Die Hannas

Fragmente einer Suche, einer Selbstvergewisserung des Lebens- und Liebeszustandes ein paar Jährchen nach den ersten Aufregungen des Coming-of-Age.

Wenn Kino etwas aus unserem Leben erzählt, aus unserer Zeit, wenn es genau hinschaut, dann hat es bereits viel erreicht. Und es braucht nicht mal einen riesigen Aufwand dazu, besonders mit den heutigen Kameras und dem elektronischen Aufnahmeverfahren, vermutlich auch kein überbordendes Budget, obwohl mehrere Fernsehsender mit an Bord sind bei diesem Film von Julia C. Kaiser, die mit einem ihr großteils vertrauten Ensemble (aus ihrem früheren Film „Das Floß“) sich eine Phase im Leben vorgenommen hat, in der die ersten Liebesschmetterlinge im Bauch sich längst verflüchtigt haben, in der die Liebe eine vertraute Gewohnheit geworden ist, hier die Liebe von Anna (Anna König) und Hans (Till Butterbach); sie sind so eine Einheit, dass sie nur die Hannas genannt werden.

Im Unbewussten rumort die Frage bei Beiden, ob es das denn schon gewesen sei im Leben.

Durch ihren Job als Masseurin kommt Anna in Kontakt mit den Schwestern Nico (Ines Maria Westernströer) und Kim (Julia Becker). Deren Extrovertiertheit und Aufgedrehtheit fängt bald an, das ruhige Fahrwasser der Beziehung der Hannas gehörig aufzuwirbeln und in Frage zu stellen.

Julia C. Kaiser inszeniert das mit einfachsten Mitteln, kein Wert wird auf komplizierte Beleuchtung oder Ausstattung gelegt, sie interessiert, was mit den Menschen vor sich geht, sie lässt sie viel improvisieren. Es geht ihnen recht natürlich von den Lippen.

So entsteht ein spannendes, fragmentarisches Bild um die Grundfrage, ob es das schon gewesen sei. Der Nachteil dieser Unaufwendigkeit ist allein, dass am Rechner zu Hause manche Szenen sehr dunkel sind – geschenkt und mehr als kompensiert durch zum Teil für einen deutschen Film ungewöhnliche Sinnlichkeit, welche wiederum durch Gedanken ihren tauglichen Gegenpol erhält.

Mit dieser Methode nah an den Ereignissen schafft Julia C. Kaiser es, den Zuschauer mit der Frage bei der Stange zu halten, wo das hinauslaufen soll, denn das ist ja das Besondere bei den Hannas, dass kein Grund für eine Veränderung besteht – es gibt keine Krise (Anna ist „im Kompromiss glücklich“) – weil sie sich so gemütlich und kuschelig in ihrem Leben und Liebesleben eingerichtet haben (und nur fahrlässig schier die Wohnung abfackeln) und der Mensch von Natur aus Veränderungen gegenüber abhold ist.

Das ist schon ein großes Können, das in einem Film festzuhalten, wie aus so einer Situation heraus ein Prozess entsteht und Dinge in Bewegung versetzt werden, die eben noch wunderbar geschlummert haben.

Ein Kino, das zeigt, wie vielleicht in Deutschland wieder ein spannendes Kino gemacht werden könnte, eines, das sich ganz auf die menschlichen Vorgänge konzentriert, das die Freude am Kinematographischen – auch das Sounddesign kann sich hören lassen – nicht auslässt und sich zuallererst forschend versteht. Und somit einen Touch von elegant geschnittenem Undergroundfilm als einer wunderbaren Kinoblüte erhält.

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