Wilson – Der Weltverbesserer

Der tiefe Moment.

Die Condtion Humaine ist nicht perfekt. Dem Menschen mangelt es an allen Ecken und Enden. Alles andere ist eine Lüge, ist ein Vorgemache.

Damit will Wilson (Woody Harrelson), den das Leben gebeutelt hat, sich nie und nimmer abfinden, er will nicht aufgeben, er will die Lügen nicht mitmachen; er sucht stur die Menschlichkeit und den menschlichen Kontakt.

Er kann sich nicht abfinden mit der Uniformierung der menschlichen Verhaltensweisen im Sinne des Kapitalismus, der 100%ige Anpassung verlangt. Er streut Sand ins Getriebe, fordert Menschlichkeit. Das empfinden die Angepassten als unangenehm. Er liebt das Kreatürliche im Gegensatz zum zivilisatorisch Geregelten; er kann in ungehemmte, unkontrollierte Sentimentalität verfallen, wenn sich das Kreatürliche meldet, seien es Fotoalben, sei es sein geliebter Hund oder sei es der Tod, der bei seinem Vater eintritt.

Dieser Tod löst die Story aus, die mit Wilsons zerrüttetem Privatleben zu tun hat. Kaum Kontakt zum Vater noch zur Schwester noch zu seiner Ex, die in Drogen und Prostitution abgestürzt sei. Den Hund gibt er für die Reise zum Vater an Shelly (Judy Greer).

Weil er sich im leeren Zugwaggon zum einzigen Menschen setzt, der sich darin befindet und im Restaurant genau so, kommt er ins Gespräch mit den Menschen. Eine dicke Frau führt ihn auf die Spur seiner Ex Pippi (Laura Dern).

Hier droht der Film kurzzeitig in eine kitschige RomCom abzudriften; keine Bange, die nächsten Überraschungen warten. Ein Familiengeheimnis, wovon er sich nie hätte träumen lassen, er ist tatsächlich Vater einer Tochter, Claire (Isabella Amara), die die Mutter zur Adoption freigegeben hat.

Diese Info wird Wilson, der glaubt, endlich ein bisschen menschliches Glück zu finden, erst recht aus seinem Leben rausreißen, denn es ist weder perfekt noch gerecht.

Trotz aller Miespetrigkeit dem Glück, auch dem Kinoglück gegenüber, schafft Craig Johnson, der ein Drehbuch von Daniel Clowes nach dessen eigener Graphic Novel verfilmt hat, einen Schlenker zu einem klein wenig Hoffnung und Glück, denn ohne Hoffnung will kein Mensch das Kino verlassen; aber ein bisschen Wahrheit über das Leben in leicht stilisierter Form, das will er schon sehen.

Wilsons Benimm ist antikapitalistisch, ist unangepasst. Wie er mit seinem Terrier Gassi geht, ist eine Passantin entzückt vom Hund. Er spricht von oben herab in verstellter Stimme (zynische) Hundetexte. Das kommt bei der Passantin nicht gut und bestätigt Wilson in seinem misanthropen Menschenbild.

Die gelegentlich jazzige Musikuntermalung kommt prima. Und die Anmache einer Kundin aus dem Lebensmittelmarkt mittels in die hintere Stoßstange reinfahren, ist ganz klar ein Verstoß gegen den guten Benimm.

Wie er seine Ex, die ihn vor 17 Jahren verlassen hat, in ihrem Job als Kellnerin aufsucht und sie wie vom Blitz getroffen dasteht und alle Kunden kleinkariert und nervös ihre Bestellungen anmahnen, schnauzt er diese an, ob sie denn nicht sehen, dass diese Frau gerade einen „tiefen Moment“ erlebe.

Selbst im Pissoir stellt er sich direkt neben den einzigen Pinkler und fängt an, mit diesem zu plaudern, weil, irgendwann ist das Leben vorbei – und dann hat es keine tiefen Momente gegeben, nur inhumane Routine und Abschottung. So viel zur Unerträglichkeit des Seins.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert