Gernstl unterwegs – Wo sind die Bayern? (BR, Montag, 25. Dezember 2017, 18.45 Uhr)

Hier hinkt das Fernsehen nur noch hinter der modernen Zeit hinterher. Gernstl fängt gleich mit einem Selfie an wie Millionen Menschen inzwischen selber und direkt und persönlich ins Internet posten. Damit verweist er seinen Film dorthin, wo er hin gehört: ins Internet, auf Youtube oder dergleichen. Und da kann er dann schauen, ob Leute sich überhaupt dafür interessieren bei den vielen Rom-Beiträgen und vor allem, ob irgend jemand überhaupt bereit wäre, dafür auch nur einen Cent locker zu machen. (Dass es sich hierbei um subventionswürdige Medienkunst handelt, wird wohl niemand zu behaupten wagen; allenfalls fürs Museum „Fehlentwicklungen öffentlich-rechtlichen Fernsehens“). Wer interessiert sich für die Rentnerreisen von Herrn Gernstl, die dieser sich auf Kosten der Zwangsgebührenzahler leistet? Einkommensschwachere Rentner mit minimalen Renten müssen sogar auf einen Kaffee, gar auf Elementares wie Medikamente verzichten zur Finanzierung von Herrn Gernstls Austragsreisen. Das ist Armenausbeutung. Das grenzt in manchen Fällen an Mundraub.

Solche Sendungen sind in einem nach einem Unrechtsgesetz zwangsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk in keiner Weise mehr zu rechtfertigen. So besehen wird so eine Sendung zum Missbrauch des Gemeinschaftswerkes öffentlich-rechtlicher Rundfunk, eine künstlich am Leben erhaltene Mumie von Sendung.

Es ist nicht mehr zu rechtfertigen, dass einkommensschwache Menschen, die nicht HartzIV- oder Grundsicherungsempfänger sind, auf elementare Dinge im Leben verzichten müssen, damit ein wohlbestallter, sehr wohlbestallter Herr Gernstl auf deren Kosten fein nach Rom reist, fein im Hotel unterkommt und sich von seinen Interviewpartnern noch Essen oder Getränke offerieren lässt. Das nagt an den Grundfesten der Demokratie. Das heißt, den Demokratiegedanken mit Füßen treten. Und so wird aus dem Herrn Gernstl plötzlich ein scheinheiliger, habgieriger, pfründenklammernder, skrupelloser, zynischer Geschäftemacher.

Immerhin, ein klein Bisschen hat Gernstl seit seiner Kalifornien-Reise gelernt, die schlimmsten Auswüchse des Sich-Bewirten- und Einladenlassens sind gekappt, nur noch einmal anstoßen und einmal essen – dafür allerdings 3-Sterneküche; der Ausfall muss kompensiert werden! – und das muss er sich auch noch schwer mit langem Zuhören und Zuschauen beim Probieren des Sternekoches erarbeiten; dass es ihm sichtlich schwer fällt, zeigen seine unkontrollierten Mundbewegungen derweil; ein Zucken und Zusammenkneifen der Lippen, die leicht als die Haltung einer beleidigten TV-Majestät gelesen werden können.

Als erstes hat er einen langweiligen Interviewpartner vom Kapitol. Ein Bibliotheksdirektor der Max Planck-Gesellschaft. Und dann wieder Prost. Dachterrassen sind begehrt in Rom.

Dann eine Österreicherin, die ein römisches Liebeslied singt. Was hat das mit dem Titel der Sendung, „Wo sind die Bayern“, zu tun? Auch das eine wenig ergiebige Begegnung. Viel Blabla. Und Gernstl lacht verkniffen über seinen eigenen Kommentar. Aber sie singt schön.

Ein Fremdenführer auf dem Segway, Arthur. Lobt die Vorteile des mangelnden staatlichen Sozialsystems in Italien, das ein privates, soziales Netz nötig macht.

Dann ein langer Werbeeinschub für das 3-Sterne-Lokal von Heinz Beck. Gernstl bekommt erst nichts. Endlich: Küchenbesichtigung. Dann greift er schnell und ungebeten schon mal zu; wie einer der es nicht erwarten kann. Und erst nach minutenlanger Gratiswerbung für den Sternekoch bekommt Gernstl endlich ganz offiziell aufgetischt und füttert auch noch den Tonmann.

Das ist wirklich interessant und schmerzhaft zugleich, zu beobachten, wie eine einst aufregende Journalismusidee sich vor unseren Augen korrumpiert, wie Gernstl es, siehe die Kalifornien-Folge, inzwischen für ganz selbstverständlich hält, dass man ihm Essen und Getränke offeriert, was mit journalistischen Qualitäten nur in den seltensten Fälllen kongruent läuft.

Werbung für einen Friseurladen. Hier lässt sich Gernstl rasieren. Was hat der mit Bayern zu tun?

Die einzig spannende Figur ist der Abt der Benediktiner aus Bayern. Aber für so eine intellektuelle Persönlichkeit ist die Gernstl-Ausbeute allzu bescheiden; über so eine Figur sollten ernsthafte Lebenslinien gemacht werden. Und nicht nur an der Oberfläche rumgetippt. Der Abt darf Werbung für seinen Bestseller machen und den automatischen Staubsauger loben; den gab es vom Meilenkonto der Lufthansa. Was machen die BR-Reisenden mit ihren Meilenkonten?

Der Böhmerwald – Eine Wildnis mitten in Europa (BR, Montag, 25. Dezember 2017, 17.45 Uhr)

Dieser 45-minütige Böhmerwald von Lisa Eder-Held unter den redaktionellen Auspizien von Ulrich Gambke (BR) und Ralf Quibeldey (ND) ist infomäßig dünn besiedelt. Diätmenü nach weihnachtlichen Festtagsessen. Es besteht – ineinanderverschlungen wie ein Weihnachtszopf – aus konstant zu früh abgebrochenen Drohnenaufnahmen, den Luchsen Luna und ihrer Tochter Lea, einem deutschen und einer italienischen Luchsforscherin, einer Glasmanufakturschülerin aus der Ukraine, einer einsamen, deutschen Bäuerin, die zur Zeit des Kommunismus tschechisch reden musste, mit einem Sohn mit Traktor, einer Tochter, die hilft und biologisch-schottischen Hochlandrindern, einem Polaroid-Fotografen, einem Heimatverbtriebenen, der heute noch nicht die Vertreibung der Deutschen aus Tschechien nachvollziehen kann und angesichts dieser Ungerechtigkeit immer noch fassungslos ist, einem Moorsee (mit Leichen drin?), einigen Touristen.

Ein TV-Fastensüppchen, gewürzt mit einer faden Sprecherstimme, die alles für bare Münze nimmt.

Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers!