Geschichte im Ersten: Atom-Streit in Wackersdorf (ARD, Montag, 18. September 2017, 23.45 Uhr)

Erinnerung ganz ohne Biss.

Staatsfunkordentliches Videoalbum über die Proteste und Staatsaktionen, die letztendlich den Bau der hochriskanten Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf, der Plutoniumfabrik in einem der größten zusammenhängenden Wasserschutzgebiete Bayerns, verhindert haben. Wackersdorf (hier ist auch der Tod einer Hausfrau am Bauzaun erwähnt, auf den diese Doku verzichtet; wie sich die Geschichte bei Wikipedia allein durch die vielen nackten Zahlen deutlich ungemütlicher liest).

Und staatsfunkordentlich wird diese doch sehr milde Rückschau, die vor allem keinen Zuschauer zu irgend einem Widerstand anstacheln, noch die zynische Reaktion des Staates präzise herausfilettieren will, sehr, sehr spät, wenn schon kein wacher Bürger mehr wach ist, um 23. 45 Uhr versendet. Es ist an der Zeit, einen Widerstand gegen den Staatsfunk mit seiner Zwangsgebühren- und Staatshofierkultur zu bilden.

Die Archivvideos von damals, die einige Widerständler in den Mittelpunkt stellen (die bis dorthin unpolitische Irmgard Gietl, den Polizisten Michael Hinrichsen und das prominenteste Gesicht des Widerstandes, den Landrat von Schwandorf, Hans Schuirer), die von den verschiedenen Phasen und Gewaltstufen des Widerstandes berichten, die auch vehemente Franz-Josef-Strauß Rhethorik-Footage enthält oder vom damaligen Innenminister, ist unterschnitten mit heute gedrehten Interviews mit Aktivisten von damals vor allem von der Widerstandsseite.

Und der längst gereifte Peter Gauweiler, der damals das personifizierte Feindbild und ein Scharfmacher der Sonderklasse war, erinnert an die vielen verletzten Polizisten, wie um abzulenken von einer selbstkritischen Hinterfragung seines damaligen Handelns; der Dokumentarclipzusammensteller wollte ihn offenbar auf keinen Fall mit unbequemen Fragen behelligen. Wobei das spannend zu sehen wäre, wie Gauweiler sein damaliges Handeln heute beurteilt.

Aber wir sind beim Staatsfunk, Franz Josef Strauß ist längst tot und beerdigt, und Kohl hat dann das Problem mit französischer Unterstützung und Eleganz nach La Hague verlagert.

Es geht ordentlich und phänomenologisch der Reihe nach in dieser Doku von Klaus Uhrig unter der redaktionellen Obhut von Susanne Poelchau.

Wobei gerade die bayerische Polizei, wenn man die letzten Sicherheitskonferenzen in München oder den Gipfel in Elmau betrachtet, offenbar gelernt hat; aber vielleicht hat sich auch der Widerstand verändert; das sind jedoch auch andere Baustellen.

Andererseits der Gipfel in Hamburg dieses Jahr, da hat sich die staatsherrische Denke offenbar kaum verändert (oder bei Stuttgart 21, 2010); da scheint die Gewalt von der Polizei ausgegangen zu sein.

Uhrig geht nicht der Frage nach, wer in Wackersdorf die CS-Gas-Angriffe der Polizei befohlen und zu verantworten hatte und ob da je irgendjemand, wenn auch nur intern, zur Rechenschaft gezogen worden ist. Doku verstanden als „Schwamm drüber!“.

Korrekter gegenüber dem anmassenden und unangebrachten Titel „Geschichte im Ersten“ wäre allerdings der Titel: „Video-TV-Geschichten im Ersten“.

Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers!