Der dunkle Turm

Lerne mit dem Herzen töten!

Selten war ich mir nach einem Film so unschlüssig, was habe ich jetzt gesehen, eine filmische Romanexposition, Skizze der Hauptlinien eines Romans?

Ok, es wird die Grundstruktur des von den Fans heiß verehrten und innig geliebten Buches von Stephen King erklärt. Der dunkle Turm steht als ein weltkonstitutierender Begriff. Ohne ihn gibt es keine Welt. Wenn der dunkle Turm zerstört wird, wird auch die Welt zerstört.

Damit gilt: wer den dunklen Turm zerstören will, ist ein Böser, wer ihn schützen will, ein Guter. Und wenn es einen Bösen gibt, der ihn zerstören will, so muss es einen Guten geben, der den Bösen tötet, damit er den Turm nicht zerstören kann und die Welt erhalten bleibt. Töten als Überlebenslehre.

Nur bestimmte Kinder mit bestimmten übersinnlichen Fähigkeiten können den dunklen Turm zum Einsturz bringen. Deshalb sammelt der Böse, das ist der schwarze Mann (Matthew McConaughey), der ein Zauberer im Auftrag des scharlachroten Königs sei, Kinder, die diese gewisse übernatürliche Begabung haben. Sie sollen den dunklen Turm zum Einsturz bringen.

Der Gegenspieler des schwarzen Mannes ist der Revolvermann, ist Roland Deschain (Idris Elba). Er will alles daran setzen, den schwarzen Mann zu finden und ihn zu töten und damit den dunklen Turm und somit die Welt zu retten.

Jake Chamber (Tom Taylor) ist so ein sensibler Junge mit Ahnung von Übernatürlichem, er zeichnet ständig düstere Zeichnungen vom schwarzen Turm, vom schwarzen Mann, vom Revolverhelden. Deshalb ist er schwierig zuhause und in der Schule zu halten.

Erdbeben spielen in der einführenden Sequenz eine Rolle. Sie machen seine Erkenntnis physisch spürbar, bringen ihm jene weit entfernte, fremde Welt noch näher, machen ihn noch schwieriger für seine New Yorker Kindheitswelt. Deshalb soll er in Therapie. Ein Mann und eine Frau wollen ihn abholen. Jake spürt sofort, dass es sich um Abgesandte des schwarzen Mannes handelt.

Denn der schwarze Mann braucht die hellsichtigen Kids für sein Zerstörerwerk. Er hat eigens eine Art Abschussrampe gebaut. Hier werden die Kinder in Schleudersitze gefesselt und dann – irgendwie – ins Weltall geschossen. Ganz habe ich nicht kapiert, wie das den dunklen Turm angreifen soll.

Jake jedenfalls entwischt seinen Häschern, steigt aus dem offenen Fenster, rennt über Feuerwehrtreppen und Dachvorsprünge. Es kommt zu einer Verfolgungsjagd in New York, die er für sich entscheidet.

Er schafft es sogar wie einsten Alice im Wunderland in jene andere Welt einzudringen. Dort trifft er auf Roland, den er schon von seinen Ahnungen her kennt. Gemeinsam machen sie sich auf den Weg, den schwarzen Mann, der des Jungen habhaft werden will, ausfindig zu machen, denn Roland will ihn töten.

Der Lehrsatz, den der Revolvermann Roland bei einer Schießübung dem Jungen auf den Weg gibt, lautet, er müsse nicht mit der Hand, nicht mit dem Finger zielen, wer das tue, habe das Angesicht des Vaters vergessen, sondern er müsse mit dem Auge zielen, er müsse mit dem Verstand schießen; die Litanei der Revolvermänner, die weiterfährt, er töte nicht mit der Waffe, wer das tue, habe das Angesicht des Vaters vergessen, sondern er töte mit dem Herzen. Diese Revolvermann-Doktrin wird Jake zugute kommen, wenn er vom schwarzen Mann gekidnappt wird und bereits auf den Schleudersitz gefesselt ist.

Ab hier setzt dieser Film von Nikolaj Arcel auf viel Schießerei. Arcel hat gezeigt, dass er als Drehbuchautor von Erlösung, Schändung, Erbarmen, Antboy, Ronal der Barbar sowie zusätzlich als Regisseur: Die Königin und der Leibarzt für ein taugliches, internationales, heutiges Kino steht. Hier hat er mit Akiva Goldsman, Jeff Pinkner und weiteren am Drehbuch mitgeschrieben.

Tom Taylor als Jake ist eine prima Besetzung für den Jungen, der mehr spürt als die anderen, der einer anderen Welt verbunden ist. Wobei mir das Verhältnis zu Roland merkwürdig neutral scheint, dabei müsste es doch eine Art Vater-Sohn-Verhältnis spiegeln, nicht nur im Hinblick auf den Revolver-Satz, besonders im Hinblick auf das Verhältnis eines Halbwüchsigen, der Orientierung sucht an einem erwachsenen Vorbild.

Als Referenz zur Verwandtschaft zum Spaghetti-Western steht auf einer Kinoleuchtreklame: Spaghetti Week at the Majestic.

Möglicherweise kommt die nordische Klarheit von Regie und Drehbuchmitarbeit dem Film gar nicht so zugute, weil bei Kings Buch wohl diese Grundstruktur nur ein Skelett ist, während hier dieses Skelett säuberlich herausgearbeitet wird, aber das Fleisch darum herum fehlt – siehe die Bemerkung im vorvorletzten Absatz zum Vater-Sohn-Verhältnis.

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