Zündende Idee.
Machen wir einen Film über Ötzi, den Mann aus dem Eis, das muss die zündende Idee gewesen sein, die einen Mix von Filmförderern, Fernsehredakteuren und Produzenten auf Anhieb so begeistert hat, dass sie offenbar in einen kollektiven Taumel verfallen und von allen guten Geistern verlassen sich für die Produktion hergegeben haben, offenbar war die Idee so zündend, dass nachher keiner mehr das Drehbuch gelesen und seine fundamentalen Schwächen diagnostiziert hat; von deutscher Seite sind es Zwangsgebührentreuhänder ZDF und Arte; dieselbe Blöße geben sich die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (Staatsministerin Monika Grütters), der FilmFernsehFonds Bayern, der Deutsche Filmförderfonds, das Medienboard Berlin-Brandenburg.
Wenn es jetzt das Ötztaler Heimat- oder Brauchtumsmuseum gewesen wäre, das einen begabten Laien mit diesem Film beauftragt hätte unter Beihilfe eines professionellen Kameramannes und eines begabten Filmsoundherstellers, um das Produkt dann als Endlosschleife in den Ausstellungsräumen zu präsentieren, bei der eh niemand länger als 5 Minuten hängen bleibt, da in 5 Minuten der Storyinput der Geschichte von Regisseur Felix Randau längst erzählt ist, da es keinen gibt, dann würden wir wohlwollend ein paar Komplimente über den Film absondern, von den eindrücklichen Bergbildern sprechen und den Soundhersteller für weitere Kinofilme empfehlen. Der Regie und den bemühten Laien würden wir ein paar freundliche, nichtssagende Komplimente für ihren Einsatz machen. Sie können ja nichts dafür.
Klar, der Film ist eine Nacherfindung. Aber ich frage mich, warum diese doch einigermaßen naturverbundenen Menschen schon bei der geringsten Anstrengung so laut hyperventilieren, die müssten doch eine ernorme Kondition haben. Ich frage mich, was für Schuhe die haben, die so knallen wie Militärschuhe, wo haben die das Material her. Ich frage mich, warum diese Menschen sich so schwer und hölzern bewegen, sich so von der Kreatürlichkeit entfernt haben wie Stadtmenschen, woher die perfekt gesägtes Holz für Türen haben, was die für ein soziales Gefüge haben oder ob das lauter Menschen sind, die aneinandervorbeileben, Einzelgängertum wie in der modernen Großstadt, was will uns der Autor damit erzählen?
Es gibt zwar Gebrauchsgegenstände, Feuer, Pfeil und Bogen, eine kleine Schatztruhe, Kleider aus Fell und Naturstoffen, recht raffiniert hergestellt, worauf allerdings nichts in den Hütten schließen lässt, es gibt (irgendwie in die Dunkelecke weggeschummelten) Sex, eine Geburt, eine tote Mutter, Menschen die sich jagen und töten, einen Einzelgänger, der zur Jagd geht (das widerspricht doch eher dem Bild einer Gemeinschaft, die es zum Überleben gebraucht hat), es gibt offenbar Räuber, aber die Felle lassen sie zurück, es gibt Brandschatzung, Ziegen- und Schweinehaltung, aber es gibt nicht einen plausibel erzählten Vorgang mit nachvollziehbarer Motivation aus dem Kontext der Lebensbewältigung heraus bis auf den Racheakt. Alles Dinge, die einem der Redakteure oder Filmförderer schon bei der Lektüre des Drehbuches hätten auffallen müsssen.
Sie sprechen eine Sprache, die der Filmemacher nicht übersetzen will, die hört sich hart an wie ‚Kalamares‘, sei aber dem Rätoromanischen, was deutlich musikalischer ist, nachempfunden; wobei das Rätoromanisch sich erst Hunderte von Jahren nach den Römern aus dem Lateinischen entwickelt hat, während diese Ötzigruppierung vor 5300 Jahren gelebte haben soll und regional wohl näher bei den Etruskern anzusiedeln wäre als bei den Römern.
Unsinn über Unsinn, den Felix Randau hier erfunden hat und nicht in der Lage ist, plausibel zu erzählen, so dass einem völlig wurscht ist, wenn der Ötzi am Schluss erschossen wird, man hätte ihm das früher gewünscht.
Randau ist offenbar völlig unbedarft hinsichtlich Storytelling, eine Geschichte so zu exponieren, dass der Zuschauer auch nur ansatzweise Anteil nimmt daran, weil von dessen Schicksal das Schicksal anderer, ein Glück oder gar die Rettung der Welt abhängt. Hier hängt vielleicht die Rettung des Tourismus im Ötztal davon ab, insofern ein Spannungserzeuger maximal fürs Heimattal. Schon erstaunlich, wie hier der öffentlich-rechtliche Rundfunk Zwangsgebührengeld in einer Geltscherspalte versenkt.
Die Darsteller haben sich offenbar nicht mal die Mühe gemacht, sich vorher gründlich einige rätoromanische Texte anzuhören. Die zündende Idee hat sich als Knallfrosch im Anus der Fernsehredakteure und der Filmförderer und der Staatskulturministerin erwiesen. Die Schauspielergagen, die sicher tarifhaft hoch waren – oder hat einer der Darsteller aus Idealismus mitgemacht, weil er geglaubt hat, die Welt brauche diesen Film? – hätte man sich sparen können und begabte Laien aus dem Ötztal dafür einsetzen, langweiliger wäre der Filmdadurch garantiert nicht geworden und auch eine Qualitätseinbuße dürfte es kaum gegeben haben. Unverantwortlicher Umgang mit Zwangsgebührengeldern.
Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers!