY’S GAME
Ein Zweiglein auf einer Skipiste hat Molly’s Leben einen nicht zu erwartenden Drall verschafft.

JANE
Die Erforschung der Schimpansen von Gombe und die Folgen des Idealismus von Jane Goodall.

KEVIN ROCHE – DER STILLE ARCHITEKT
Wenn er nicht arbeiten würde, sagt der 94-jährige, würde er durchdrehen, er, der die moderne amerikanische Architektur prägte.

ARTHUR & CLAIRE
Joseph Hader möchte sich in Amsterdam wegen Kehlkopfkrebs aus dem Leben verabschieden und trifft auf eine Frau, der es ebenfalls reicht.

ER SIE ICH
Die Filmemacherin als Produkt einer ‚Vögelbeziehung‘ will es von den separierten Elternteilen genau wissen.

DAS VIELMACHGLAS
Eine poetische Idee wird handwerklich grob verrumpelt.

OPERATION: 12 STRONG
Wenn das kein Kriegspropagandafilm ist, dann heiße ich Papst Franziskus.

TV
DRIES – DER MODEMACHER DRIES VAN NOTEN
Ein Leben, durchdrungen von Kreativität von früh bis spät.

MANNSBILD & PFUNDSKERL (Folge 1)
Mit solch offensichtlichen Zwangsgebührengeldabgreifversuchen dürften die Öffentlich-Rechtlichen nicht mehr lange überleben.

Death Wish

Fast schon tragisch

mutete es an. Da machen die Amis mit all ihrem Können, ihrer Erfahrung, ihrem Aufwand erstklassig einen Selbstjustizfilm in einer ausgewogenen Mischung aus Unterhaltung und Spannung, aus Thrill und Entertainment und wie der Film ins Kino kommt, hat sich in den USA wegen eines erneuten Schulmassackers die Stimmung – das erste Mal in ihrer Geschichte – gegen die freie Verfügbarkeit von Waffen gewendet.

So wird Bruce Willis zum tragischen Helden wider Willen. Er ist cool und souverän wie kaum einer seiner Zunft. Das kommt lässig zur Geltung schon in der Exposition. Sein glückliches Familienleben in ordentlicher Upper-Class mit Frau Lucy (Elisabeth Shue) und seiner flügge gewordenen Tochter Jordan (Camila Morrone). Sie fängt ihr Studium an, wird wegziehen von zuhause.

Die Familie schmiedet Pläne, wie man sich sehen wird und wann. Bruce Willis ist Chirurg Dr. Paul Kersey in einer Notfallklinik in Chicago. Das wird auch die „City of Death“ genannt, die Stadt des Todes. Die Anzahl Morde löst sich in einer statistischen Zahl auf, 40 bereits in dieser Woche, 50 und so weiter. Die Zettel mit den Namen der Opfer nicht aufgeklärter Fälle füllen im Polizeirevier eine Wand von unten bis oben.

Dr. Kersey bleibt in seinem Job ruhig inmitten des Notfallgetümmels, da muss einer gerettet werden, dort überlebt einer nicht. Wer den Film anschaut, dürfte vorher bereits mitbekommen haben, dass eines Tages seine Frau und seine Tochter unter den Eingelieferten sein werden. Ihnen ist zuhause übel mitgespielt worden.

Elisabeth überlebt nicht, Jordan liegt im Koma. Statt Zeit für Trauer zu nehmen, fängt Dr. Kersey angesichts der Machtlosigkeit der Polizei und des Mangels an Fährten an, sich selbst auf Verbrecherjagd zu begeben. Darauf dürften die Bruce-Willis- und die Actionfans gewartet haben.

Zwischen die einzelnen Abschnitte des Filmes schneidet Eli Roth (Knock Knock), der nach dem Drehbuch von Joe Carnahan nach dem Roman von Brian Garfield arbeitet, Drohnenaufnahmen durch und über die nächtlichen Chicago-Hochhausfluchten, ein riesiges anonymes Lichtermeer, Brutstätte des Verbrechens.

Geschickt setzt Roth die modernen Kommunikationsmittel spannungserhöhend ein. Bereits nach seinem ersten Selbstjustizakt wird Paul internetpopulär als Chicago Grim Reaper, weil jemand ihn gefilmt hat dabei, geschickterweise von hinten, aber verräterisch als Linkshänder und nicht geübt im Umgang mit Waffen.

Paul trägt eine Wunde davon, auch so eine Story, die sorgfältig gepflegt und beachtet wird. Das sind exzellente Merkfäden für den Zuschauer, geben ihm Orientierung, denn sie werden wohldosiert immer wieder eingespielt.

Eine Freundin liest der im Koma liegenden Jordan vor aus Milton Friedmans „Positive Economics“ – eine ökonomische Fundierung auch des freien Waffenhandels. Dieser selbst wird wiederum mit einem hübschen kleinen Waffenladen konkretisiert.

Grotesk ist der Splitscreen zwischen einerseits Kugeln in Menschen hineinjagen und sie parallel in der Notaufnahme wieder herausoperieren. Und wenn Bruce Willis sein Teil erledigt hat, dann kommt die Polizei – und gibt ihm recht.

Vielmachglas

Poetische Idee verballhornt.

Das Vielmachglas ist ein poetisch oder besser: magisch sinnstiftender Gegenstand. Es ist ein leeres Glas, in das man seine Abenteuer auf Zettel geschrieben einfüllt. Ein Mittel, ein Trick, auf dem Weg zur Selbstfindung und Selbsterfüllung. Grad für einen jungen Menschen, der noch am Suchen ist, kann das den Lebensweg beeinflussend eingesetzt werden.

Ein solches Glas erhält die Protagonistin Marleen Ruge (Jella Haase) von ihrem Abenteurer- und Weltenbummlerbruder Erik (das ist Matthias Schweighöfer mit einer ihm zwar ein neues Profil verleihenden, in Frontalaufnahmen aber deutlich sichtbar geklebten Rastaperücke).

Erik stirbt bei einem selbstverschuldeten Autounfall. Seine Schwester, die Beifahrerin, erleidet leichtere Verletzungen, tingelt ab diesem Moment mit einem Vorderarmgips durch den Film.

Die Zeit bis zur Beerdigung füllt die Schwester mit einem ziemlich wirren Roadmovie nach Hamburg. Dort möchte sie das von seinem Bruder hinterlassene Ticket für einen Trip mit einem Green Peace Schiff in die Antarktis einlösen.

Im Humbug-Roadmovie kommen vor wie aus einem Fundus für in anderen Film nicht weiter verwertbare Szenen zusammenngestöberte Sujets von der grellen Tramperin über eine Ziege, eine fett auf plump-derb gezeichnete Ticketverkäuferin, ein absurder Wildtiertransporter, ein Baumhaushotel.

Es scheint als sei den Filmemachern Christoph Stroeks (Buch) und dem Regisseur Florian Ross (Der Nanny) grad so gar nichts eingefallen.

Mittendrin gibt’s einen Hinweis auf Poesie, die möglicherweise angedacht war: eine nächtliche Waldwiese mit Glühwürmchentanz. Allerdings sind die Glühwürmchen mechanistisch animiert und Jella Haase tut sich schwer mit dem Entzücken, da die leuchtenden Punkte beim Dreh noch nicht vorhanden waren.

Bereits die erste Szene des Filmes lässt daran zweifeln, ob die Filmemacher überhaupt Klarheit über ihr Thema haben. Es ist eine Szene wie in einer billigen und pfuschig hergestellten Sitcom, in der über den Preis eines mit Nägeln beschlagenen Lederohrsessel verhandelt wird zwischen einem starr gespielten Tandler (Gustav-Peter Wöhler) und dem Mädchen. Es ist nicht klar, ob das ein Jux für eine Kameraübung an der Hochschule sein soll, zB die Dialogzeile des Händlers an das Mädchen, sie habe ein Ikeagesicht.

Dann stemmt das Mädchen diesen Sessel – komisch solls aussehen – unglaubwürdig auf dem Kopf durch die Straßen. Vor dem Elternhaus hat sie eine an den Haaren herbeigezogene Dialogszene mit der rundlichen Nachbarin Frau Krüger (Martina Eitner-Acheampong) und dazu eine kompliziert-schwerfällige Hundeszene, alles nach dem Regiemotto: nur ja nicht das Leben beobachten und ihm auf die Schliche kommen.

