Bildbehauptung und Bedeutung.
Man kann die Kamera vor eine Ackerlandschaft stellen. Ruhig. Man kann einen Bus auf einer nicht zu sehenden Straße von links ins Bild fahren lassen. Mann kann ihn mitten auf dem Acker zu Anhalten bringen, ihn einige Sekunden so stehen und den Zuschauer überlegen lassen, dass jetzt wohl jemand aussteigt, dann den Bus weiter- und aus dem Bild fahren lassen. Mann kann dann mit der Kamera ganz nah an die Straße rangehen über den Acker, das muss der Zuschauer sich als Vorgang zwischen den Bildern des ersten Schnittes denken.
Dann macht man die Kamera wieder an. Sie ist auf den Mann gerichtet, der ganz offensichtlich aus dem Bus ausgestiegen ist und der einen Koffer in der Hand hält, einen merkwürdig rechteckig und irgendwie von der Requisite auf alt gemachten Koffer. Wenn Dinge so ins Bild einer ruhigen Kamera gesetzt und da stehengelassen werden, so werden sie mit Bedeutung aufgeladen. Der Zuschauer muss sich damit auseinandersetzen. Aha, hier ist ein Mann mit einem Koffer angekommen. Er schaut sich um. Er setzt sich in Bewegung. Schnitt.
Jetzt steht er, wieder voller Bedeutung, vor der Tür eines niedrigen Gebäudes wie einem Schuppen. Er betritt ihn. Es ist eine Art auf alt gemachter Kramerladen. Überfüllt mit Dingen. Von der Decke hängen nicht näher definierbare Packungen in Tüchern herab. Sie könnten die Assoziation zu Gehirnlappen hervorrufen. Alles hat eine Bedeutung, so wie es ins Bild gerückt ist. Auch die alte Frau, die im Laden sitzt. Der Mann wil eine kleine Plastkiflasche mit Mineralwaser kaufen.
Die Frau ist jetzt groß im Bild, sie sitzt, sie sagt, er könne die so haben, denn wenn der Laden leer sei, dann sterbe sie. Alles ist voller Bedeutung. Jedes Bild des japanischen Filmemachers Sabu. Das beherrscht er perfekt, Bilder so aufzuladen durch das Stehenlassen, durch das Geschehenlassen von Vorgängen. Kein Kurzschriftkino.
Jetzt beginnt so etwas wie Handlung. Der Mann kommt zurück, packt seinen Koffer aus, der Glückshelm, der für das titelgebende Glück gedacht ist, kommt zum Vorschein. Es ist ein Helm, aus dem wie die Stacheln eines Igels Schrauben rausschauen in beachtlicher Zahl, die oben aussehen wie die Tasten alter, mechanischer Schreibmaschinen. Bei Sabu hat alles immer eine Bedeutung. Er erweckt nie den Eindruck von Beliebigkeit.
Durch das Drücken der Tasten bei aufgesetztem Helm kann der Träger sich an Glücksmomente erinnern. Mit dieser Behauptung setzt Sabu offenbar voraus, dass der Mensch ohne Helm das nicht könne, dass der Mensch in dem Provinznest zumindest, in dem er filmt, geschichts- und erinnerungslos in den Tag hineinlebt, eine etwas gewagte Annahme, ein Ansatz von Überheblichkeit?
Sabu braucht das für seine Story. Mit dem Zusammenhang zwischen Bildbehauptung, Bedeutung und Storybuilding, da tut er sich allerdings schwer. Scheinbar hat der Mann eine Mission, er will dem Nest mit dem Helm das Glück bringen.
Bald stellt sich heraus, dass er mit diesem Erinnerungshelm, der auch Unglück erinnern kann, lediglich einen privaten Rachefeldzug plant – der Täter soll sich ständig an seine blutige Tat, eine Übertötung, erinnern (die mit nervöser, subjektiver Handkamera hektisch aufgenommen wird), womit der Plot doch recht hoppladihopp und nicht allzu durchdacht daherkommt, als habe einer, der über den Zusammenhang zwischen Bidlbehauptung und Bedeutungsherstellung Bescheid weiß, es nicht mehr nötig, noch eine spannende Geschichte, eine aussagekräftige, zu erzählen, als könne er es bei einer offensichtlichen Drehbuchschnapsidee belassen.
Als ob Sabu halbwegs bewusst geworden sei, dass er sich verrannt habe, lässt er den schon halbtoten Helmerfinder wieder auf die Beine kommen und den Helm einem Mädchen in einer ernsten Situation aufsetzen, das sich an ein schönes Erlebnis und an ein süßes Hundchen erinnert. So ward aus dem unausgegorenen Geistesblitz Süßzeugs.