Kommentar zu den Reviews vom 1. März 2018

Lebensmaximen. Eine exklusive Liebe für einen Sommer. Passiven Widerstand leisten? Loyalitätskonflikt mit dem Schuleintritt. Um Fairness und das Siegen geht es und ferner darum, gesund zu leben trotz WHO, das Leben als Spiel zu sehen und seinen Frauenkörper fürs Vaterland einzusetzen. Auf DVD gibt’s wild-erotische Pariser Jugend. Und im Fernsehen meldete sich eine vergessene, begehbare Bronzestatue.

Kino
CALL ME BY YOUR NAME
Nicht jeder kann die Erfahrung dieser Liebe machen.

DAS SCHWEIGENDE KLASSENZIMMER
Eine mutige Schweigeminute in der DDR und die Folgen.

MEIN FREUND, DIE GIRAFFE
Bubentraumwelt trifft auf Schulweisheit.

DIE BIENE MAJA: HONIGSPIELE
Siegen macht das Leben leichter.

TRUST WHO
Ist der Weltgesundheitsorganisation noch zu trauen, der WHO? Mal schauen, sagt sich die Dokumentaristin.

GAME NIGHT
Spiel hat doch mit Einsamkeit zu tun!

RED SPARROW
Der Film muss vor dem Weinsteinskandal geplant worden sein.

DVD
THE SMELL OF US
Dieses wahnsinnige Jugendgefühl zwischen Lust, Liebe, Drogen, Frust und Sexgeschäft – mitten in Paris.

TV
LUDWIGS BAVARIA
Eine flankierende Werbemaßnahme des BR zum Starkbieranstich.

Red Sparrow

Vor Weinstein.

Diese Film muss geplant worden sein vor dem Weinstein-Skandal, als Frauen noch Objekt sein durften, als sie für ihre Karriere mit ihrem Körper alles machen oder sich gefallen lassen mussten.

Das lernen die Frauen in diesem Hochglanz-Spionagethriller bei den Red Sparrows, einer verschwiegenen Spionagetruppe der Russen. In einem abgeschiedenen Palazzo (erinnert an denjenigen aus Death of Stalin (Ende März im Kino), in dem Stalin seine letzten Tage verbrachte) drillt Matron die Spionageschülerinnen, ihren Körper als Gegenstand einzusetzen zu Ehren des Vaterlandes, das sind selbstredend pikant intendierte Szenen.

Charlotte Rampling ist sich für die Matron-Rolle nicht zu schade; aber vielleicht hat sie auch eine Mutter zu versorgen, so wie die Hauptdarstellerin Dominika (Jennifer Lawrence). Die ist nicht freiwillig hier. Sie war Prima Ballerina beim Bolschoi. Das zeigt die klassisch ineinander geschnittene Eröffnungssequenz, die ahnen lässt, wer später mit Liebesantennen auf wen stoßen wird: eine Spionageszene unterschnitten mit einer Aufführung im Bolschoi-Theater.

Der zweite Protagonist Nate (Joel Edgerton) trifft einen Informanten in einem Park, das Treffen wird gestört; parallel dazu tanzt Dominika und wird hinterhältig verletzt. Bewährte Eröffnungszüge für einen Thriller mit Weltanspruch. Beide Protagonisten haben ein Problem: Nate muss abhauen aus Moskau und Dominika kann nicht mehr tanzen.

Aus Thrillergründen ist Dominikas Onkel beim Geheimdienst. Da sie wegen dem Unfall die Wohnung zu verlieren droht und die kranke Mutter in ein staatliches Heim kommen würde, verfügt er über zuverlässiges Erpressungsmaterial.

Er schickt sie auf die Spionageschule und setzt sie auf den Amerikaner Nate an, der Moskau wegen des Zwischenfalls verlassen musste. Der wird – da sie vermuten, dass ein persönliches Verhältnis zu seinem Informanten besteht – nach Budapest gelockt.

So ist das bei diesen internationalen, hochkarätig besetzten Spionagethrillern: sie trumpfen mit verschiedenen, eleganten Schauplätzen auf, hier kommen London und Wien dazu und sie glänzen mit einem erstklassigen Cast, auch Jeremy Irons spielt mit und Matthias Schoenaerts.

Die solide Regie führt Francis Lawrence (Die Tribute von Panem – Mockingjay – Teil 1, Teil 2, – Catching Fire, Wasser für die Elefanten). Dass Jennifer Lawrence mitspielt, scheint eher kein Zufall zu sein.

Das Drehbuch stammt von Justin Haythe nach dem Spionagethriller von Jason Mathews. Allerdings dürfte mit dem hier verbratenen Frauenbild („Wir werden immer Huren sein“) angereichert mit Sex- und Folter(Trash)Szenen, aktuell nur schwer zu punkten sein.

Trust WHO

Die Idee zur Gründung der WHO vor 70 Jahren war eine großartige: der ganzen Weltbevölkerung die bestmögliche Gesundheitsversorgung zu ermöglichen, weltweit zu gleichberechtigter Gesundheitsversorgung zu kommen mittels verbindlicher Normen.

Lilian Frank, die Dokumentaristin, unterstützt von den Koautoren Anja Nerall und Robert Cibis, nimmt die Sorge um die Gesundheit ihres Töchterchens zum Anlass, nachzuforschen, was die WHO heute dazu beitrage und ob ihr überhaupt noch zu trauen ist; sie beängstigt auch die Info, dass jeder dritte Mensch an Krebs erkranke.

Von der WHO gibt es problematische Empfehlungen. Ausgangspunkt ist die Panikmache vor der Schweinegrippe. Hier hat die WHO plötzlich Pandemiestufe 6 ausgerufen. Deshalb wurde massenhaft Impfstoff aufgekauft (resp. von der Pharmaindustrie mit Milliardengewinn hergestelllt und verkauft). Der sollte nicht ungebraucht herumliegen. Also musste aus Geschäftsgründen Pandemiestufe 6 her. Erklärt von der WHO.

Lilian Franck kam das komisch vor. Sie hat sich auf den Weg nach Genf gemacht, dem Sitz der WHO. Sie hat nachgefragt bei Mitarbeitern, dem Pressesprecher, bei ehemaligen Mitarbeitern, kritischen Journalisten.

Herausgekommen ist, was schon zu vermuten war aus ähnlichen Filmen über Impfungen wie vaxxed oder „Eingeimpft“ (ab 19. April im Kino) oder über Zucker (voll verzuckert). Die Pharmaindustrie nimmt mächtig Einfluss auf die WHO in ihrem und nicht im Gesundheitsinteresse. Es stellt sich heraus, dass die WHO auf Druck der Pharmaindustrie die Schwelle für Pandemiestrufe 6 plötzlich herabgesetzt hat. Je weiter Franck nachfragt, desto klarer wird: die WHO steckt in einem Dilemma.

Die WHO ist einerseits unterwandert von ehemaligen Mitarbeitern und Beratern der Pharamindustrie oder solchen, die es gleichzeitig noch sind. Andererseits hat sie ein Problem mit der Finanzierung. Viel zugesagtes, staatliches Geld geht nicht ein. Anderes von privaten Sponsoren ist zweckgebunden, zB von Bill Gates, das darf nicht zur Bekämpfung von Ebola genutzt werden.

Das dürfte der Grund sein, warum die Auskunftgeber der WHO in Slalom-Sätzen sprechen und sich in sprachlichen Pirouetten verknoten, wenn es um Transparenz und Offenlegung von Interessenverflechtungen geht. Wobei die nie erreichbare Chefin Margaret Chan bei einer Pressekonferenz das Dilemma mit entwaffnender Offenheit anspricht.

Franck zieht älteres Archivmaterial bei, das diese Verflechtungen an Atomunfällen deutlich macht (es geht darum, warum nach Fukushima kein Jod verteilt wurde und ob als Folge von Tschernobyl wirklich nur 60 Menschen gestorben sind, wie die WHO behauptet).

