Kommentar zu den Reviews vom 7. September 2017

Starke Filme, starke Themen. Heute lauter Hochrisiko-Filme, auch auf DVD. Dazu eine Dokumentation über Christoph Schlingensiefs Antikohl-Antischröder-Wahlkampf-Kunstaktion von 1999.

Kino
ABLUKA – JEDER MISSTRAUT JEDEM
Das Risiko, in der Türkei einen Armenier-Filme zu machen. Der Film dürfte dem Potentaten am Bosporus gar nicht schmecken. (Der Film ist unter dem Titel Frenzy am Filmfest München von 2016 zu sehen gewesen. Ein junges, atemberaubendes Meisterwerk von Emin Alper, das die düsteren Folgen der Entdemokratisierung der Türkei durch Erdogan drastisch ausmalt.)

EINE FANTASTISCHE FRAU
Die Risiken einer Liebe ohne Papierkram.

ON THE MILKY ROAD
Die Risiken einer Liebe im kriegstraumatisierten Serbien. Die sind heftig.

DAS SCHAFFEN WIR SCHON
Risiko des Wahlkampfes in Deutschland; ein Wahlthriller.

LADY MACBETH
Hochrisiko Seitensprung mit Stallknecht.

BARFUSS IN PARIS
Die Risiken eines kanadischen Landpomeranze in Paris. Die sind tragikomisch.

MEINE COUSINE RACHEL
Die Risiken von Vorurteil und Liebesbesessenheit. Die sind britisch.

THE CIRCLE
Die Risiken der Transparenz von Facebook und Konsorten. Die sind allgegenwärtig.

IMMER NOCH EINE UNBEQUEME WAHRHEIT – UNSERE ZEIT LÄUFT
Hochrisiko Klimwandel. Da sind wir selber beteiligt.

DIE MIGRANTIGEN
Die Risiken von Immigranten-Vorurteilen. Österreichisch parodistisch gesehen.

BARRY SEAL: ONLY IN AMERICA
Hochrisikofliegerei als Treppenwitz der grausamen Geschichte Lateinamerikas in den 80ern, die einen halbschlauen Piloten zum Multimillionär macht.

DIE PFEFFERKÖRNER
Die Risiken überrissener Regieambition beim Kinderfilm. Die sind beträchtlich und deutsch.

DVD
GIMME DANGER
Wim Wenders zeichnet risikolos das Leben des Hochrisikomusikers Iggy Pop nach.

HALLEY – DAS LEBEN EINES ZOMBIES
Die Risiken von Vereinsamung und Realitätsschwund.

DANCE TO DEATH
Die Risiken absoluter Herrschaft.

Dokumentation
CHANCE 2000 – ABSCHIED VON DEUTSCHLAND
Die Republik leidet unter der Kohlstarre. Die Kunst will im Wahlkampf mitmischen, den 6 Millionen Arbeitslosen Gegenwart und ein Gesicht geben. Ein Zusammenschnitt aus verschiedenen Dokumenten.

Barry Seal: Only in America

Ziemlich üble Dinge hat sich Amerika – und tut es wohl heute noch – in anderen Ländern geleistet. Hier im Film von Doug Liman nach dem Drehbuch von Gary Spinelli und „nach einer wahren Geschichte“ geht es um die 80er Jahre, darum, was die USA in Lateinamerika so alles verbrochen haben; aber nicht nur die USA, sondern genauso die Drogenbarone, die Contras oder die Sandinisten (Contra-Krieg) und viele andere auch.

Es geht um Drogenhandel, Waffenschiebereien und Geldwäsche im großen Stil. Aber der Film will nicht richten über die Zeit. Er pickt sich einen eher zufälligen Gewinnler der verworrenen, kriminellen Situation heraus, den Flieger Barry Seal (Tom Cruise und prima auf Deutsch nachsynchronisiert von Patrick Winczewski; wie überhaupt die Synchro sich hören lassen kann!). Eine schnell und leichthändig aneinandergereihte Chronologie.

Seal ist ein Grinsetyp und Linienpilot, dem der Unsinn nicht nur ins Gesicht geschrieben steht. Er wird präsentiert bei einem Routineflug, wie er den Autopiloten abstellt und zum Schock der Passagiere größere Turbulenzen simuliert.

Mit seinem halbschlauen Charakter und der Verführbarkeit zu Irregulärem fällt er der CIA auf. Ein Mann namens Monty Shafer (Domhnall Gleeson), rothaarig und kumpelhafter Typ spricht, Barry Seal an, offeriert ihm die Leitung einer eigenen Firma mit dem besten der aktuell verfügbaren zweimotorigen Propellerflugzeuge.

Die Firma ist nur schlecht und mit einer Buchstabenumstellung als zum CIA gehörig getarnt. Er soll er mit dem Flugzeug in Lateinamerika, Panama, Honduras, El Salvador, Nicaragua Fotos schießen. Der CIA ist begeistert.

Aber auch die Drogenwelt nimmt ihn wahr und bringt ihn bald und lukrativ dazu, über kleine Umwege bei den Fotoshootings im Süden Drogen aufzunehmen und sie in den USA abzuwerfen.

Da Cruise hier eine Figur spielt, die wie nicht ganz backen wirkt, den auf eine Weise keiner richtig ernst nimmt mit seinem scheelen Dauerlächeln, der aber immer wieder abenteuerliche Flugkünste beweist, fallen ihm immer weitere Jobs zu.

Über Nacht muss er samt Familie nach Mena umziehen. Seine Frau, auch eine ähnlich scheele Figur, kapiert schnell, nachdem sie die ersten Geldbündel sieht.

In Mena ist Seal Besitzer eines richtigen Flugplatzes. Er baute das Geschäft mächtig aus, stellt immer mehr Flieger ein. Sie führen ihre Schmuggelflüge in der Gruppe aus. Seal bekommt vom CIA die nötigen Karten, wie er unter und zwischen den diversen Überwachungen hindurchfliegen kann.

Bald weiß Seal nicht mehr wohin mit dem Geld. Die Ortschaft quillt über, Banken sprießen aus dem Boden wie Krokusse im Herbst, dass man meinen könnte Mario Draghi sei am Werk. Jetzt ist der Film etwa eine Stunde alt und es waren viele schöne Fliegereien zu sehen in schneller Abfolge, die Erzählweise ist smart, aber irgendwie fängt der Film jetzt an, sich zu ziehen. Seal entwickelt sich nicht. Er entwickelt auch keine Zukunftsperspektive. Er ist gehetzt zwischen einer ganzen Anzahl öffentlicher Telefonapparate, die er mit Bergen von Münzen füllen muss, um all die dubiosen Kontakte aufrecht zu erhalten, die Orders entgegenzunehmen.

Die zweite Stunde erzählt, wie sich die Schlinge um ihn zuzieht, wie er geschickt immer wieder den Kopf rausbekommt. Weil die Interessen seiner unterschiedlichen Auftraggeber und auch der vielfältigen amerikanischen Geheimdienste so divergent sind, dass einer ihm immer wieder hilft, weil er gut zu gebrauchen ist: er denkt nicht nach und kann gut fliegen, ein nützlicher Idiot: der Gringo, der immer liefert.

Insofern ist die Figur wiederum nicht im geringsten abendfüllend und so bleibt der Film ein nettes Rosinchen aus einem traurigen US-Geschichtskapitel. Tom Cruise sorgt dafür, dass nichts staatstragend wird. Gleichzeitig erspart er uns netterweise den Anblick seines entblößten Körpers (bis auf kurz mal den Hintern) und verbissener sportiver Bemühungen. Das ist doch auch schon was.

Seine Lebenserzählung direkt in die Super-8-Kamera am jeweiligen Ende eines Sozialdiensttages (von denen ihm 120 aufgebrummt werden, und während derer er täglich sein Motel wechselt aus Angst vor der Rache der Drogenbarone) fallen so auch nicht besonders ins Gewicht.

Es gibt noch ein paar schön schräge Figuren: Sherif Joe Downing (Jesse Plemons) von Mena oder J.B. (Caleb Landry Jones) der halbgare Jüngling und eine Art Achillesferse für Barry Seal, da der Junge hinter Geldverstecke kommt und zu viel weiß und unkontrollierbar scheint.

Das schaffen wir schon

Kein Blatt vor den Mund oder wie Susanne Kleinke die Bundestagswahl beeinflusst.

Wir schaffen das, ist der berühmte Merkel-Satz zur Flüchtlingskrise, der sich klammheimlich aus dem Staub gemacht hat. Jetzt, mit dem einsetzenden Wahlkampf hat die Kanzlerin eine Modifikation davon aus dem Kampferschrank geholt, dass das zu schaffen sei.

Thematisch geht es um das vollmundige Versprechen in Richtung Vollbeschäftigung. Was die Kanzlerin dabei nicht sagt, welcher Art die Jobs seien, die die Statistik so großartig erscheinen lassen. Wie viele Jobs dabei sind, von denen die Beschäftigten, wie die Protagonistin Susanne Kleinke sagen „15 Stunden schuften und Scheiße fressen“.

Die Zahl der anormalen Jobs ist erschreckend hoch. Die Schätzungen gehen bis zu einem Drittel der Beschäftigten. Anormale Jobs sind Jobs, von denen niemand eine Familie ernähren, einen anständige Wohnung mieten und angemessen fürs Alter vorsorgen kann. Es sind Jobs, deren Lohn nicht zum Leben reicht. Diese Jobs sind ein schwerer Defekt unserer Luxusgesellschaft. Darauf legt dieser engagierte Wahlthriller und 1a-Genrefilm von Andreas Arnstedt seinen Finger, auf einen wunden Punkt in unserer Gesellschaft, den die Bundesregierung in Berlin nicht wahrhaben will.

Susanne Kleinke (Marie Schöneburg) ist bei der Zeitarbeitsfirma TfT beschäftigt und hat eben die Kündigung erhalten. Sie will sich beim Chef beschweren. Dieser ist ein Angeber und hat ein Buch zum Thema Beschäftigung herausgegeben. Deshalb ist er in die Talkrunde „6 gegen 90“ beim Moderator Frederic Neunzig (Konstantin von Jascheroff) eingeladen. Neben ihm finden sich leicht identifizierbare Luxuspolitiker aus Berlin.

