Lässt sich Kreativität filmisch darstellen?
Denn sie selbst ist ja nichts Sichtbares. Sie geht lediglich in einem Kopf vor sich, beispielsweise in dem des belgischen und international bekannten Modeschöpfers Dries van Noten, dessen Vornamen hier liebevoll titelgebend genommen wird. Obwohl er andererseits so gar nichts Anbiederndes hat. Aber das Familiäre ist ihm wichtig. Das Team um ihn herum, das mit ihm die ständig neuen Kollektionen entwirft und vorbereitet.
Der Kreative selbst sieht nicht sonderlich spannend aus. Ein Mann, ein Kopf, diskret gekleidet, unauffällig. Aber ständig aktiv. Ja, Kreativität lässt sich filmisch in schönem Flow darstellern, das beweist Reiner Holzemer mit diesem Portrait des Belgiers, der mit seinem Partner nicht nur eine Lebensgemeinschaft, sondern auch eine Kreativteam bildet.
Es gibt hier den privaten Einblick in das schlossähnliche Anwesen mit dem riesigen Park drum herum mit einem Blumenmeer, aber auch mit Gemüse und pingelig gepflegtem Rasen. So ist auch das prunkvoll, pompig überlastete Interieur mit schweren Fauteils und alles dekoriert, liebevoll und millimetergenau hingestellt.
Der Dauer-Flow des Dries van Noten bestimmt den Flow des Filmes. Holzemer hat ganz wenige Statements von Modekritikern eingefügt. Er verfolgt gebannt die Entwicklung von Kollektionen, lässt Dries immer wieder wie nebenbei erzählen aus seiner Geschichte und was er unter Kreativität versteht.
Dass sie in der Modeschule in Antwerpen anno 87, die Antwerp Six, ein paar aufgeweckte junge Modestudenten waren, die nicht einsahen, warum Mode nur in Paris und Rom gemacht werden sollte. Wie einige Jahre später seine erste Kollektion eingeschlagen hat wie ein Blitz.
Der Film lässt erahnen, was für ein Riesenapparat zur Herstellung einer einzigen Kollektion nötig ist. Denn Dries lässt sich viel Zeit für die Entwicklung der Stoffe. Er liebt Stickereien. Und da er in Kalkutta Werkstätten entwickelt hat, die seinen Ansprüchen genügen, so will er denen auch immer genügend Arbeit geben, damit die überleben können. Also sind immer in den Kollektionen auch Stickereien dabei.
Stoffhersteller aus aller Welt arbeiten mit ihm, bieten Farben und Muster an. Es gibt nichts, was Dries nicht inspirieren würde. Er ist nicht auf Klassik fixiert. Er liebt Kontraste; achtet aber auf die Balance der Elemente. Sagt andererseits wied, ganz neu lasse sich keine Mode erfinden. Kontinuität ist nötig – heutzutage kann man mit kaum etwas noch schockieren.
Dann die unendlich vielen Zeichnungen der Bekleidungsteile, die Anfertigung von Modellen, das Ausprobieren an Models, das Abfotografieren, dann den Boden voller Bilder und aussondern können, Reduktion ist wichtig. Die Vorbereitung der Shows.
Es gibt verschiedene Rückblicke auf Shows von ihm. Die Entwicklung der Präsentation, die Suche einer extravaganten Location, die Proben mit den Models und Dries‘ bescheidener und glückliche Auftritt am Schluss.
Wobei nicht jede Kollektion ankommt. Seine augenfälligste, zu der ihn Francis Bacon inspiriert hat, ist die, die im Gedächtnis bleibt. Aber die sei durchgefallen. Zu extrem waren die Farbkontraste.
Wer sich für Kreativität und Mode interessiert, dem dürften mit diesem Film 88 reiche Minuten geschenkt sein. Schade, dass die Show aus einem Pariser Opernhaus, die am Schluss läuft, dass da die Abspann-Texte über das Bild laufen; die könnten doch auf einem Schriftband daneben gezeigt werden; so wird diese letzte und großartige Show, aus der wir im Film Ausschnitte sehen, in Mitleidenschaft gezogen.
Traumhaft fängt der Film auch an mit einem Catwalk über sanften, künstlichen Moosboden. Darauf muss man erst mal kommen, und die Models lassen sich am Schluss einfach drauf nieder – in Musseposen, die man sich von Dries selber nie vorstellen könnte.