Teheran Tabu

Aparte Technik.

Einen Realfilm drehen und mit Zeichentechnik verfremden, so dass er fast wie ein Animationsfilm aussieht, das ist eine aparte Technik. So genießen die Originaldarsteller bei heiklen Themen einen gewissen Schutz, werden andererseits aber zeichenhaft reduziert auf wenige Gesichtsausdrücke.

Ein heikles Thema hat sich Ali Soozandeh vorgenommen, der mit Grit Kienzlen auch das Drehbuch geschrieben hat: ein Sittengemälde und damit das Aufzeigen der falschen Moral im Mullahstaat Iran. Das tut er mit deutscher und österreichischer Unterstützung. Das wird Lob von westlichen Intellektuellen eintragen, dass er klar macht, wie verlogen das ganze islamische Moralgetue doch ist.

Ganz neu ist solches für uns nicht. Denn auch wir haben immer, solange es eine gibt, Probleme mit der Moral. Ludwig Thoma hat schon ein Theaterstük selbigen Titels geschrieben. Hier ging es um den Sittlichkeitsverein, dessen Vorsteher selbst den Reiz des sittlich nicht Erlaubten ausgiebig genoß.

Bei Soozandeh geht es mit ausgestrecktem Finger um die Moral einiger Figuren in Teheran und natürlich um die Unterdrückung der Frau im Islam. Es gibt eine Frau mit einem stummen Buben. Sie nimmt ihn, wenn sie auf den Straßenstrich geht, mit. Er sitzt hinten im Fonds, während sie vorne dem Fahrer einen bläst, wofür sie Geld nimmt.

Es gibt einen Mullah, der mit sich reden lässt, wenn die Frau sich ihm hingibt. Es gibt einen Musiker, der nach einem kurzen Discosex für die Reparatur des Hymens aufkommen soll, eine teure Angelegenheit. Das Problem der Geldbeschaffung wird weitere moralische Probleme aufzeigen.

Es gibt die Frau, die die neue Nachbarin der Nutte mit dem stummen Buben ist, die ist mit einem Banker verheiratet. Der wiederum wird der Nutte als ein scheuer Freund vorgestellt: peinliche Entdeckung und neues mögliches Erpresserpotential zugunsten des Musikers.

Die Frau des Bankers ist schwanger. Es wird sich herausstellen, dass sie schon zweimal abgetrieben hat. Auch das ist eine Sache jenseits der Öffentlichkeit. Im Dunkelbereich laufen sich die Moralbrecher über den Weg.

Immer wieder wird als running Gag der Film mit Fotosessions unterbrochen, weil die Leute dauernd Passbilder brauchen für diesen und jenen Zweck und die Fotografenstimme ist so höflich und fragt nach dem Grund und wird entsprechend den Hintergrund hell oder dunkel oder blau auswählen.

Es gibt viele Fahrten in Autos und Taxen durch Teheran, die erinnern an den mutigen und berührenden und in Teheran guerillamäßig gedrehten Film von Jafar Panhi Taxi Teheran. Der hat viel über das Leben in Teheran unter dem terroristischen Mullah-Regie erzählt.

Dieser Film hier macht klar: wo es Moral gibt, gibt es Versuche, sie zu durchlöchern und je stärker und vorschriftenreicher so eine Moral ist, desto massiver werden die Versuche, sie zu umgehen, sie zu konterkarieren. Und natürlich, Fingerzeig: mit der Moral, die den Mullahs vorschwebt, können wir aufgeklärten und emanzipierten Westler nichts anfangen, wir halten sie für hinterwäldlerisch. So vermittel uns der Film doch ein Gefühl der Erhabenheit, bis wir uns wieder den Weinsteins und den Spaces zuwenden.

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