Planet Mül.
Ein Traumort im Windschatten der Zeit mit einem wunderbaren Zusammenhalt. Ein Ort, von dem keiner weg will, Aufbaustimmung und Boom, nachdem aus dem Kohlebergbau ein See gemacht worden ist, der sich vom verächtlich verspotteten Weiher zur Touristenattraktion entwickelt hat.
Alles ist hier Friede, Freude, Eierkuchen. Für alle fällt etwas ab. Ein Flüchtlingsproblem gibt es hier nicht, Minderheitenprobleme gibt es hier nicht, Außenseiterprobleme gibt es hier nicht. Es gibt kein Integrationsproblem, kein Drogenproblem, kein Alkoholproblem, keine Beziehungsprobleme, keinen Neid und kein Mobbing und keine Mordanschläge. Ein Ort, aus dem es keine Geschichten zu erzählen gibt, außer Erfolgsgeschichten, wobei dieser Erfolg eine Geschichte hat: das Ende des Bergbaus. Geschichte auch ist die Nachbarsgemeinde Wackersdorf. Das ist lange her.
Alles, was an hässlicher Politik die Nachrichten füllt und die Gemüter beschäftig, der Euro, die Immobilienblase, die Flüchtlinge, eine Schicht, die aus der sozialen Teilhabe rausfällt, Armut, alles das gibt es in Steinberg am See nicht, hier gibt es nur glückliche Familien, erfüllte Jugendlieben, glückliche Heimkehr nach Weltreise, Aufbau eines Alpakahofes, es gibt einen Ponyhof, glückliche Pensionsbesitzer, einen prima ehemaligen Bürgermeister, der Kinderfußballtrainer ist. Es gibt Burschenschaften, die allfällige Energieschübe ungarer Jugend prima zügeln. Kurz: ein Musterbeispiel von Demokratie, das reibungslos funktioniert.
Diese Ortschaft in der Oberpfalz scheint der real gewordene Traum des Planeten Mül aus Luc Bessons neuestem Film Valerian (die Wasserskianlage und der Alpakahof, das Gasthaus Fenzel, die Pension Pfeffer und die Segelschule, das sind die Transmutatoren, die Perlenscheißerchen).
Steinberg am See ist eine ideale Ortschaft, angepriesen von der Dokumentaristin Dominique Klughammer. Unter den schläfrigen Augen von BR-Redakteur Ulrich Gambke wird hier wie in einem Propagandafilm aus DDR-Zeiten das Bild einer Ortschaft schön geschrieben.
Leider vergessen Filmemacherin und Fernsehredakteur den Grundauftrag des öffentlicht-rechtlichen Rundfunkes: Wahrerin der Demokratie zu sein. Die Propagandistin vergisst ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass es sich hier – so wie sie den Ort schildert – um ein Musterbeispiel von Demokratie handelt, einen Modellfall von einem gleichberechtigten Zusammenleben aller, davon, dass keiner unter die Räder kommt, keiner diskriminiert wird, keiner zur Seite gedrängt wird in Steinberg am See. So wirkt dieses Fernsehprodukt wie eine staatliche Berichterstattung aus der Geisteshaltung eines diktatorischen Systems, das sich für unfehlbar hält.
Man kann sich leicht vorstellen, wie diese Dokumentaristin hofiert worden ist vor Ort, damit der ja gut dasteht im Fernsehen.
Verwunderlich ist schon, dass Dominique Klughammer diesem unermesslichen Glück nicht näher auf den Grund geht, da die Region ja offenbar einen Schlüssel für ein friedliches Zusammenleben der Menschen gefunden hat, dass die Dokumentaristin sich mit den Ansprüchen eines Hochglanzwerbeprospektes für die Regionalwerbung zufrieden gibt oder ist sie etwa vom Tourismusverband engagiert worden? Das sollte dann allerdings kenntlich gemacht werden.
Hier gibt es nur Menschen, die den Zusammenhalt am Ort bewundern, echt ein Demokratiemodell, einzig die Familie mit dem Polizisten, der unter der Woche in München arbeitet, die habens ein bisschen schwer, aber nicht so, dass es das Glücksbild dieser einmaligen Ortschaft trüben könnte.
Über dem von Glück und Erfolg überquellenden Werbeprospekt lullt eine Routinemusiksauce und eine Sterilsprecherstimme mit Placebowirkung den Restverstand des Zuschauers ein.
Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers für unzulängliche Dokumentation.