Burg Schreckenstein II – Küssen (nicht) verboten

Wenn Fack Ju Goehte 3, der im Kino gerade auf Rekordjagd ist, wie ein politisch inkorrekter Schnappschuss eines Teils bundesrepublikanischer Bildungsrealität gesehen werden kann, so muss Ralf Huettners Burg Schreckenstein 2 nach dem Drehbuch von Christian Limmer (Gags: Simon Hauschild) als ein schwerer, pädagogisch und auch bildnerisch, inszenatorisch und musikalisch mit breitem Pinsel zubereiteter Ölschinken gelten, der aus einer elitären bundesrepublikanischen Bildungsrealität mit schrill dargestellten Lehrern politisch hochkorrekt Müsterchen aus den Schlossinternaten Rosenfels und Schreckenstein erzählt, die idyllisch an einem See gelegen sind.

In Rosenfels werden nur Mädchen unterrichtet und standesgemäß erzogen, in Schreckenstein nur Jungs; so war das schon im ersten Teil von Burg Schreckenstein.

Die Spannung im Film wird einerseits durch die Anziehung bei gleichzeitiger Abstoßung von Mädchen und Jungs in diesem frühpubertären Alter (einmal wird ernsthaft das Küssen diskutiert) erzeugt. Und dadurch, dass zwischen den Internaten eine Rivalität besteht. Diese wird gleich anfangs bei einem sportlichen Wettkampf gezeigt. Wobei die Mannschaften alles andere als nach fairen sportiven Regeln handeln.

Parallel stürzt der Zeppelin von Graf Schreckenstein ab. Das führt zum ganz einfachen und klar herausgearbeiteten Plot: durch den Absturz wird offenbar, dass Schreckenstein verschuldet ist. Chinesische Investoren wollen das Schloss kaufen, um es in einem Themenpark in China wieder aufzubauen, eine nicht ganz abwegige Idee.

Die Aussicht auf Verlust ihrers Internats schweißt die Kids mit ihren Schulen und auch die Mädels mit den Jungs zusammen, weil sie doch ohne die anderen nicht können. Das lässt sie nach einem verborgenen Schatz suchen, der eine Überraschung ist, einem Schatz, der sehr viel wert sei, womit sich die Schulden begleichen lassen.

Größer ist die Überraschung, wie am Ende die Chinesen sofort wissen, was es mit diesem Schatz auf sich hat und offenbar jeden Preis dafür zu bezahlen bereit sind, so dass Schloss und Internat und Rivalität und Anziehung und Abstoßung gerettet werden.

Es ist ein massives Oelgemälde, was Ralf Huettner nach dem Buch von Christian Limmer und dem eigens engagierten Gagschreiber Simon Hauschild herausgearbeitet hat. Alles ist eindeutig und der Kern der Szenen ist klar herauspräpariert, die Figuren gut geschminkt, angezogen und beleuchtet, eindeutig in ihren Handlungen und der Textreproduktion.

Die Inszenierung lässt die verschiedenen Jungs und Mädels als gut zu unterscheidende Charaktere zur Geltung kommen. Gags und Pointen sind ordentlich gesetzt. Allerdings ist eine gewisse Diskrepanz zwischen Inhalt und Form, zwischen Bild und Gehalt, zwischen Story und Musik unübersehbar. Das sorgt für dieses ölgemldehaft Pompöse. Was vielleicht zur Charakterisierung solcher Lehrinstitute nicht überaus falsch ist und damit eine gewisse Skepsis gegenüber der Zeitgemäßheit dieser Institute formuliert.

A Ghost Story

Nietzsche ist ein Referenzpunkt in dieser fotografisch schönen Kunstinstallation mit Gespenst.

Die Frage bleibt offen, welche These von Nietzsche illustriert werden soll, diejenige vom Gott, der tot ist oder diejenige von der ewigen Wiederkehr des Gleichen.

Zwischendrin wird existentialistisch philosophiert über das All und die Teilchen und über das Sein zum Tode. Beethoven ist ein weiterer Referenzpunkt.

Der anfängliche Eindruck dieses Filmes von David Lowery ist ein Echo auf Bela Tarr, wie er sich Zeit lässt für Stimmungen. Vorneweg wird Virgina Wolf zitiert, dass immer nachts, wenn sie aufwache, irgendwo eine Tür zuschlage.

Belatarrhaft ist die Länge von Einstellungen, das Wenige was passiert. Ein junges Heteropaar lebt in einem Bungalow ohne direkte Nachbarn. Ein paar Sachen räumen die aus. Sie zieht eine schwere Kiste um die 100 Meter vom Haus über einen schmalen Trampelpfad und dann übers Gras, obwohl direkt neben dem Haus ein Auto steht. Eine lange Einstellung.

Später, wenn ihr Freund gestorben ist, bereitet sie eine Art Müsli in einer ausladenden Schüssel. Sie wird in einer ungeschnittenen Szene den Inhalt beinah aufessen, zuerst im Stehen, dann auf dem Boden an ein Möbel gelehnt sitzend.

Auffällig ist auch das Bildformat, das dem Film liebhaberische Qualität zueignet, dieses quadratische Format, was an Super-8 erinnert und daneben Platz für ein breiteres Format offen lässt, dieses aber nicht nutzt. Die Leinwand als Rähmchen für den Film.

Das Paar liebt sich, kuschelige Nähe, Intimität, Wohligkeit, Vertrauen, Sicherheit. Nur die Musik, die suggeriert Gefahr. Aber das Paar liegt nebeneinander, bildfüllend im Bett, keine heftige Sexaktivität, nur zärtliche Nähe der Gesichter und ein Kuss, auch der mehr symbolisch. Lowery lässt die Szene so lange stehen, dass man etwas ungeduldig wird und denkt, jetzt wäre es an der Zeit für eine Veränderung.

Erst nach strapaziösem Überziehen der Geduld gibt es einen Schnitt. Man kann es ruhig verraten, da das Haupttopos des Filmes offenbar entweder der Versuch der Erklärung des Unerklärlichen per Bild oder die Erklärung des Offensichtlichen per Bild oder die Erklärung des Okkulten per Bild ist: es wird eine Bildinstallation, in der immer ein ganz simples Leintuchgespenst mit zwei dicken Löchern um die Augen und ohne Augen dahinter zu sehen ist in den Räumen des Paares, weit über dessen Zeit hinaus über jede Menge Nachmieter bis die Schleife sich vollendet.

Es gibt unkonventionellerweise eine Erklärung für das Gespenst. Nach dem Schnitt ist der Mann tot, liegt in der Pathologie. Zugedeckt mit einem weißen Laken. Die Freundin nimmt Abschied. Sie verlässt den Raum. Und dann – nach einiger Zeit – belebt sich die zugedeckte Leiche, eine undankbare Rolle für einen Schauspieler, setzt sich auf, steht auf, geht in den Raum.

Es gibt einen symbolischen Akt, der nichts erklärt. Die Frau hinterlässt einen Zettel und steckt ihn in die Ritze eines Mauerstückes. Immer wieder wird das Gespenst an diesem Mauerstück kratzen über die lange Zeitstrecke, die der Film zurücklegt, mit wechselnden Bewohnern und Veränderungen des Hauses. Kratzen am Geheimnis? Die Auflösung ist wenig geheimnisvoll.

Viel Geschmack in Bildgestaltung. Viele oder gar keine Rätsel der Interpretation.
Paarintimität, Gefahrenmusik. Oder der Versuch der Bebilderung eines ewigen Stillstandes. Akademelei, akademische Spielerei. Akademelnde Spielerei.
Das Leben ist zum Tode da, die Kinder sind zum Tode da.