Nicht besser wird die Inszenierung im Haus von Marleens Eltern. Juliane Köhler und Uwe Ochsenknecht geben sich gar nicht erst die Mühe, glaubwürdig ein Ehepaar darzustellen und das Drehbuch ist grad auch keine Hilfe. Es wirkt, als wollen diese Subventionsstars nur ihre Gage abgreifen. Dabei wirken die Figuren dieses Sondercastes vor allem unnatürlich, wie momentweise der ganze Film in seiner debilen Ernsthaftigkeit und seinem löchrigem Erzählfaden und Auslassen einfachster Reaktionen auf Ereignisse (nach dem Tod von Erik) daherkommt, als wolle er die Filmförderer verarschen, ihnen klar machen, dass sie unfähig seien, Drehbücher auf ihre Tauglichkeit und innere Stimmigkeit zu lesen. Oder waren die Kurzfilme des Regisseurs so überragend, dass er eine Carte Blanche verdient hat?

Walter Pfeifer – Chasing Beauty

Das Auge haben.

Er hat das Auge für das Schöne. Sein privates Interesse gilt den Männern. Deshalb seien die Bilder von jungen Männern erotisch, die von Frauen skulpturhaft, wird in dieser Künstlerodkumentation von Iwan P. Schumacher an einer Stelle gesagt.

Er ist ein Künstler, der gleichzeitig auch Modefotographie macht. Sein Traum 1981 war, berühmt zu werden, ein Professor zu sein, von Jüngeren bewundert zu werden, die ihn fragen sollen, wie man es mache.

Pfeifer hat sich seinen Traum erfüllt. Das zeigt dieser Film. Und auch nicht. Das zeigt ebenfalls dieser Film. Seine Lebendigkeit hindert ihn daran, in einer Schublade zu landen, im Branding zu erstarren, sich und seinen Stil nur noch zu wiederholen.

Er inszeniert seine Schönheit, lässt Blumen um die Gesichter der Modells dekorieren oder sie stellen den einen Fuß mit Highheels auf ein Kofferradio aus den 70ern. Seine Arrangements sind immer auch witzig. Wie er er selber auch ist, eine Existenz am Rande eines Clowns. Der einerseits ernst genommen werden will, sich andererseits mokkiert darüber.

Wenn ihm der Rummel zuviel wird, zieht er sich zurück. Dann baut er kleine Stilleben, malt sie ab, fotografiert sie. Er zeichnet auch gerne, auch seine Models. Und er macht Videos.

Aber schnell sei er auch vergessen oder nur noch einem kleinen Fachpublikum erinnerlich.

Verblüffend ist seine immer erneute, immense Begeisterung. Das zeigt sich bei Fotosessions. Er braucht nicht 100 Bilder, das muss, wenn eingerichtet ist, schnell gehen.

Iwan P. Schumacher begleitet Walter Pfeifer bei seiner Jagd nach Schönheit, bei Fotosessions in freier Natur mit einem jungen Mann oder bei Aufnahmen für Vogue mit einer Entourage aus lauter Spezialisten und Topmodels im Hause Dior oder auch bei einer privaten Bergwanderung mit einem langjährigen Freund (der erzähle von seinen Frauen, er von seinen Männern) oder er blättert in seinen „Scrapbüchern“.

Es kommen zu Wort Fachleute, die mit Fotografie zu tun haben, Kuratoren, Autoren, Verleger, Agenten, Concepter und ehemalige Modelle. Außerdem gibt es Archivausschnitte von öffentlichen Auftritten. Und seine faszinierenden Bilder und Arrangements.

Der Zuschauer darf sich in dieses immerwache und kreative Auge Pfeifers hineinsgeschmuggelt fühlen. Pfeifer ist einer jener Künstler, denen ihre Kunst wichtig ist und nicht ihr Auftritt, ihr Gestus oder die Pflege ihrer Marke. Er fühlt sich schnell auch klein oder als Aschenbrödel. Vielleicht braucht er das, um seine Bescheidenheit und Demut sich zu bewahren – im Dienste genial eingefangener Schönheit – mit der „Geduld eines Ochsen“ und für eine lebensbejahende Kunst.

Operation: 12 Strong

Wildwest vor Masar-e Scharif

Wieder einer der Filme, der seine Legitimation aus der durch 9/11 verwundeten Ehre Amerikas bezieht. Und versucht, die daraufhin folgenden grauenhaften, brutalkriegerischen Vergeltungsmaßnahem mit Tausenden auch amerikanischen Toten, irgendwie zu rechtfertigen.

Es geht um eine geheime Aktion am Rande des Afghanistanvergeltungsfeldzuges (wobei die Täter ja aus Hamburg kamen, warum haben die Amis nicht Hamburg bombardiert?), eines der inzwischen nach dem 30-jährigen Krieg wohl bald längsten Kriege.

Geschockt von den Bildern der rauchenden und in sich zusammenbrechenden World Trade Center Türme meldet sich Captain Mitch Nelson (Chris Hemsworth) bei seiner Einheit zurück. Er hat sich gerade aufs Familienleben zurückgezogen, ist dabei, mit seiner jungen Familie, sich in einem Einfamilienhaus gemütlich einzurichten.

Die Familie als der Urquell alles Handelns. Und die Heimat dazu. Und der Impuls, etwas Gutes zu tun – im Bösen Krieg.

Nelson kann seine Vorgesetzten überreden, ihn einzusetzen. Mit einem Dutzen kühner Kameraden, alle nicht kampferprobt, wird er nach Usbekistan geflogen. Vor dort sollen sie ins benachtbarte Afghanistan einsickern und Masar-e Scharif den Taliban entreißen, die dabei sind, die Stadt zu übernehmen. Er soll mit diplomatischem Geschick Stammesfürsten für die Nordallianz gewinnen, die sich den Taliban in den Weg stellt.

Im Film von Nicolai Fuglsig, einem Dänen, und nach dem Drehbuch von Ted Tally und Peter Craig, nach der Recherche „Horse Soldiers“ von Doug Stanton, ist allerdings von Diplomatie wenig zu sehen.

Es wird vor allem der Wilde Westen in Afghanistan aufleben mit vielen Pferden und Reitern, die das Gewehr im Anschlag haben und gegen eine Übermacht von Panzern anstürmen. Es wird enorm viel geschossen, es gibt Explosionen und Detonationen malerisch aufgemotzt in der Postproduktion (teils in Thailand, hört sich lustig an); es geht schlimmer zu als auf auf großen Schlachtengemälden und, oh Wunder, unser tapferes Dutzend mittendrin im Getümmel – und alle kommen sie heil raus und sind Weihnachten wieder zuhaus.

Sie haben in weniger als 30 Tagen die Taliban zurückgedrängt, Allianzen geschlossen. Eine konventionelle Armee hätte dafür mindestens 3 Jahre gebraucht. In Afghanistan hat es die US-Armee nach 17 Jahren noch nicht geschafft, das Land zu befrieden.

Es fragt sich nur, wenn Nelson so erfolgreich war, warum sein Prinzip nicht zur Maxime des Eroberungsfeldzuges gemacht worden ist. Warum der Film überhaupt gemacht wurde? Ich vermute, es sind reichlich Gelder von der Armee und anderen interessierten Kreisen, denen dieser Krieg lieb ist, geflossen. Falls das überhaupt zu eruieren ist – denn das erste Opfer des Krieges ist bekanntlich die Wahrheit.

No Way Out: Gegen die Flammen – Only the Brave

Kinostoff.

Stoff, das ist für die Feuerwehrmänner von Prescott Anfeuerstoff, Öl und Gas. Ihr Motto heißt: Feuer mit Feuer bekämpfen. Sie fackeln Schneisen zwischen eine sich nähernde Feuerwand und ein Gebiet, das sie schützen sollen.

Der weitsichtige und erfahrene Chef dieser Feuerwehrmänner ist Eric Marsh (Josh Brolin). Er will mit seinen Mannen den Status einer Hotshot-Crew erhalten, einer spezialisierten Eingreiftruppe bei Waldbränden, die besonders nah an die gefährliche Walze rangeht. Und, das wird mehrfach betont, es ist die einzige lokale Feuerwehr weitherum, die diesen Status dann hätte. Das ist der erste Teil des Filmes, wie die Truppe sich um die Zertifizierung bemüht und diese auch erhält.

Joseph Kosinski (Legacy) hat die menschennahe Regie geführt, Claudio Miranda hat Kinobilder geschaffen, die auf die ganz große Leinwand gehören und sogar drohen, diese zu sprengen. Das Drehbuch stammt von Ken Nolan (der hochpatriotische Black Hawk Down) und Eric Warren Singer (American Hustle) nach einer Magazingeschichte, die über eine wahre Begebenheit berichtet hat, über eine Katastrophe.