Susanne ist außer sich, lässt sich nicht mehr bremsen, dringt in die Talkshow ein, beschimpft ihren Chef. Die CDU, die sich ihrer Sache noch nicht so ganz sicher ist, findet, die Kanzlerin soll sich die Putzfrau für ihren Wahlauftritt bei Neunzig zunutze machen, um zu zeigen, dass die Kanzlerin auf der Seite der Verlierer ist, davon sei das Land ja voll.

Allerdings macht Kleinke sich selbst diesen Auftritt, den sie zuerst gar nicht will, auf ihre Weise zunutze und bringt die Republik an den Rand einer existenziellen Krise. Mit einer Pistole an der Schläfe der Bundeskanzlerin will sie die Politiker erpressen. Bei den Folgen dieses Vorganges lässt Drehbuchautor Andreas Arnstedt seinen Intrigen- und Terrorfantasien, die in der Politik keineswegs abgwegig sind, freien Lauf.

Als Regisseur führt Arnstedt eine ausgezeichnete Dialogregie. Das zeigt sich leicht, wenn man mal nur zuhört. Immer bekommt man das Gefühl, es geht gerade um etwas Wichtiges, es wird etwas verhandelt.

Diese Konzentration auf den (pointengespickten) Dialog hat zur Folge, dass zumindest für einen, dem die Medienpolitiker aus Berlin nicht vom häuslichen Fernsehkonsum vertraut sind, diese glaubwürdig rüberkommen. Denn die Masken sind stimmig und die Darsteller konzentrieren sich auf das Transportieren der Message ihrer Figuren und nicht auf das Imitieren von deren Macken. Das gibt dem Film Power, das macht ihn ungewöhnlich, das macht ihn heutig, brisant!

Gleichzeitig gibt Arnstedt ein Votum ab für das bedingungslose Grundeinkommen, ein immer drängenderes Thema. Zu einem Stück wird der Thriller aber auch ein Revenge-Movie des kleinen Mannes an einer arroganten Politikerklasse, die jeden Draht zum ausfransenden Teil der Gesellschaft und jedes Bewusstsein und Mitgefühl dafür vermissen lässt. Susanne: Ihr sollt einfach mal spüren, wie es ist, wenn man in der Scheiße sitzt.

Chance 2000 – Abschied von Deutschland

Kurz vor der Jahrtausendwende, die Bundesrepublik erstarrt im ächzenden Schatten von 16 Jahren Helmut Kohl. Gleichzeitig die Glanzzeit eines Christoph Schlingensief oder des Humors eines Bully Herbig (Bullyparade) – die zehren wohl von der Erstarrung der Republik. Gegen Kohls Schwere brauchte es leichten, wildwest- oder zirkushaften Humor.

Hier wird der Zirkus dokumentiert, derjenige des Christof Schlingensief, aus dem sich das politische Statement „Chance 2000“ entwickelt, das die Guckkastenbühnenkunst, den Kunstrahmen verlassen will, das real werden will, ins wirkliche Leben eingreifen, den damals 6 Millionen Arbeitslosen eine Stimme und ein Gesicht geben will. Die Kunst möchte Wirkung zeigen. Sie gründet eine Partei für den Bundestagswahlkampf 99 – flankiert von operettenhafte Zirkusdienern.

Schlingensief kann reden wie eine Wasserfall, schwierig, die Essenz rauszuziehen und vor allem die Frage, ob diese Aktivitäten von Parteigründung und Wahlkampftour etwas gebracht haben oder nur den Stimmenanteil der „Sonstigen“, die nicht in den Bundestag kamen, erhöhte. Schlingensief hatte die Schnauze voll vom Theater und wollte die Welt umkrempeln.

Schlingensief sagt zwar, jeder solle sein eigenes Volk sein, ist aber selbst der Medienmagnet und der Star in seinem Zirkus. Seine Follower, wobei er im Internet topvorne ist und auch ein Satellitentelefon hat, aber die Sozialen Medien gibt es noch nicht, seine Verehrer und Bewunderer und wohl auch Unterschreiber, sind dann doch vornehmlich das Kulturpublikum, das das Theater vor den Türen des Theaters weiterverfolgt oder mit seinem Schlingensief publikums- und medienwirksam in den Wolfgangsee zum lustigen Bade mit viel Gejohle und Geschrei hüpft. Schlingensief will damit die Bilder der Welt verändern, die Arbeitslosen sichtbar machen.

Die Absicht war, den Pegel des Sees soweit zu erhöhen, bis es Helmut Kohl, der für die Künstler offenbar so etwas wie einer negatives Naturereignis darstellt, nass eini ging. Es hätte, wären die 6 Millionen Arbeitslosen reingesprungen, immerhin gereicht, Kohls Umkleidekabine unter Wasser zu setzen.

Interessant ist die Gemeinsamkeit der Situation damals vor der Wahl und heute – siehe den aktuellen Film „Das schaffen wir schon“ -, dass offenbar die Arbeitslosenzahl nach wie vor hoch ist, dass die Arbeitslosen auch heute nicht zu mobilisieren sind, dass die Künstler das aber versuchen, damals mit zirzensischen Mitteln und heute bei Andreas Arnstedt mit schlagkräftigem Genrefilm.

Das scheint die Entwicklung von Kohl zu Merkel zu sein, dass inzwischen das Verbrämen der Schwachen der Gesellschaft, jener Millionen, die von ihrem Job nicht leben können, weiter fortgeschritten ist und von der Kunst heute entsprechend härter angegangen werden muss (hier kriegt die Arbeitsministerin einen schwarzen VIP-Plastiksack für die sterblichen Überreste – Schlingensief provozierte mit dem Satz „Tötet Kohl“, den er zum Satz „Wir helfen Helmut Kohl“ im Sinne der Sterbehilfe abwandelte).

Vor fast 20 Jahren hatte noch ein realer Langzeitarbeitsloser, der mit knapp über 100 Mark Stütze pro Woche überleben musste, genügt. Heute ist die Kunstfigur Susanne Kleinke bei Arnsted deutlich rabiater in der Verfolgung ihrer Ziele, obwohl doch HartzIV die Empfänger vermutlich mehr einlullt als die damalige Sozialhilfe.

Interessant an dieser Doku, die Kahrin Krottenthaler und Frieder Schlaich aus Archivmaterial von Sibylle Dahrendorf, Christoph Schlingensief, Alexander Grasseck, Stefan Corinth und Erhard Ertel zusammengesetzt haben, ist, dass Schlingensief mit seinem Zirkus Sperlich schon den späteren Merkel-Satz in Variation vorwegnimmt: Du kannst es schaffen, wenn du willst, um dann mit dem Scheitern als Chance fortzufahren. Interessant, dass der Satz von ihr erst kürzlich und just zu demselben Thema an einem Parteitag wiederholt worden ist.

Neckisch ist ein Archivschnipsel aus einer Talkrunde bei Bio: da wird gepafft, was der Tabak hergibt.

Schlingensief mit seinen oktoberfestreifen Hupf-Präsentationen, wie beim Schichtl, der aber einen intellektuellen Hype im Lande erzeugt hat. Nachwirkungen?

Die Migrantigen

Gut gedacht. Gut gemacht.

Es geht um ein grunsätzlich medienerkenntnistheoretisches Problem, um die Frage, wo fängt im Fernsehen die Lüge an. Es ist eine beachtliche Leistung von Arman T. Riahi, der mit Aleksandar Petrovi und Faris Rahoma auch das Drehbuch geschrieben hat, so ein schwieriges Problem so unterhaltsam aufzudröseln, wenn auch nicht zu lösen oder bis ins Letzte hinein zu untersuchen.

So viel ist sicher, das Migrantenklischee bringt Quote. Auch bei den öffentlich-rechtlichen Sendern. Die Versuchung, nach Quote zu schielen ist mächtig. In Wien bietet sich dafür das Migrantenviertel Rudolfsgrund an.

Das Team um Moderatorin Marlene Weizenhuber (Doris Schretzmayer) will dort eine Reality-TV-Doku drehen. Auf der Suche nach Protagonisten stößt sie auf Benny (Faris Rahoa) und Marko (Aleksandar Petrovic).

Diese beiden sind bestens integriert – wobei hier der Begriff „bestens“ gleich wieder der Relativierung bedarf, insofern, als sie die Überlebensprobleme eines jungen Start-Up-Unternehmers, dem dauernd eine brutale Charge von Gerichtsvollzieher nachstellt, und eines Schauspieltalentes, das von Casting zu Casting rennt, haben.

Ein blöder Zufall will es, dass das Fernsehteam die beiden entdeckt, wie sie gerade aus Quatsch ein paar Laute Kanaken-Deutsch rauslassen. Für das Fernseh-Team ist somit der Beweis für ihren Instinkt und für die richtige Besetzung zweifelsfrei erbracht.

Die beiden Jungs steigen umgehend auf das Spiel ein, wittern ihre Chance, spielen die desintegrierten Ausländer mit mangelhaftem Deutsch, ein paar Aussprache- und Grammatikfehler reichen zur Bestätigung des Vorurteils.

Wobei die Diskrepanz zwischen Wunschrealität des Fernsehteams und der vorgespielten Realität der Fake-Darsteller dem eingeweihten Zuschauer nicht entgehen kann und wie sie konfligieren, was die Darsteller in einem bewunderswerten Drahtseilakt meistern.

Nach der Ausstrahlung der ersten Folgen zeigt der Film genüsslich die offenbar immer noch mächtige Wirkung und Wichtigkeit des Fernsehens auf. Die Serie bringt den Rudolfsgrund durcheinander, schürt Emotionen und Protest, bringt die beiden Fake-Darsteller in Nöte.

In einer arg locker zu Faden geschlagenen Einbruchskomödie als drittem Akt gelingt es den beiden Verursachern sowohl von Turbulenzen als auch Quote, ins Funkhaus einzudringen – es kann sich vom Protzenbau her nur um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk handeln – und in der Sendezentrale ihre eigene letzte Folge der Serie einspielen und ausstrahlen zu lassen.

So bringen sie auf den letzten Metern alles wieder ins Lot. Wenn abgebrühte Fernsehtechniker in der Sendezentrale dabei plötzlich wach werden und mit entzückten Mienen die Bilder verfolgen, so müssen die Filmemacher einiges richtig gemacht haben. Aber wie es sich für erstarrte Strukturen wie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ebenfalls gehört: den Preis für die Sensationssendung nimmt strahlend Frau Weizenhuber entgegen.

Eine fantastische Frau

High Quality Kino, das bannt durch seinen konzentrierten Fokus auf Marina (Daniela Vega), diese fantastische Frau.

Von Verwandten ihres Geliebten Orlando (Francisco Reyes) wird sie als geschminkte Schwuchtel verhöhnt. Sie ist eine Frau mit kaum Brüsten, trainiert Kickboxen, arbeitet als Bedienung in einem stilvollen Restaurant und ist Sängerin, klassisch wie Folklore.

Sie ist eben bei ihrem Geliebten, einem deutlich älteren Textilkaufmann, eingezogen. Sein plötzlicher Tod macht nun evident, auf welch schwebender Basis ihr Leben und ihr Lieben aufgebaut sind.

Die Verwandtschaft von Orlando vereinnahmt die Verabschiedung für sich, schließt Marina von diesem Teil der Trauerarbeit aus, einem Menschenrecht, wie sie meint.

Regisseur Sebastian Lelio (Gloria), der mit Gonzalo Maza auch das Drehbuch geschrieben hat, zeigt in dieser Lebensausschnittsbetrachtung seiner Protagonistin nur alltägliche Szenen, verleiht ihnen eine gewisse Künstlichkeit, pickt sie gewisserweise aus dem Alltagstrubel und der Alltagsschubserei heraus, stellt sie für sich aus, verweilt auf dem Gesicht seiner Heldin, blendet Alltagsgeräusch und Alltagsbelichtung aus, ersetzt diese mit tendenzieller Über- oder Unterbelichtung und mit einem eigens zu würdigenden Soundscore.

Dieser tut so, als gehe ihn die Geschichte erst mal nichts an, als lasse er sie hinter seinem Rücken passieren; er arbeitet wie nur für sich, vielleicht im Sinne kommunizierender Röhren, zauberflötenhaft, sehr wohl im Bewusstsein der Existenzkrise, einem sicher zu scharfen Wort und näher zu detaillieren, von Marina und gerade aus diesem Grund auf jegliches Forcieren, Unterstreichen oder Kommentieren verzichtend, großartig.

Das nimmt der Schwere der Geschichte viel Last ab, lässt sie als Fakt sichtbar machen, Faszination fordernd, ohne auf die Mitleids- oder Tränendrüse zu drücken. Das ergibt einen lebendigen Eindruck der Begegnung mit einer faszinierenden Frau in ihrer Existenz mit deren Fährnissen, in ihrer Seinsgeworfenheit, ganz ohne Kalkül, Neid, Rache, Vergleicherei, Aufrechnerei. Eine Frau mit Schicksalshypotheken, der ein Todesfall ein relatives, bürgerlich nicht abgesegnetes Glück nimmt.

Mit einem Symbol fängt der Film an, mit Bildern der Iguazu-Wasserfälle. Sie sind ein Ziel des Liebespaares, was nicht mehr erfüllt wird.

Der Film spielt in Chile, Santiago wird einmal erwähnt. Ein schönes Bild für die Lebenssituation von Marina: sie läuft gegen den Wind, der ihr immer stärker entgegenbläst, bis sie sich fast vorwärts hineinlegen kann – die Kraft des Gegenwindes nutzend.

Lady Macbeth

Der Stoff geht auf Nikolai Leskovs „Lady Macbeth of Mtsensk“ aus dem Jahr 1865 zurück, den Fjodor Dostojewski in der Zeitung „Epocha“ veröffentlicht hat und den Dimitri Schostakowitsch zur Oper umgearbeitet hat. Alice Birch hat darauf basierend das Drehbuch geschrieben.

Ein Stoff also mit viel Geschichte hinter sich und sicher mit viel Zukunft vor sich, da er Menschen in Situationen mit unlösbaren Konflikten zeigt und die Konsequenzen der gewaltsamen Lösung, die weitere Gewalt erzeugt.

Dieser Film von William Oldroyd, der vom Theater kommt, könnte fast gelesen werden als cleanes Libretto zu einer Oper. Es ist eine hochkonzentrierte, minimalistische Filettierung der Ausgangsposition und der Entwicklungen.

Oldroyd hat sich für seine Arbeit ein erstklassiges Schauspielerensemble zusammengesucht, lauter Darsteller, die sich darauf verstehen, nicht mehr zu machen als nötig, allenfalls – wie im Schlussbild die Protagonistin Katherine (Florene Pugh) – nur mit eiskaltem Blick in die Kamera zu schauen.

Katherine muss den unästhetischen, unangenehmen Alexander (Paul Hilton) heiraten, Sohn des herrischen Kohlegrubenbesitzer Boris (Christopher Fairbank). Herrschaftlicher Haushalt. Für sie gibt es die Haushälterin Anna (Naomi Ackie).

Die Nächte im ehelichen Schlafzimmer nach der Heirat verlaufen nicht gerade wie erwartet für Katherine. Sie soll sich nackt ausziehen, gegen die Wand schauen und sich neben das Bett stellen. Hinter ihr befriedigt sich der Hausherr.

Auch ist ihr Gatte immer mal länger weg. Er will seine Frau ins Haus sperren, frische Luft tue ihr nicht gut, meint er, ihren Einspruch überhört er. Er ist auch mit seinem Vater länger abwesend, kein Mensch weiß, wo und wie die sich rumtreiben. Vorerst.

Oldroyd verzichtet auf jegliche filmisch-kinematographisch Eitelkeit oder Ambition. Mit so wenig Kamerapositionen wie möglich versucht er, den Eindruck einer Guckkastenühne zu erwecken, damit nichts von der hochkonzentrierten Darstellung verloren geht, nichts davon ablenkt. Selbst die Natur, der dicke Wald, ein, Fluss, Wiese, wirken bei ihm wie gemalte Theaterprospekte.

Bei einer Abwesenheit von Mann und Schwiegervater erlebt Katherine bei ihren neugierigen Erkundungsgängen auf dem Gut deftiges Tun der Knechte mit den Mägden, eine muss die Sau spielen, wird in einem Tuch an die Decke gehängt, Gekreische und Gezeter erfüllen die Luft.

Katherine mischt sich ein, will wissen, was das ist, kommt ins Handgemenge mit Sebastian (Cosmo Jarvis). Er ist ein Außenseiter wie sie und bald schon sind sie heftig als Paar zugange.

Das ist so offensichtlich, dass ihre Gatte sie nach seiner Rückkehr zur Rede stellt. Die Auswirkungen sind fürchterlich, die Schuld, mit der sich Katherine und Sebastian besudeln, diese Liebe kann nicht mehr rein werden. Der erste Mord wird weitere Folgen zeitigen. Später wird Katherine eiskalt alles ableugnen und die Taten ihrer Magd und Sebastian in die Schuhe schieben.

Der Film wirkt wie eine minutiöse Lecture dieser klassischen Konstellation von Handlungszwickmühlen, aus denen offenbar nur mit Gewalt herauszukommen ist. Die steif-geometrische Möblierung der Inennräume wirkt rahmengebend kulissenhaft.

The Circle

Ein heißes und aktuelles Thema: Rund-um-die-Uhr-Überwachung, Rund-um-die-Uhr-Vernetzung, rund um die Uhr ‚connected‘ sein, online sein, mit Kamera, die rund um die Uhr Privat- wie Berufsleben filmt und von allen anderen, die über den Circle – könnte ein Synonym für Facebook sein – miteinander verbunden sind, mitverfolgt werden kann.

Das Ideal der Circle-Geschäftsleute wäre, dass der Circle die ganze Menschheit erfasst und miteinander verbindet. In den USA wäre damit auch eine Vereinfachung der Wahlen verbunden, indem sich die Mitglieder, die Gruppys, nicht mehr extra in Wahllisten eintragen müssen, sondern automatisch registriert und auch zum Wählen aufgefordert werden.

Die Circle-Bosse träumen von einer Circle-Pflicht (die Bundeseregierung hat da mit ihrem Facebook-Auftritt bereits einen Schritt in diese Richtung getan – und ganz nebenbei liefert sie die Daten der Bürger, die sie anklicken noch frei Haus an die Amis und ihre Geheimdienste).

Zu diesen privaten Kameras kommen beim Cercle noch jede Menge Minikameras überall in der Öffentlichkeit, um präzisere Informationen zum Beispiel über die Voraussetzungen zum Surfen am Meer zu erhalten.

Das erläutert Eamon Bailey (Tom Hanks) mit sicher gesetzten, selbstironischen Pointen an einem „Fantasy-Freitag“, einer Versammlung des Personals seiner Firma, in der es viel Juhu und Bravos und Applaus und Begeisterung gibt, wie die Amis es hervorragend auch im Film rüberbringen.

Allerdings stelle ich mir als Zuschauer die Frage, wie das denn praktiziert werden soll, Milliarden von Sendern, wer kann die alle schauen, Milliarden von Bildern, Milliarden von Alltagen. So weit kann ein Hollywood-Film nicht reflektieren.

James Ponsoldt hat den Roman gleichen Titels von Dave Eggers unter Abstrichen zu einem Drehbuch umgearbeitet und inszeniert und – filmwirtschaftlich vermutlich vernünftig – mehr eine Starstory draus gebaut, denn das Thema bis in seine Abgründe hinein durchleuchtet.

Seine Hauptfigur ist Mae Holland (Emma Watson). Sie lebt bei ihren einfachen Eltern und hat eine platonische Liebesbeziehung zum scheuen Mercer (Ellar Coltrane). Sie arbeitet in einem Callcenter. Ihre Freundin Annie (Karen Gillan) holt sie zur ihrer In-Firma, eben zu Circle, die sich selbst nicht genügend loben kann, deren Campus mehr einem Freizeitpark gleicht – Ähnlichkeit mit bestehenden Internetfirmen sind wohl durchaus beabsichtigt.

Mae macht die Firmenideologie widerstandslos mit. Sie durchbricht sie aber, indem sie nachts einen Kajak klaut, aufs Meer raus paddelt – und kentert. Hilfe ist dank der Überwachung über eine Boje sofort da. Das ist ihr erstes Bekehrungserlebnis.

Jetzt macht sie die Firmenideologie aktiv mit. Sie stellt sich als erste zur Verfügung für die „Transparenz“, das heißt, dass sie rund um die Uhr eine Kamera angesteckt hat und dass jeder im Circle jederzeit mitverfolgen kann, wo sie gerade ist, was sie gerade tut, nur auf dem Klo gibt es drei Minuten Auszeit und ihr Schlafzimmer wird, wenn sie sich ins Bett legt, verdunkelt, dass es nichts mehr zu sehen gibt.

Mae wird zum Liebling der Geschäftsführung und zur Vorzeige-Circlerin, typische Star-Story, die Emma Watson mit diesem leicht angewiderten Gesichtsausdruck und gelegentlichem Mundwinkelzucken stoisch über sich ergehen lässt.

An einem Fantasy Friday soll eine neue App getestet werden: die „Soul-Serarch“; über die Gesichtserkennung soll innerhalb von 20 Minuten weltweit ein Menschen gefunden werden können. Zuerst geht es um eine Verbrecherin. Verbrecherjagd wie bei Aktenzeichen XY – mit Erfolg.

Jetzt hat Bailey noch etwas auf Lager: man kann auch Freunde suchen: die ganze Welt will jetzt Maes verschwundenen Freund Mercer suchen. Das geht gründlich schief und wird für Mae zum nächsten Erkenntniserlebnis, radikalisiert sie soweit, dass sie dem Film mit einer weiteren Drehung an der Transparenz-Politik zu einer schönen Schlusspointe verhilft, die könnte wunderbar auch auf Mark Zuckerberg angewandt werden.

On the milky Road

Emir Kusturica, der Serbe, ist ein ganz Wuider.
Er unterfüttert eine Stunde oder gar länger unser Vorurteil vom balkanesisch kriegstraumalegitimierten Jugo-Chaosfilm mit seinen Trommelfeuern von Gewalt und nochmal Gewalt und nichts ist normal und alles ganz hektisch und kaputt und nervös.

Doch dann schält er daraus plötzlich eine Liebesgeschichte, als fügte er mindestens noch zwei, drei weitere Filme dem Protoypen hinterher, die ganz andere Töne anschlagen, ganz andere Bilder wagen, wobei das Kriegstrauma noch lange nicht mundtot gemacht ist, aber es hat sich eine Veränderung ergeben.

Und 15 Jahre später dann noch eine verblüffendere.

Die Liebesgeschichte, die dieser Film im Schlepp hat, bahnt sich schon im ersten Teil an: Kosta (gespielt von Emir Kusturica selbst, der auch für Buch und Regie steht), der Milchmann, der auf dem Esel mit einem schwarzen Schirm als Schutz unter den Gewehrsalven der Kriegsgegner im Karstgebirge kreuzt, soll Milena (Sloboda Micalovic) heiraten.

Doch dann begegnet er Bride (Monica Bellucci), die dem General Zaga, der gerade im Afghanistankrieg steckt, versprochen ist. Die Liebe zwischen Kosta und Bride ist stärker.

Diese Geschichte wird erzählt in einem ununterbrochenen Bildbeschuss, teils Tierfilm, von Gänsen, die aufgeregt in Massen in eine Badewanne mit blutrot gefärbtem Wasser fliegen, von Raubvögeln, die gefährlich kreisen und sich auch mal auf eine Schlange stürzen, von Würgeschlangen, die sich um Menschen winden und mit diesen kämpfen, von einer kaputten Kuckucksuhr in deren Pendel eine Oma und eine Braut sich verfangen und hochgezogen werden, und auch das komplizierte Räderwerk ist gut für Aufnahmen, die von Chaos erzählen, von der nicht zu bändigenden Zeit.

Dann ist Friede, aber der Krieg geht weiter mit anderen Mitteln. Der enttäuschte General Zaga, der mit einem topmodernen, kraftstrotzenden Motorrad seinen Auftritt hat, sinnt auf Rache für die entgangene Braut.

So geht das Brandschatzen weiter, die Helis und Kugeln fliegen weiter, es gibt Minenfelder. Und das Liebespaar ist auf der Flucht.

Dabei gibt es eine lange Wasser-Schilf-Unterwassersequenz, die den Eindruck erweckt, Kusturica hätte nicht genug bekommen können von diesen Aufnahmen, die alle bestechend sind, wie das Liebespaar schnorchelnd die es verfolgenden Soldaten hinhält.

Der Wind macht den Figuren zu schaffen. Auf einer mit waghalsigen Drohnenaufnahmen gefilmten Bergspitze stehen zwei Soldaten und werfen die Sonne gespiegelt auf das Paar auf der Alp unten, das sie verfolgen.

Es folgt eine ausführliche Phase der Flucht in einer Schafherde, auch hier konnte sich Kusturica nicht genug unter den Schafen verstecken, bis die aufgeschreckt plötzlich ins Minenfeld fliehen, was gleich wieder Kriegsbilder entstehen lässt, Explosionen, durch die Luft fliegende Schafe und dann sind da noch Drähte gespannt, während ganz in der Nähe die Freundin auf dem Boden mit einer Würgeschlange kämpft; es folgt das traurige Ende dieser Liebegeschichte.

