Tulpenfieber

Hier plaunzt die holländische Genremalerei der Goldenen Zeitalters des 17. Jahrhunderts quirlig frisch von der Leinwand.

Justin Chadwick (Mandela, der lange Weg zur Freiheit) ist ein Meister im Reenactment solcher Malerei, im Verfugen von Bildern gerade auch mit Massenszenen wie Marktleben an den Grachten, Kneipenleben oder Auktionen von Tulpenzwiebeln, die damals in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts eine der größten Kostbarkeiten und Spekulationsobjekte waren, bis die Tulpenblase platzte.

Die Geschichte ist wie eine Groschengeschichte, aber Tom Stoppard war sich nicht zu fein, das Drehbuch nach dem Roman von Deborah Moggach zu verfasssen. Dadurch kommt sie schön nachvollziehbar rüber.

Sophie (Alicia Vikander) ist ein Waisenkind. Das Waisenhaus, das Tulpen züchtet oder Klöppelstickerei betreibt, versucht, die Mädchen in Stellung oder als Ehefrauen unterzubringen.

Sophia wird an den reichen Kaufmann Cornelis Sandvoort (Christoph Waltz) vermittelt. Sie soll ihm, nach einer gescheiterten Ehe, endlich einen Erben gebären. Aber auch nach drei Jahren funktioniert das nicht.

Schließlich kommt Sophia mit ihrer Angestellten Maria (Holliday Grainger), die eine Liebschaft mit einem Fischverkäufer hat, auf die Idee, dass sie sich von ihrem Freund ein Kind machen lasse und Sophia es als das ihrige ausgibt. Ein Arzt findet sich schnell, der das diskrete Geschäft verständnisvoll begleitet. Derweil fängt Sophia ein Liebesverhältnis mit einem Maler an, der ein Doppelporträt von ihr und ihrem Kaufmannsgatten anfertigen soll.

Die Ausstattung in diesem Film ist vom Aufwändigsten und vom Feinsten, die prachtvollen Renaissancegewänder, die weit aufgefächerten, weißen Krägen der Herren, die Tulpenkulturen im Kloster, das Maleratelier.

Es ist Jan Van Loos (Dane De Haan), in den sich Sophia unsterblich verliebt. Die beiden wollen abhauen, nachdem Sophia ihren eigenen Tod gespielt hat. Funktioniert dann alles nicht ganz nach Plan, wie es sich für so eine Klamottengeschichte gehört.

Ist Chadwick ein richtiger Bildzimmerer, der Bildkomposition und Handlung wasserdicht ineinanderbaut, so scheint ihn allerdings die Schauspielerei wenig zu interessieren, das heißt, er scheint sich auf die Schauspieler in ihrer Eigenverantwortung zu verlassen. Das kommt nicht bei allen gleich gut.

Judi Dench als strenge Äbtissin des Waisenhauses ist 100 Prozent stimmig, sie wächst sogar bildlich in die niederländische Gemäldehaftigkeit hinein. Ebenfalls stimmig, und sie heben sich auch hervorragend voneinander ab, das ist die mehr fleischliche und lebensfreudige Magd von Maria von Holliday Grainger, die noch dazu als Ich-Erzählerin fungiert und die feine Herrin von Alicia Vikander als Sophia.

Deutliche Rollenstudiumprobleme offenbaren sich bei Christoph Waltz, er wirkt, als sei er nicht richtig bei der Sache, immer am Rande, Quatsch zu machen, und wenn er, der stolze, strenge holländische Kaufmann aus Freude über die Ankündigung eines Erben anfängt zu singen, so wirkt er wie ein österreichischer Provinzoperettenbuffo.

Auch die beiden Maler scheinen ein bisschen desorientiert. Dagegen setzt der Regisseur folkloristische, emotional überbordende Szenen, als ob die holländische Malerei des 17. Jahrhunderts gerade die Widergeburt ins richtige Leben hinein erlebte.

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