Bereits der vierte Film innert weniger Monate zum Weltkriegsthema aus England und der zweite über Churchill.
Dieser von Joe Wright (Anna Karenina, Wer ist Hanna) ist der konventionellste, staatstragendste von allen, der sich am Genauesten an Fakten orientiert, besonders an den Reden Churchills und diese auch schauspielerisch als rhethorische Kabinettstückchen von Gary Oldman vortragen lässt.
Der Film beschränkt sich auf den kurzen Ausschnitt vom Vorabend der Wahl von Churchill zum Premierminister, vom 10. Mai, bis zum 4. Juni 1940. Inhaltlich dominiert der Konflikt, ob mit Hitler über die Vermittlung Italiens Friedensverhandlungen aufgenommen werden sollen.
In seiner Rede an die Außenpolitiker wird Churchill das ablehnen. Er führt Begegnungen mit britischen Bürgern in der U-Bahn zur Begründung an – diese werden ausführlich geschildert. Er betreibt direkte Feldforschung statt sich auf bürokratische Meinungsumfragen zu verlassen; das würde auch heute manchem Politiker gut anstehen.
Oldman als Erzkomödiant lässt sich das Futter, das diese historische Figur abgibt, nicht aus der Hand nehmen, serviert ein Bonmot nach dem anderen, ein alkoholisches Getränk nach dem anderen, eine Zigarre nach der anderen, so wie wir uns den Churchill immer schon vorgestellt haben und nicht wie er im Film Churchill von Jonathan Teplitzky dargestellt wurde als ein Mann am Rande der Demenz und Handlungsunfähigkeit und der unter enormen Gewissenkonflikten leidet wegen der Schuld am Tod von 100′ 000 Soldaten in der Schlacht von Gallipoli und der nur gegen größten inneren Widerstand die Invasion der Normandie befürwortet.
Joe Wright liebt die Palastschilderung, das Pompöse, den Mäuschenblick in die Räume der Macht, auch in die geheime, unterirdische Kommandozentrale, fast sieht es aus wie eine lebendige Museumsführung durch diese historisch wichtigen Räume.
Joe Wright liebt Massenszenen im Parlament, in denen es hoch zu und her geht, in denen das Einstecktuch des Parteiführers eine entscheidende Rolle spielt, wenn es darum geht, ob die Partei zu einer Rede von Churchill applaudieren soll oder nicht. Nach der ersten Rede tut sie es nicht. Dann bei der finalen Rede im Film kennt der befürwortende Tumult keine Grenzen, das wird bedeutungsvoll inszeniert, wie die ganze Musik, wie jeder Redebeginn, ja überhaupt Begegnungen: erst anschauen, nachdenken und dann reden oder ab durchs Spalier im Blätterregen der begeisterten Abgeordneten.
Über die Evakuierung von Dünkirchen gab es letztes Jahr bereits den Film von Christopher Nolan Dunkirk der einen extrem künstlerischen Zugriff wagte, die Ästhetik schöner junger Männer vor Kriegshintergrund.
Dieser Film von Joe Wright bringt viele Hintergrunddetails über die Vorbereitung dieser Rettungsaktion, vor allem auch über das Bauernopfer Calais, was Churchill dafür in Kauf nimmt.
Durch den staatstragenden Zugriff von Wright haben allerdings Nebenfiguren wie die Frau von Churchill (Kristin Scott Thomas) oder seine Sekretärin Elizabeth Layton (Lily James) oder auch König George VI (Ben Mendelsohn) wenig Profilierungsmöglichkeiten, sie sind durch ihre Funktion um das Machttier Churchill gebändigt, eingeschränkt.
Der vierte Film zu dem Themenbereich stammt von der Dänin Lone Scherfig Ihre beste Stunde. Sie guckt der britischen Propagandaindustrie ins Atelier und verbindet das mit einer Liebeserklärung ans Kino.
Für den Schulunterricht eignet sich sicher der vorliegende Film am ehesten. Aber alle drei geben ein facettenreiches Bild, wie heute solch ein Thema unterschiedlichst und auf höchstem Niveau behandelt werden kann.
Einen weiteren Seiteneinblick zu dem Thema kam vom Kontinent: Auf Ediths Spuren gibt Einblicke in die kommunistische Spionagetätigkeit und die Unterwanderung des britischen M5.
Wrights Film ist von diesen allen sicher auch der für das breiteste Publikum geeignetste, spart Komisches wie die Story vom Victory-Zeichen nicht aus oder kümmert sich rührend um das Risiko der ersten Rede von Churchill, die er live über das Radio an die Nation hält.
Bleibt auch vom Drehbuch her gut konsumierbar und verständlich; ein Film, wie man im Theater sagen würde, für die letzte Reihe, also auch der letzte müsste ihn verstehen, wie sowieso die theatrale Dramatik nicht zu kurz kommt, die Musik trägt das ihre dazu bei.