Das schweigende Klassenzimmer

Kein Votum für passiven Widerstand.

Immerhin ist das Verdienst dieses Filmes von Lars Kraume nach dem Buch von Dietrich Garstka, das Thema passiver Widerstand in szenischer Dichte anhand einer Begebenheit in der DDR noch vor dem Mauerbau zum Reflektieren vorzulegen. Möglicherweise mit der deprimierenden Erkenntnis eines weiteren Beweises dafür, dass der Boden für Revolutionen auf deutschem Boden nicht fruchtbar sei.

Mit einer Schar talentierter junger Schauspieler, allen voran Leonard Scheicher als Theo und Tom Gramenz als Kurt, die er auch ausgezeichnet führt, greift Lars Kraume eine kleine Begebenheit aus einem Gymnasium in Stalinstadt anno 1956 auf.

Als spontane Aktion auf den Ungarnaufstand und dessen blutige Niederschlagung entschließt sich eine Klasse für zwei spontane Schweigeminuten. Alle machen mit. Keiner sagt ein Wort. Innert dieser zwei Minuten erhitzt sich der Lehrer zur Weißglut – so wirksam kann passiver Widerstand sein – und bevor er zornentbrannt das Zimmer verlässt, bricht Erik (Jonas Dassler) das Schweigen und klärt auf mit dem Satz, es handel sich um eine Protestaktion.

Die Geschichte von der Schweigeminute nimmt ihren Weg wie eine Lawine. Vom Klassenzimmer zum Rektor, von diesem zur Kreisschulrätin und von da bis zum Volksbildungsminister.

Wenig Zeit nimmt sich der Film zum Aufspüren allfälliger verunsichernder Wirksamkeit der Aktion auf der Hierarchie- und Bürokratieseite.

Viel Zeit dagegen nimmt sich der Film für die Schilderung der repressiven und Sippenhaftmaßnahmen, die offenbar wie mechanisch (tote Mechanik) zu greifen anfangen: Einzelverhöre, Behauptung eines zu findenden Rädelsführers, Erpressung Einzelner, Versuche, die Gruppe zu verunsichern und auseinanderzudividieren mit dem Vorgaukeln nicht abgegebener Geständnisse, Hineinziehen der Familien der Schüler, Drohung, von der Schule zu fliegen und auch Familiengeheimnisse öffentlich zu machen – alle diese primitiven Herrschafts- und Druckmittel – und die entsprechenden Diskussionen unter den Erpressten, ob lügen, ob schweigen, ob auspacken, ob denunzieren, ob Verrat üben. Repressionsbrevier.

Zur bannenden Atmosphäre tragen Kostüm und Ausstattung bei – und das Licht, das diese besonders schön ausstellt, fast wie im Museum. So viel ärmellose Strickwesten akkurat angezogen, Strickschals – so erweckt der Film teils selbst diese Akkuratesse und ein Hauch Erinnerung an die beachtliche DDR-Filmkultur. Aber dass bei jeder Szene auf der Straße just ein bis zwei Autos vorbeifahren scheint mir ein kleines Too Much zuviel.

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