Das Bild, das sich ergibt, ist, dass die WHO mangels staatlicher Finanzierung immer mehr der Finanzierung durch die interessengelenkte Industrie ausgeliefert ist und nach den Maximen der Industrie zu handeln hat. Mithin, dass das Vertrauen in diese Weltorganisation zumindest als angekratzt angesehen werden muss.

Mein persönlicher Schluss: wenn ich demnächst wieder Meldungen über Grippeepidemien und Zahlen von Grippeninfizierten in den Medien mitbekomme, werde ich garantiert nicht in die nächste Apotheke rennen, um mir Mittel zu besorgen; ich werde allenfalls im Hinblick auf sich abzeichnende Erkältungen auf bewährte Hausmittel zurückgreifen: viel trinken, Wasser oder Kamillentee, oder auch einfach mal relaxen; und zum Gurgeln gibt es Kaliumpermanganat; da reicht die Menge für einen oder zwei Euro für zehn bis zwanzig Jahre!).

Pointierter Ausdruck dieser Verflechtungssituation von Politik und Industrie kommt aus Gregor Gysis Mund im Bundestag, der die Kanzlerin als die Bundeskanzlerin der Pharmacielobbyisten apostrophiert. Den Vorwurf zu entkräften, dürfte schwer fallen.

Mein Freund, die Giraffe

Bubentraumwelt kollidiert mit Schulweisheit („Giraffen können nicht sprechen“).

Der entscheidende Wegweiser kommt immer wieder ins Bild im schmucken holländischen Örtchen mit den ordentlichen Häuschen, den Grachten und Wegen: in die eine Richtung geht es zum Tierpark, in die entgegengesetzte zur Schule.

Damit ist der Konflikt des Buben Dominik, der in die Schule kommt, bereits klar herausgestellt. Sein Opa arbeitet im Tierpark. Dominik hat eine innige Beziehung zur Giraffe Raff entwickelt. Diese ist genau so alt wie er. Sie ist sein Freund. Er hat keine Geschwister. Nachts kann er sich von seinem Zimmer aus mit Taschenlampensignalen mit Raff unterhalten.

Die (bunte) Schule ist ein Einschnitt in Dominiks Leben. Die Giraffe darf da nicht hin. Die Lehrerin meint, die Giraffen wüssten schon alles, deshalb müssen sie nicht zur Schule gehen. Die Freundschaft von Raf und Dominik ist gefährdet.

Barbara Bredero erzählt diese Geschichte nach dem Drehbuch von Mirjam Oomkes, Laura Weeda und Tijs van Marle frisch, leicht und unbeschwert und baut sogar eine Liebesgechichte zwischen dem „Opa von Dominik“ und der „Lehrerin von Dominik“, wie sie sich anfängliich selbst nennen, ein.

Schulfreund Yous will die Geschichte von der sprechenden Giraffe nicht glauben; er stellt Dominik vor einen weiteren Solidaritätskonflikt, denn Raff ist traurig, wenn Dominik mit Yous zum Spielen geht.

Zur Lösung der Konflikte hält der Film überraschende und humorvolle Lösungen bereit. Dominik muss dazu seinen eigenen Ideen folgen.

Die zupackende Haltung des Filmes zum Menschsein und zum Umgang mit widersprüchlichen Forderungen zeigt sich auch in der Musikuntermalung, die gerne jazzig-swingig ist. Die deutsche Synchro wirkt unverkrampft und natürlich.

Die Biene Maja: Honigspiele

Eine bunt-fröhliche Lektion in Fairness.

Biene Maja ist vorwitzig wie eh und je. Sie lebt mit Verwandten und der Bienenkönigin auf dem Klatschmohnfeld. Die Schwester der Königin ist die Kaiserin von Summtropolis. Diese will, das ist wie eine Steuer, 50 Prozent der Honigernte eintreiben. Das wäre für die Klatschmohnfeldbienen der Horror, würde Hungersnot bedeuten. Außerdem sollen auf dem Klatschmohnfeld die Honigspiele stattfinden.

