Dieses bescheuerte Herz

Elyas M’Barek als Lenny und Philip Schwarz als 15-jähriger David sind das Pfund, mit dem dieser Film wuchern kann. Sie bringen den „Mann-schaust-Du-Scheiße-aus-Humor“ des Drehbuches von Maggie Peren und Andi Rogenhagen unbehindert von Marc Rothemunds Regie rüber.

Dem Drehbuch kann man ferner zugute halten, dass es eine gewisse Grundstabilität dadurch hat, dass es „nach einer wahren Geschichte“ ist. Diese hat Lars Amend mit Daniel Meyer selbst erlebt, aufgeschrieben und als Buch veröffentlicht.

Die Geschichte vom verwöhnten Arztsohn, der seinen sauteuren Sportwagen im Pool der Villa seiner Vaters versenkt, nachdem er betrunken aus dem P1 durch das Wohlstandsquartier von München gebrettert ist.

Der Film strotzt nur so von krasser Produktwerbung, dass man ihn umöglich am Fernsehen zeigen darf.

Lenny ist der verwöhnte Sohn, der nichts taugt. Sein Vater (Uwe Preuss, der sicher ein hervorragender Synchronsprecher ist) ist ein erfolgreicher Chefarzt mit 18-Stunden-Tag. Aber Sohnemann bringt nichts zu Ende, macht lieber Party, so dass das deutsche Kino auch diesen Bereich, den es so liebt, weil da am wenigstens auffällt, ob einer was kann oder nicht, abgedeckt bekommt.

Vater hat einen herzkranken Patienten. Das ist David, 15, bald 16, der mit einer molligen Mutter (Nadine Wrietz) in einem Hochhaus zusammenlebt – warum die so mollig sein muss, wissen nur der Herrgott und einige menschliche Klischeefabrikanten. Der Bub hat nicht mehr lange zu leben nach Ansicht der Schulmedizin.

Der Chefarzt verdonnert Sohnemann, sich um diesen Patienten zu kümmern, sonst wird der Geldhahn zugedreht. Hier haperts in der Erzählung allerdings schon gewaltig, denn es läuft sowas von auf Absehbares hinaus, wie es denn auch kommt.

Das Problem scheint mir, dass das Drehbuchautorenpaar es sich zu einfach gemacht hat. Küchentischdrehbuchschreiberei nenne ich das. Man nimmt sich den Roman vor, legt ihn auf den Küchentisch, geht ihn Seite um Seite durch und untersucht diese auf Drehbuchverwertbarkeit, striegelt die Dialoge in der erwähnten „Mann-schaust-du-Scheiße-aus-Humor“-Manier – und fertig ist das Skript.

Dabei wird vollkommen vergessen, den Charakter vor allem der Hauptfigur Lenny zu untersuchen. Der ist nicht aus Jux und Laune so, der ist nicht so geworden, nur um Drehbuchfutter zu werden. Der hat enorme Konflikte mit dem Vater, mit dem Erfolg des Vaters, mit dem vielen Geld, mit der Erwartungshaltung des Vaters und den eigenen, unausgelebten oder nicht geförderten Talenten. Das macht sein Erscheinungsbild, seinen Habitus aus. Sollte ihn ausmachen.

Dazu reicht es allerdings nicht aus, M’Barek im Film mit dem inzwischen aus der Werbung bereits verbrauchten breiten Lachen am Steuer oder in der Disco zu zeigen. Das erzählt gerade gar nichts über die Konfliktdisposition von ihm, über sein Grundproblem.

Diese Angst vor Konflikten (oder die Unfähigkeit, diese zu analysieren und spannungserzeugend in ein Drehbuch einzubauen) und diese Sehnsucht nach Gefühl führen dazu, dass ein Film rauskommt wie in der Käseglocke der 50er Jahre: viel Gefühl und null Konflikt, stattdessen „Mann-wie-schaust-Du-Scheiße-aus“-Humor. Das ist Kitsch. Drücken auf die Gefühlstube.

Das begrenzt den Wirkraum des Filmes auf Deutschland. Das beraubt das Thema jener Größe, die es als Weltkinostoff hergibt. Aber offenbar leben alle gut damit, allein M’Barek ist sicher für mehrere Hunderttausend Besucher gut; viel zum Kichern gibt es auch, vor allem für Frauen. Warum mehr wollen, wenn man mit so einem kleinen Humor-Prinzip auch über die Runden kommt?

Für Elyas M‘ Barek tut es mir allerdings leid. Der sollte dringend gute Drehbücher bekommen mit anspruchsvollen Rollen, mit Rollen mit ernsten Konflikten und mit Regisseuren, die das auch sehen und verlangen. Nur so kann er sein Talent und seine Bekanntheit weiter ausbauen.

Aber wahrscheinlich geht es ihm wie den meisten Subventionsstars des Deutschen Kinos, sein Talent wird sich schnell verspielen. Als Name ist er gut im Geschäft und kann für den Rest des Lebens davon zehren; schlimmstenfalls muss er später auf Theatertournee gehen. Da ist es völlig wurscht, was er spielt.

Hier agiert er in einem Sterbehospiz-Feelgood-Movie. Dabei wendet er just jene Plakat- und U-Bahn-populäre Lache an, die man aus seiner Werbung für eine Limo kennt. Auch die Limo kommt vor im Film. Allerdings ist hier der Name verdeckt. Geschickte Werbestrategie, die das Gehrin des Zuschauers aktivieren soll und noch konform mit den Regeln für Produktwerbung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk geht.

Dadurch, dass auf Konfliktanalyse und deren Ernstnehmen verzichtet wird, die Filmemacher mithin wenig zu erzählen haben, ziehen sich die anderthalb Stunden doch arg, so ergeben sich Tempo- und Rhythmusprobleme, auch die To-do-Liste des Jungen, was er vor seinem Tod noch alles erleben möchte, ist in diesem dramaturgisch schwachen Zusammenhang wenig hilfreich.

Der übrige Cast scheint wieder typisch nach dem One-Click-Prinzip zusammengestellt. Die Filmemacher sollten sich, falls sie noch den Ehrgeiz haben, zu lernen, unbedingt Paddington 2 anschauen. Auch eine recht konventionelle Geschichte, aber sowas von brillant erzählt, dass man alles um sich herum vergisst.

Mangels klarer Rollenanalyse greift M’Barek auf Rikki-Müller aus den Fack-Ju-Göhte-Reihe zurück, speziell mit den unkorrekten Vorschlägen für seinen Schützling, das ist Rollenüberschneidung.

Fette Produktwerbungen: die Limo (ohne Namen), Fleurop, Audi, Charles-Hotel, P1,

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