15 Jahre später ist aus Kosta Väterchen Kosta geworden, das Steine über den Grat auf die Alp schleppt und was er dort veranstaltet, könnte vielleicht sein eigenes Antiminenprogramm genannt werden, jedenfalls baut er keine Kappelle dort, die kleine Grünfläche, die er noch nicht mit Steinen zugedeckt hat, die könnte dafür dienen oder irgendwann die Umrisse einer liegenden Frau annehmen.

So ein bisschen haben die Erlebnisse, die furchtbaren, die Kosta mit irrsinns viel Dussel überlebt, ihn doch in Richtung Religion geführt, diese serbisch-orthoxe Kirche, aber irgendwie dann doch nicht ganz. Jedenfalls schraubt sich die Drohne, die dieses Schlussbild filmt, halsbrecherisch in die Höhe und damit ebenso die Fantasie des Zuschauers, nicht zu vergessen den Falken.

Meine Cousine Rachel

Die exzeptionelle Gemäldehaftigkeit dieses Filmes von Roger Michell scheint der Psychologie des Romanes von Daphne Du Maurier fast den Rang abzulaufen.

Düsteres Gemäuer-England in Pferdekutschenzeit, grüne Wiesen am Rande steil abfallender und dank der Flut immer weiter abbrechender Klippen.

Allein die Räume, so wie sie inszeniert und beleuchtet sind, lassen spüren, was die alles an Ungeheuerlichkeiten, an unglaublichen Geschichten zu erzählen hätten. Man hört sie förmlich flüstern und tuscheln.

Die Geschichte vom Waisenknaben Philip (Sam Claflin) passt stimmig hier herein. Sein begüterter Cousin Ambros nimmt ihn auf seinem Landsitz auf, kümmert sich um ihn wie um einen Sohn, Zuneigung und Verehrung sind gegenseitig und bedingungslos. Cousin Ambros zieht wegen einer Erkrankung in die Toskana.

Der Kontakt wird über Briefwechsel aufrechterhalten. Ganz unerwartet verliebt sich Ambros in eine Frau, in Rachel (Rachel Weisz). Allerdings geben die Briefe zusehends einem Misstrauen Rachel gegenüber Nahrung und da Philip doch – vielleicht ist es ein Besetzungsmanko – ein eher einfach gestrickter Mensch zu sein scheint, der ganz so oder ganz so ist und nicht ein abwiegelnder Zwischentönler, wächst sich sein Misstrauen schnell und unreflektiert in radikale Ablehnung dieser Frau aus.

Dann stirbt Ambros. Philip ist als Erbe des beträchtlichen Vermögens ausersehen, darf dieses aber erst mit 25 antreten. Bis dahin steht er unter Vormundschaft von Parson Pascoe (Andrew Hawill), Oberhaupt einer benachbarten und befreundeten Familie.

Der Besuch von Rachel wird angekündigt. Michel steigert mit seinen filmischen Mitteln die negative Erwartungshaltung maximal, Philip ist auf ein Scheusal, auf eine Mörderin, eine Schlange, auf alles Negative, was sich in einer Frau vorstellen lässt, vorbereitet und er will ihr den entsprechenden Empfang bereiten; seine Ablehnung grenzt an Besessenheit.

Rachel konterkariert spielend leicht dieses Ansinnen, entwaffnet Philip bei der ersten Begegnung mit ihrer Leichtigkeit, ihrem Charme und ihrer Nonchalence. So findet in Philip eine 180-Kehrtwende statt, aus dem Todfeind, Verteufler und Hasser wird ein glühender, ebenso radikaler Verehrer, geblendet.

Und das scheint mir etwas einfach in diesem Film, dadurch wirkt die Figur zu simpel, der Gang der Dinge allzu absehbar. Philip lässt der Dummheit seiner Handlungen freien Lauf, hört nicht auf Vormund oder Anwalt, läuft mit offenem Visier in die Gifthände dieser Frau.

Vielleicht ist es ein Kollateralschaden dieser meisterhaften Gemäldehaftigkeit der Bilder, dass hier ein psychologisches Moment fehlt, was auch Spannung erzeugen könnte, ob er wirklich so dumm ist, so verblendet; er ist es zu deutlich, zu eindeutig; so ist der Sache zuzuschauen, wie einem Stein, der fällt und man ist vielleicht einzig gespannt, was passiert, wenn er auf den Grund aufschlägt.

Wobei die Geschichte da noch ein Volte übrig hat, aber die bleibt akademisch – vielleicht auch, weil der Film zu eindeutig auf dieser Vorurteilsschiene von Philip fährt.

Kinokunst mit dem Pli klassischer Ölgemäldekunst. Welche Bilder allein der alte Diener Seecombe (Tim Barlow) abgibt oder die beiden Töchter Pascoe, wenn sie ein deutsches Lied singen. Dann wieder ein poetischer Spazierung von Philip und Rachel in einem lichten Wald mit lauter blauen Blumen. Kinokunst beim Suhlen im Bilderrausch.