Biene Maja will die Ausbeutung nicht akzeptieren. Mit ihrem dicken Freund Willy lässt sie sich von einer Libelle, das dürfte in unserer Welt einem Rennauto entsprechen, nach Summtropolis fliegen. Sie begibt sich an den Hof, hat gleich einen bemerkenswerten Auftritt und erreicht, dass die Klatschmohnbienen eine Chance bekommen sollen bei den Honigspielen.

Sie durften bis anhin nie mitmachen. Sollten sie siegen, wird die Kaiserin auf den Honig verzichten. Das ist ein riskantes Spiel für die unerfahrene Klatschmohntruppe, aber Maja und Willy schließen sich weitere lustige Figuren aus dem Klatschmohnfeld an.

Die Wettkämpfe erfolgen nach der Regel, dass immer das schlechteste Team ausscheidet und die anderen in die nächste Runde kommen. Das ist ein einfaches Prinzip, verlangt vom Film auch nicht zuviel Tiefgang und spielt in einer vor Farben sprühenden Kulisse, die teils an römische Monumentalität, teils an Jugendstil mit seinen dekorativen Windungen erinnert. Wobei die gezeichneten Tiere wie eine mollige Form von Zinnfigürchen wirken, die Bienen sogar mit Haarkleid.

Das Thema Fairness wird anhand von Violet, der Tochter des Hofmarschalls, virulent. Sie ist eine violettperückige Betrügerin, für Tricks und Listen zu haben. Trotzdem werden Maja und ihre Leute sie retten, wie sie sich bei einer unerlaubten Abkürzung in einem Spinnennetz verfängt. Dieses Moralthema wird auch abgehandelt werden. Wobei Maja alle Schuld für ihre eigenen Verfehlungen auf sich nimmt und sich artig bei der Kaiserin entschuldigt. Ihre Fairness wird sich auszahlen.

Das schweigende Klassenzimmer

Kein Votum für passiven Widerstand.

Immerhin ist das Verdienst dieses Filmes von Lars Kraume nach dem Buch von Dietrich Garstka, das Thema passiver Widerstand in szenischer Dichte anhand einer Begebenheit in der DDR noch vor dem Mauerbau zum Reflektieren vorzulegen. Möglicherweise mit der deprimierenden Erkenntnis eines weiteren Beweises dafür, dass der Boden für Revolutionen auf deutschem Boden nicht fruchtbar sei.

Mit einer Schar talentierter junger Schauspieler, allen voran Leonard Scheicher als Theo und Tom Gramenz als Kurt, die er auch ausgezeichnet führt, greift Lars Kraume eine kleine Begebenheit aus einem Gymnasium in Stalinstadt anno 1956 auf.

Als spontane Aktion auf den Ungarnaufstand und dessen blutige Niederschlagung entschließt sich eine Klasse für zwei spontane Schweigeminuten. Alle machen mit. Keiner sagt ein Wort. Innert dieser zwei Minuten erhitzt sich der Lehrer zur Weißglut – so wirksam kann passiver Widerstand sein – und bevor er zornentbrannt das Zimmer verlässt, bricht Erik (Jonas Dassler) das Schweigen und klärt auf mit dem Satz, es handel sich um eine Protestaktion.

Die Geschichte von der Schweigeminute nimmt ihren Weg wie eine Lawine. Vom Klassenzimmer zum Rektor, von diesem zur Kreisschulrätin und von da bis zum Volksbildungsminister.

Wenig Zeit nimmt sich der Film zum Aufspüren allfälliger verunsichernder Wirksamkeit der Aktion auf der Hierarchie- und Bürokratieseite.

Viel Zeit dagegen nimmt sich der Film für die Schilderung der repressiven und Sippenhaftmaßnahmen, die offenbar wie mechanisch (tote Mechanik) zu greifen anfangen: Einzelverhöre, Behauptung eines zu findenden Rädelsführers, Erpressung Einzelner, Versuche, die Gruppe zu verunsichern und auseinanderzudividieren mit dem Vorgaukeln nicht abgegebener Geständnisse, Hineinziehen der Familien der Schüler, Drohung, von der Schule zu fliegen und auch Familiengeheimnisse öffentlich zu machen – alle diese primitiven Herrschafts- und Druckmittel – und die entsprechenden Diskussionen unter den Erpressten, ob lügen, ob schweigen, ob auspacken, ob denunzieren, ob Verrat üben. Repressionsbrevier.