Es ist eine amerikanische Heldengeschichte in einem Wertekino: der Wert der Zuverlässigkeit, des Einsatzes und der gemeinsamen, einerseits verantwortlichen, andererseits brandgefährlichen Aufgabe. Vor allem aber, der Wert der Familie und es ist ein Wert der Gemeinschaft, die auch einen Gestrauchelten wieder aufnimmt und auf den rechten Weg führt.

Dies ist Brendan McDonough (Miles Teller), der Drogen nimmt und auch sonst nichts taugt. Wie er sich von seiner Exfreundin mit dem Thema einer zu erwartenden Vaterschaft konfrontiert sieht, fällt bei ihm der Groschen. Der kluge Marsh lässt ihn gegen alle Vorurteile bei seinen Mannen mittrainieren.

Der zentrale Wert aber dürfte die Familie sein, der gehört zu jeder spannenden Geschichte und wie sie in Konflikt mit den Werten Mut und Einsatz geraten. Dafür nimmt sich der Film die nötige Zeit. Denn der Feuerwehrjob reißt die Männer unregelmäßig, unvorhersehbar und lange aus ihrem Familienleben heraus, so dass die kleine Michaela von Brandon ihren Papa gar nicht richtig kennenlernt.

Das wiederum führt Brandon in Konflikt mit Marsh, der ganz kiebig wird, wenn einer seine Truppe nur als Karrieresprungbrett benutzten möchte, um nachher einen sichereren und einfacheren Job bei der Gebäudesicherung anzunehmen.

Zwischen Eric und seiner Frau Amanda (Jennifer Connelly), die sich für die Barhuf-Methode bei Pferden stark macht, knirscht es gewaltig wegen der Kinderlosigkeit, die direkt mit dem Job von Eric zu tun hat.

Der Film ist aber nicht nur ein Schmaus für den Kinofan, er ist auch ein Gedenkfilm an jene Männer, denen bei einem unberechenbaren Einsatz auch die Schutzfolien keine Schutz mehr geben konnten. Sie werden im Abspann mit Originalfotos geehrt.

Ibuprofen hat es auch in diesem Katastrophenfilm wie schon bei Zwischen zwei Leben zu einer namentlichen Erwähnung gebracht.

Unsere Helden nannten sich nach ihrer Zertifizierung Granit Mountain Hotspots.

Molly’s Game

Kleiner Zweig – große Wirkung.

Dieser Film von Aaron Sorgen (Steve Jobs) erzählt aus der Sicht von Molly Bloom (Jessica Chastain) ihr so garantiert nicht geplantes Leben. Sie heißt tatsächlich wie die Figur aus James Joyce’s Ulysses und macht auch einmal einen kleinen Joke darüber.

Molly Bloom ist auf dem Weg zu einer Sportlerkarriere als artistische Skifahrerin (Salto in der Luft). Ein Rennen noch und eine Teilnahme an den Olympischen Spielen von Salt Lake City wird greifbar.

Die mentale Vorbereitung kurz vorm Start, das Durchgehen des Weges, der Bewegungen zeigt der Film. Der Sprung gelingt. Die Sichtbedingungen sind nicht optimal. Aber Start, Fahrt, Schwünge, Sprung, alles gelingt ihr ausgezeichnet, Landung perfekt – doch dann verfängt sich ein Zweig auf der Piste in der Bindung, löst den Ski, Fall der Sportlerin und Aus für die Karriereplanung.

Die Zweiglein werden bei nicht optimaler Sicht auf die Piste gestreut zur Markierung und Orientierung. Was tun? Jobben als Bedienung. Ein dubioser Typ engagiert sie für sein Büro. Er organisiert private Pokerrunden für Superreiche. Sie betreut auch die Herren, kassiert enorme Trinkgelder, sie lernt das Geschäft kennen und durchschauen.

Bald macht sich Molly Bloom selbständig, nimmt die Kunden mit. Faszinierend an dieser Frau ist – und da ist Jessica Chastain eine prima Besetzung – dass sie das Geschäft absolut sauber und legal betreiben will, sie zahlt Steuern, die Mädchen dürfen mit den Spielern nicht anbandeln. Alles sauber. Drogen nimmt sie allerdings. Eine saubere Spielhölle – passt doch zum puritanischen Amerika.

Aber weil es in Spielerkreisen Verlierer und Ruinierte gibt, muss sie ihren Kundenkreis erweitern und gerät an die russische Mafia. Es passt zu ihr, dass ihr das überhaupt nicht auffällt, es kommt ja keiner und sagt, er sei von der russischen Mafia, meint sie.

Sie gerät deshalb ins Visier des FBI, das sich für ihre Aufzeichnungen und Beobachtungen interessiert und sich davon wichtige Erkenntnise verspricht. So wird eine Gerichtsstory daraus, bei welcher ihr Idris Elba als Anwalt Charlie Jaffey behilflich ist.

Mit dem Drehbuch hat es sich Aaron Sorkin zu bequem gemacht. Er lässt Molly viel voice-over erzählen. Und hupft hin und her in der Zeit. In den Szenen selbst wird pausenlos gesprochen. Sie wirken wie Nachillusstrierungen, beschränken sich auf Informatives; schaffen es aber nicht, Empathie für die Figuren oder die Geschichte zu entwickeln.

Sorkin hat darauf verzichtet, dem Drehbuch eine dramatische Struktur zu verpassen, die Spannung aufbauen könnte, er beschränkt sich auf das Nacherzählen (Chronologie mit Rückblenden) der Geschichte.

Ansatzweise philosophisch wirkt die Eingangssequenz, die Antworten auf die Frage sucht, was das Schlimmste sei, was einem Sportler passieren könne. Das erinnert an Voltaires Candide, in welchem mehrere Figuren in einen Wettbewerb geraten, wer das schlimmere Schicksal erlitten habe.

Lucky

Präsident Roosevelt ist entlaufen, das ist ein Thema in einem kleinen Städtchen im Süden der USA in einer heißen, ariden Gegend mit Kakteen, die in den Himmel ragen als eigenknorrige Gewächse.

Präsiden Roosevelt ist die über 100jährige Schildkröte von Howard (der berühmte Regisseur David Lynch spielt ihn). Ihn beschäftigt nur, ob die Schildkröte ihren Ausbruch geplant habe und ob er ihr möglicherweise zu wenig Freiheit gelassen habe. Das ist eine der Geschichten, die den schmucken und individuellen Rahmen dieser einzigartigen Hommage – und gleichzeitig ist sie Vermächtnis – an den amerikanischen Schauspieler Harry Dean Stanton abgeben.

Stanton spielt, es wird seine letzte und eine der wenigen großen von den 200 Rollen laut IMDb sein, den Eigenbrödler Lucky, 90 Jahre alt, wie er selbst, der allein wohnt, zuhause in weißem Unterhemd und weißer Unterhose rumhängt, nie verheiratet war, keine Kinder hat (nach seinem besten Wissen), der immer allein, nie aber einsam war.

Er hält sich fit durch Turnübungen, hat einen geschmeidigen Gang, bewegt seinen Körper leicht. Er schaut Fernsehquiz, löst Kreuzworträtsel mit Lexikon, räsonniert in diesem Zusammenhang darüber, ob Wahrheit ein Ding sei, trinkt Milch und raucht.

Der Arzt findet nach einem Schwindelanfall nichts, außer, dass er alt sei, und nicht mal das Rauchen aufzuhören kann er ihm empfehlen.

Luckys Lebensroutine führt ihn von seinem außerhalb gelegenen Haus in das Städtchen, in den kleinen Kramerladen einer Mexikanerin, in die Kneipe und in Elaines Bar, in welcher Geschichten und Freundlichkeiten ausgetauscht werden.

Wenn er auf dem Weg bei Eve’s Garten vorbeikommt, knurrt er jedes Mal ein unfreundliches „Fotze“ (amerikanisch Cunt, kommt besser) und in der Kneipe begrüßt er den Wirt mit „Du bist nichts“.

Mit einem Marine kommen Gespräche über die Kriegszeit auf. Der Sohn der Mexikanerin heißt Juan und Lucky weiß, dass das John wie John Wayne entsprechen würde. Zum Geburtstag des Buben ist er auf die Fiesta der mexikanischen Familie eingeladen, Mariacchis spielen auf und Lucky singt ein mexikanisches Lied.

Gegen Ende des Filmes raucht er eine letzte Zigarette, wirft einen letzten Blick in die Kamera, zu seinem Publikum wie zur Verabschiedung. Der Unterschied zwischen Spiel und Leben löst sich in diesem Alter auf. Gemäß seiner Sätze im Film ist er jetzt im Nichts gelandet.

Dieses ganz persönliche, individuelle Porträt eines alten Mimem stammt von John Carroll Lynch. Das Drehbuch haben Logan Sparks und Drago Sumonja geschrieben. Die Hinterlassenschaft ist ein „Ungatz“, auch ein Wort aus dem Film, ein Nichts, man könnte hinzufügen, der Name des Schauspielers ist in Wasser geschrieben. Es geben dem alten Mimen bei dessen Abschied die Ehre als Spielpartner Ron Livinston als Bobby Lawrence, Ed Begley Jr. als Dr. Christian Kneedler, Tom Skerrit als Fred Sparks von der Marine, Beth Grant als Wirtin Elaine und David Lynch als Howard.

Kevin Roche – Der stille Architekt

Grün, so grün

wie die irische Landschaft sehen seine Gebäude aus: begrünte Atrien, Grün auf den Dächern oder ein Campus dicht von Bäumen umsäumt. Er ist irischen Ursprungs. Sein erstes Gebäude war ein Schweinestall. Den hat er schweinefreundlich gebaut. Kevin Roche.

Roche wurde in Irland geboren zu einer Zeit, als es, was Architektur betrifft, abseits der Welt lag. Aber er hörte von Mies van der Rohe und bewirbt sich bei ihm. Wird genommen. Schnell stellt sich heraus, dass Kevin einen konträren Ansatz von Architektur vertritt: nicht das Stilistisch-Brillante, Abstrakte, Elegante als Wert für sich interessiert ihn.

Roche wechselt zu Eero Saarinen, kann sich selbst einbringen. Und übernimmt nach dessen plötzlichem Tod dessen Büro.

Roche entwickelt nicht einen „typischen“ Roche-Stil, von weitem erkennbar. Seine Architekturphilosophie geht vom Menschen und der Demokratie aus. Architektur ist da, um das Bedürfnis der Menschen nach Gemeinschaft, nach dem Dorf zu erfüllen. Darüber sprechen seine Atrien, Campusse, Zentralen großer Firmen, Hochhäuser und Museen Bände.

Roche sei detailversessen, er hat sich mit den künftigen Benutzern eines Gebäudes unterhalten, wollte ihre Wege wissen, was sie zu tun haben.

Aussagen von anderen Architekten, Kunden, Fachleuten ergänzen die eigenen Statements des 94-jährigen zu einem lebendigen Bild eines Mannes, der immer freundlich ist, der nie Nein sagt, was die Menschenfreundlichkeit der Gebäude zur Folge hat. Und auch, dass große Konzerne, wenn sie Ahnung von Architektur hatten, für ihre neuen Zentrale sein Büro beauftragten.

Er arbeitet immer noch, befürchtet durchzudrehen, wenn er anfangen würde über den Sinn des Lebens nachzudenken.

Der Film von Mark Noonan ist wie ein beschwingter Flug durch das architektonische Werk von Kevin Roche. Die Bilder wirken wie 3D-Aufnahmen, was auch damit zusammenhängen mag, dass Roche vor monumentalen Räumen nicht zurückschreckte, diese jedoch penibel auf ihre Alltagspraktikabilität und Menschenfreundlichkeit hin untersucht und dreht und wendet (beispielsweise das Atrium der New Yorker Börse).

Ein Gebäude muss für ihn funktionieren. Es ist kein Selbstwert für sich. Roche sucht in einem kreativen Akt individuelle, menschenfreundliche Lösungen. Der Film bietet eine entspannende Einführung in die Archtiektur von Roche, der für die amerikanische Architekturgeschichte seit Mitte des letzten Jahrhunderts prägend ist.

Jane

Heute ist sie Tierschutz-Welt-Prominenz: Jane Goodall.

Wie sie sich das verdient hat, zeigt dieser Film von Brett Morgan in berauschendem Farbfilmmaterial, das Hugo van Lawick in den 60ern in Afrika im grünen Gombe von ihr und den Schimpansen im Urwald geschossen hat.

Die junge Jane Goodall, um die 30, stets in Khaki-Shorts und akkurat gebügeltem Kurzarmhemd, eine Umhängetasche um, die Haare streng gekämmt, den hockonzentrierten Blick voraus auf den Dschungel vor ihr und ob sich etwas bewegt, steigt sie barfuß oder mit Turnschuhen über Baumstämme, stapft durch Wasser, sitzt hinter einem Fernrohr oder hat den Feldstecher in der Hand. Die Szenen sind nachgestellt, entwickeln gerade dadurch einen berührenden Charme, denn Goodall ist schon in den 50ern nach Gombe gegangen; der National-Geographic-Fotograf wurde aber erst in den frühen 60ern damit beauftragt, sie und die Schimpansen fotographisch festzuhalten.

Es ist die Erfüllung von Janes Kindheitstraum im schrulligem, britischen Elternhaus mit viel Park drum herum und Assemblagen von Tierfiguren: ihr Leben im afrikanischen Dschungel mit Tieren zu verbringen. Ohne, dass sie diesem Traum hinterhergejagt ist.

Der Vorspann des Filmes erzählt in knappen Sätzen, wie es dazu gekommen ist. Goodall ist 26 und arbeitet als Sekretärin bei Dr. Louis Leakey. Der bemüht sich um die Finanzierung der Feldforschung an Menschenaffen in Afrika, über die so gut wie nichts bekannt ist. Dafür sucht er jemanden mit einem offenen Geist, einer Leidenschaft für Tiere und einer ‚monumentalen‘ Geduld und der nicht in wissenschaftliche Dispute, Vorurteile und Intrigen involvliert ist. Er entscheidet sich für seine Sekretärin, deren lebenslange Leidenschaft für Tiere ihm bekannt ist.

Goodall hat weder ein wissenschaftliches Studium noch einen entsprechenden Abschluss vorzuweisen. Der Filmer Hugo van Lawick begleitet sie in den 60ern und schießt über 100 Stunden Material, das inzwischen verschollen geglaubt wurde. 2014 wird es wiederentdeckt und daraus hat Brett Morgan diesen Film gemacht, der in berauschenden Bildern von den ersten Studien über die Menschenaffen berichtet und was damals Naturfilmerei schon vermochte.

Die Archivaufnahmen sind immer wieder unterschnitten mit einem eigens zu diesem Film gemachten Interview mit Jane Goodall, die von heute aus über diese Anfänge und die Folgen erzählt.

Es kommen auch variierende Kapitel hinzu, Footage aus der Serengeti, als die Gelder von National Geographic nicht mehr für die Schimpansen flossen und ihr Mann Serengeti-Reportagen machen sollte. Dabei auch beider Sohn, denn inzwischen hatten sie geheiratet.

Es kommen die traurigen Kapitel vor mit der Polio-Epidemie bei den Schimpansen, und vorher schon deren Verwüstungsaktionen im Camp, wie sie immer zutraulicher geworden sind.

Jeder Idealist, und als Idealistin hat sie bestimmt angefangen aus reinem Interesse am Leben der unerforschten Schimpansen, gerät irgendwann in Konflikte. Meistens haben diese mit Geld zu tun. Auch Jane sinniert, dass das Forscherstipendium für Gombe auf ein halbes Jahr ausgelegt war – 5 frustrierende Monate lang hat sie keine merklichen Fortschritte in der Annäherung an die Schimpansen gemacht – und sie wusste, sie muss mit auffallenden Ergebnissen aufwarten, um die Geldquellen weiter fließen zu lassen.

Das gelingt ihr mit dem Nachweis, dass Schimpansen instrumentenfähig sind, indem sie einen Grashalm in einen Termitenhaufen stecken und damit Insekten rausfischen, die sie essen. Der Nachteil der Sensation ist, dass sie Sensation macht. Der Vorteil der Sensation ist, dass sie wieder Gelder locker macht.

Deshalb stellte ihr National Geographic den Fotografen Hugo von Lawick zur Seite, damals einer der revolutionärsten Naturfotografen. Aber die Publizität lockt mehr Forscher an, Studenten, Beobachter, es gibt mehr Betrieb. Und die Polioepidmie. Traurig zu sehen, wie die Schimpansen lahmen – aber Goodall weist im heutigen Interview jede Verantwortung von sich. Money makes the world go round.