Western

Valeska Grisbach (Buch und Regie) nimmt uns mit zu einer Grenzerfahrung nach Bulgarien.

Sie dreht gleich ein paar eingeübte Verhältnisse um. Nicht bulgarische Bettler kommen zu uns. Es sind deutsche Bauarbeiter, sehnig-stämmige Typen, die einer bulgarischen Waldtraumlandschaft in der Nähe eines kleinen Dorfes mit adrett frisch gedeckten Hausdächern „Infrastruktur“ bringen wollen, wie Meinhard (Meinhard Neumann) meint, sie wollen einen Staudamm bauen.

Grisebach berichtet darüber in Fake-Doku-Mäuschenmanier. Sie gibt vor, dabei zu sein. Sie mutet dem Zuschauer jede Menge bulgarischen Text zu. Er muss selber damit zurecht kommen.

Die deutschen Arbeiter müssen es auch. Manche versuchen sich aktiver zu artikulieren, andere, die rundlicheren, wenden sich lieber dem Bier zu.

Meinhard entwickelt sich zusehends zum Lonesome-Cowboy, er findet einen Schimmel, freundet sich an mit ihm, der mit dem abgewetzten Fell, reitet ohne Sattel auf ihm. Er macht seine Erkundungsausflüge ins Dorf und in den Wald.

Es gibt ausgiebige, nächtliche Touren der Arbeiter. Unvermeidlich, dass unter so vielen Männern, Gewalt zu explodieren droht. Es gibt auch Bulgaren, die ein bisschen Deutsch können, so gibt es immer Ansätze zu Kommunikation.

Erstaunlich ist, dass die Dorfbewohner gar nichts davon halten, nach Europa, Deutschland oder die USA zu gehen, sie denken nicht an diesen Traum. Es gefällt ihnen in ihrer Heimat, wenn ihnen nicht gerade die Bauarbeiter das Wasser abdrehen.

Es gibt immer wieder kurze Schwenks auf die Baustelle, Löcher werden ausgehoben, um Stahlskelette zu versenken und diese mit Beton zu verfüllen. Frauen sind ein Thema und eigentlich sind die Frauen des Dorfes tabu. Aber nichts passiert in diesem Film als Klischee.

Es gibt Einblicke in das Trocknen von Kohl, das Dorffest darf nicht fehlen oder das Baden im Fluss. Oder es wird über den Unterschied von Feinmotorik und Grobmotorik gesprochen. Muskulöse, drahtige Männerarme mit hervorstehenden Adern kommen ins Bild. Zigaretten und tiefe, auch tief-erotische Männerstimmen gehören dazu.

Adrian erzählt von einer bunten Vita, er sei bei der Fremdenlegion gewesen. Das stößt bei den Dorfbewohnern auf waches Interesse. Auch die deutsche Fahne wird in ihrer außerhalb des Dorfes gelegenen Unterkunft gehisst.

Die Bulgaren loben ihren russischen LKW. Es wird um Geld gespielt. Oder Männer ringen miteinander. Brat heißt Bruder und doswidanje (oder ähnlich) Auf Wiedersehen. Das ist reizvoll, dass Valeska Grisebach auf Untertitel für die bulgarischen Texte verzichtet, es stärkt die Authentizität dieses, kaum zu glauben, fikitonalen Filmes.

Kino als eine ganz eigene Grenzerfahrung – außer man spricht bulgarisch und deutsch, auch als Grenzerfahrung in eine Welt, in der andere Maßstäbe gelten als bei uns, wo es nur um Geld und Karriere und das Vergleichen geht. Eine kraftvolle Behauptung dieser anderen Welt, die nicht durch und durch vom Kapitalismus infiziert scheint.

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