Der Tod von Ludwig XIV

Ärztesatire für Dunkel- bis Schwarzhumorige.

War Die Gärtnerin von Versailles noch quicklebendiger Louis XIV mit seiner spleenigen Gärtnerinneneskapade im Gartenhäuschen, geht es im Film von Albert Serra, der mit Thierry Lounas auch das Drehbuch geschrieben hat, um die letzten Tage und Stündchen des Sonnenkönigs.

Das ergibt für Jean-Pierre Leaud eine vor allem liegende und weich auf ein mit royaler Lilie bestickten Kopfkissen gebettete Rolle, aber seine irssinns Löwenmähne behält er bis zuletzt. Leaud spielt diesen Abgang so überzeugend bis hin zum ganz diskret kaum angedeuteten Todesrasseln, dass man an ein Wunder glauben würde, wenn er nach der Vorstellung vor den Kinovorhang träte, um den verdienten Applaus entgegenzunehmen.

Der Hofautor Molière, der sich in seinen Stücken professionell über menschliche und höfische Schwächen amüsierte, hätte bestimmt seine Freude an diesem Film gehabt und Honoré Daumier hätte vielleicht, wenn es das Kino zu seiner Zeit schon gegeben hätte, einen ebensolchen Film gedreht.

Die Ernsthaftigkeit des versammelten Hofstaates, der Ärzte inszeniert Serra mit ungespielter Verwunderung darüber, dass sie letztlich keine Ahnung haben und dass sie sich besser in den höfischen Ränkespielen auskennen, als dass sie etwas Verbindliches über den Zustand des Königs diagnostizieren können.

Anfänglich wird der König noch im Rollstuhl in der Natur spazierengeführt. Dann schafft er es mit Mühe, gestützt von zwei Höflingen, einige Schritte zu gehen. Immer mehr ist er ans Bett gefesselt.

Das ist der absurde Parallelvorgang zur Sterbensschauspielerei von Leaud, wie die Ärzte hilflos sind, wie sie aber abgeneigt sind, Ärzte von der Fakultät beizuziehen, denn die seien vielleicht gut darin, die Studenten zu unterrichten, aber doch nicht darin, Menschen zu heilen.

Aus Verzweiflung wird ein Quacksalber aus Bordeaux gerufen, dessen fantasievoll ekelerregendes Elixier dem Sterbenden allerdings auch nicht weiterhilft; man sollte den Herrn in die Bastille stecken, wollen die Hofschranzenärzte dem dahinsiechenden König suggerieren. Funktioniert die Befehlskette noch? Das ist Interpretationssache.

Wie Saft aus einer Leiche tropft Dekadenz aus diesem langsamen Film, der Erhabenheit des Stoffes angemessen.

Letzte Ölung oder doch noch nicht? Wo ist der Kardinal? Der Hofstaat applaudiert, wenn König geruhen ein Biskuit in epischer Breite zu vertilgen. Und das Bein, das Bein, das Königsbein will behandelt sein, vielleicht hülfe es ja, es abzunehmen.

Im Gegensatz zur Gärtnerin aus Versailles, bei dem es sich meiner Ansicht nach um den Spleen eines großen britischen Schauspielers handelt, scheint hier der tiefere Grund für den Film des Autors Faszination von Menschengetue, speziell Ärztegetue um einen Machtmenschen zu sein, den eine Krankheit, die die Ärzte nicht analysieren können – und nicht nur wegen der bösartigen Schlusspointe – dahinrafft, ihn zwingt, ihn den Sonnenkönig, den Weg alles Irdischen zu gehen.

Ob Serra mit seinem Film auch ein klein wenig am Lack der Grande Nation kratzen will?

Bildlich orientiert sich der Film an Ölgemälden (Interieur, Stilleben und Portrait), die im Laufe der Jahre schon viel Licht und Farbe verloren haben, Dunkel dominiert, umso mehr, als hauptsächlich im düsteren Königsgemach, das noch dazu schwach mit Kerzen ausgeleuchtet ist, gespielt wird.

Der Sprechton ist leise, diskret, gedeckt, unaufgeregt, besorgt, sachlich, verschwörerisch und doch von großer Wichtigkeit, nichts wird weggenuschelt, aber auch nichts überprononciert, kein Sprachspleen, Nützlichkeit und minimalste Auffälligkeit sind die Absicht; ein Sprechduktus, der alle erfasst, der den Ernst der Situation zu erkennen gibt und auch die Machtverhältnisse, zum Beispiel, ob die Aufwartung der Hunde gesundheitsförderlich oder schädlich sei und wie es sich mit dem Vogel im Käfig verhalte.

Ein Chaudfroid vom Geflügel für den König!

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