Eine fantastische Frau

High Quality Kino, das bannt durch seinen konzentrierten Fokus auf Marina (Daniela Vega), diese fantastische Frau.

Von Verwandten ihres Geliebten Orlando (Francisco Reyes) wird sie als geschminkte Schwuchtel verhöhnt. Sie ist eine Frau mit kaum Brüsten, trainiert Kickboxen, arbeitet als Bedienung in einem stilvollen Restaurant und ist Sängerin, klassisch wie Folklore.

Sie ist eben bei ihrem Geliebten, einem deutlich älteren Textilkaufmann, eingezogen. Sein plötzlicher Tod macht nun evident, auf welch schwebender Basis ihr Leben und ihr Lieben aufgebaut sind.

Die Verwandtschaft von Orlando vereinnahmt die Verabschiedung für sich, schließt Marina von diesem Teil der Trauerarbeit aus, einem Menschenrecht, wie sie meint.

Regisseur Sebastian Lelio (Gloria), der mit Gonzalo Maza auch das Drehbuch geschrieben hat, zeigt in dieser Lebensausschnittsbetrachtung seiner Protagonistin nur alltägliche Szenen, verleiht ihnen eine gewisse Künstlichkeit, pickt sie gewisserweise aus dem Alltagstrubel und der Alltagsschubserei heraus, stellt sie für sich aus, verweilt auf dem Gesicht seiner Heldin, blendet Alltagsgeräusch und Alltagsbelichtung aus, ersetzt diese mit tendenzieller Über- oder Unterbelichtung und mit einem eigens zu würdigenden Soundscore.

Dieser tut so, als gehe ihn die Geschichte erst mal nichts an, als lasse er sie hinter seinem Rücken passieren; er arbeitet wie nur für sich, vielleicht im Sinne kommunizierender Röhren, zauberflötenhaft, sehr wohl im Bewusstsein der Existenzkrise, einem sicher zu scharfen Wort und näher zu detaillieren, von Marina und gerade aus diesem Grund auf jegliches Forcieren, Unterstreichen oder Kommentieren verzichtend, großartig.

Das nimmt der Schwere der Geschichte viel Last ab, lässt sie als Fakt sichtbar machen, Faszination fordernd, ohne auf die Mitleids- oder Tränendrüse zu drücken. Das ergibt einen lebendigen Eindruck der Begegnung mit einer faszinierenden Frau in ihrer Existenz mit deren Fährnissen, in ihrer Seinsgeworfenheit, ganz ohne Kalkül, Neid, Rache, Vergleicherei, Aufrechnerei. Eine Frau mit Schicksalshypotheken, der ein Todesfall ein relatives, bürgerlich nicht abgesegnetes Glück nimmt.

Mit einem Symbol fängt der Film an, mit Bildern der Iguazu-Wasserfälle. Sie sind ein Ziel des Liebespaares, was nicht mehr erfüllt wird.

Der Film spielt in Chile, Santiago wird einmal erwähnt. Ein schönes Bild für die Lebenssituation von Marina: sie läuft gegen den Wind, der ihr immer stärker entgegenbläst, bis sie sich fast vorwärts hineinlegen kann – die Kraft des Gegenwindes nutzend.

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