Zur bannenden Atmosphäre tragen Kostüm und Ausstattung bei – und das Licht, das diese besonders schön ausstellt, fast wie im Museum. So viel ärmellose Strickwesten akkurat angezogen, Strickschals – so erweckt der Film teils selbst diese Akkuratesse und ein Hauch Erinnerung an die beachtliche DDR-Filmkultur. Aber dass bei jeder Szene auf der Straße just ein bis zwei Autos vorbeifahren scheint mir ein kleines Too Much zuviel.

Game Night

Spiel und Einsamkeit.

Vielleicht sind Spiele etwas für (tiefdrinnen) einsame Menschen. Begriffe raten, Scharaden, Aufgaben bewältigen, Figuren über die Runde bringen, das schafft ein Gemeinschaftserlebnis, das schweißt zusammen, das verlangt einen gemeinsamen Fokus auf etwas Drittes, auf das Spiel und seine Regeln.

Die einsame Schlüsselfigur in diesem Film von John Francis Daley und Jonathan Goldstein nach dem Drehbuch von Mark Perez ist Polizist Gary (Jesse Plemons). Er steht wie ein Symbol für die Einsamkeit in Person zwischen den Rabatten vor seinem Haus, den weißen Pudel auf dem Arm in dieser sozial freundlich gebauten Einfamilienhaussiedlung mit Cul-de-Sac als U-Turn in der Mitte.

Gary spricht traurig seine Nachbarn an. Das ist das Ehepaar Annie (Rachel McAdams) und Max (Jason Bateman) – bei denen funktioniert es mit dem Kinderzeugen nicht so richtig; vielleicht auch deshalb spielen sie. Er möchte mit ihnen spielen. Die sind aber dauernd unterwegs, beim Spielen, aber ohne ihn. Sie wimmeln ihn ab. Wie sie nach Hause kommen, fragt er wieder. Sie winden sich, sie lügen, sie wollen einen Abend allein zuhause verbringen.

Zwischenbemerkung: Für diesen Film mit Dauerdialog- und Pointengeplätscher wie in einer Sitcom ist es elementar, aus kleinen Begebenheiten, Problemchens, Sachverhalten eine große Nummer zu machen unter dem Leitmotiv des Klamauks.

Max bittet seine Mitspieler, sie sollen sich am Abend unauffällig bei ihm einfinden, nicht über den Haupteingang, den der einsame Nachbar Gary überschaut und beobachtet. Es wird handfester Klamauk draus, wie die Gäste Unauffälligkeit üben. Unauffällig gleich knallkomisch. Hier taucht der nicht ganz gelungene Bruder von Max, Brooks (Kyle Chandler) auf, just nicht unauffällig, so dass die Spielerei für Gary aufzufliegen droht.

Brooks lädt die Clique zu einem ganz besonderen Spiel ein. Der dramaturgische Gag hierbei wird sein, dass Spiel und Wirklichkeit nicht mehr auseinanderzuhalten sind, verwischt werden; es gibt Realitäts-Erkennungsprobleme, was zu weiterem und ordentlich dargebotenem Klamauk und für Gary zu einem wichtigen (erlösenden?) Auftritt führt.

Innerhalb der Dialoge bestehen viele Pointen aus Verweisen auf prominente Namen aus dem Film- und Showbusiness und so mit Wiederekennungswert verbunden und deshalb für Lacher gut. Das scheint ein bewährtes Prinzip in so einem Zusammenhang, beispielsweise den Namen Denzel Washington ins Spiel zu bringen, um im Zuschauer eine Lachreaktion auszulösen – damit er zu verstehen geben kann, dass ihm der Name etwas sagt?

Der Film macht aber auch deutlich, dass es wohl doch gravierende Unterschiede zwischen Kinoplot und Spieleplot gibt; dass ein Film, der sich ein Spiel zum Inhalt nimmt, nicht unbedingt identisch mit einem spannenden Film gleichzusetzen sei, den Gemeinschaftshungrigen aber Erleichterungs- oder Kompensationsmöglichkeiten im Sinne des Ablachens bietet.

Call me by your Name

Luxusliebe griechisch-römisch.

Wenn es nach den Fotos unter den Titeln geht, es sind Fotos von römischen und griechischen, männlichen Büsten und Torsi, illustriert dieser Film von Luca Guadagnino (A Bigger Splash) nach dem Drehbuch von James Ivory nach dem Roman von André Aciman eine besonders exklusive Liebe, die zu erleben nicht allen Männern vergönnt ist, wie der Vater des Protagonisten Elio (Timothée Chalamet) in einer Nachbesprechung zu Elios Erleben dieses Sommers zu verstehen gibt. Papa war das nicht vergönnt gewesen.

Italien, Sommer, ein Palazzo mit Park, eine Archäologenfamilie, Papa, Mama, Sohn Elio, Bedienstete. Hier ist gut sein.

Für einige Wochen ist ein Gast angesagt: Oliver (Arnie Hammer), ein amerikanischer Nachwuchsgelehrter. Er soll sich an Forschungen beteiligen und bei der Familie wohnen. Elio ist eh fad im Sommer. Und schon vor der Ankunft des Gastes dürften die Fantasien von Elio heiß gelaufen sein. Oliver wird in seinem Zimmer wohnen, Elio zieht eins weiter, das gemeinsame Bad und Toilette verbindet die beiden Zimmer.

Räumlich kommen sich die beiden so schon nicht aus. Oliver will gleich am ersten Tag in der Stadt etwas erledigen. Elio soll ihn als Ortskundiger mit dem Fahrrad begleiten. Beim ersten Kaffee sitzen sich die beiden gegenüber. Oliver macht eine eindeutige Berührung seiner leicht gewölbten Shorts an der Stelle des Geschlechts, wie beiläufig, aber geführt, Elio antwortet etwas verhuschter.

Die Signale sind vom ersten Moment an klar. Aber es gibt auch eine Hemmung auf beiden Seiten, vor dem was möglich wäre an Einmaligkeit an sensationeller Liebe, auch die Skrupel des Älteren dem Jüngeren gegenüber, den jener auf gar keinen Fall in was reinziehen oder verletzen möchte; es ist auch definitiv kein Film über die Ehe für alle.

Die beiden vertrödeln kostbare Tage mit Zögern, mit Zeichen und Missverstehen, mit Ignorieren oder als Fluchtmanöver wendet sich Elio einem Mädchen aus dem Dorfe zu. Letztlich geht es leer aus.

Die Eltern beobachten mit Wohlwollen die Chemie zwischen Oliver und Elio, die nicht zu verbergende gegenseitige Attraktion. Kurz vor seiner Abreise an den Gardasee passiert es dann. Und mit dem Segen der Eltern begleitet Elio Oliver für jene zwei Wochen.

Sie fahren in einem ruckeligen Bus aus den frühen Achzigern des letzten Jahrhunderts, wo der Film spielt, los. Zwei Wochen Einmaligkeit, erotische Ekstase am Gardasee. Glück pur. Sensation pur.

Guadagnino erzählt das ohne Schwülstigkeit. Die ist allein schon durch die Besetzung der beiden Protagonisten nicht gegeben, die sich an der Männerschönheit griechisch-römischer Büsten und Skulpturen orientiert und die Darsteller entsprechend agieren lässt.

Kino al dente und best handycraft, Luxusgut vom Feinsten. Für geistigen Background bedient sich der Film bei Heraklit und Heidegger (die Entitäten) oder es gibt einen feinen Dialog zwischen Elio und Olvier darüber, wie Bach gespielt werden könne (Elio spielt Klavier) aber auch über Bunuel wird heftig diskutiert. Und hocherotische Verwendung eines Pfirsichs…