Axolotl Overkill

Literatur ist eines, Kino ein anderes.

Mit Axolotol Roadkill landete Helene Hegemenn 2010 mit 18 Jahren einen literarischen Sensationserfolg.

Jetzt gibt ihr die Initiative Alpenrot von Constantin Film die Chance, mit vielseitigen Fördergeldern und bekannten Schauspielern das Buch als Film zu realisieren. Dieser lässt auch sehr wohl erahnen, worin die stupende Qualität des Buches gelegen haben muss. Es dürfte diese Eruption des trendy-intellu Wort- und Gedankenschatzes einer frühreifen Göre aus freigeistigem Milieu gewesen sein, dieses forsche Aussprechen sexueller Neugier, dieses unverbogene Spiegeln des Wortschatzes im Rahmen ihrer Weltbewältigung vermeintlich gebildeter Erwachsener, diese Gefühle, Aufregungen, Erlebnisse und Begegnungen in Discos, Kaffes, auf Straßen, in Autos, zuhause bei sich und bei anderen aus der Situation brennenden Needs heraus als literarischen Text auszuwerfen.

Ein anderes ist es allerdings, diesen Text jetzt ein halbes Dutzend Jahre später wieder vorzunehmen, aus einer völlig anderen Lebenssituation heraus und mit sicher vielen Erfahrungen dazwischen, die gerade in dieser Zeit den Menschen rasant verändern, und nochmal zurückzukehren in die erdbebengleiche Lebensphase, diesmal aber die Erfahrung nicht als spontan sich bildenden Text zu komprimieren, sondern ihn aufwändig zu inszenieren, mit Schauspielern ihn zu arbeiten, mit Schauspielern, die die fremden Texte erst verinnerlichen müssen, und proben und drehen und vielleicht nochmal proben und nochmal drehen und das Licht noch verändern oder der Ton war nicht ok oder irgendwer im Team hat einen Fehler gemacht.

Jetzt geht es um filmische Reproduktion, und das sieht man dem Film an, dass dieser technische Apparat, der die Bilder und Töne einfangen will, doch bremsend und fixierend wirkt auf das, was Jahre früher direktes, ungebremstes Leben war.

Die Darstellerin der Hauptrolle des jungen Mädels, Jasna Fritzi Bauer, ist eine ausgezeichnete Schauspielerin, aber auch sie hat diese elektrisierende Zeit hinter sich, in der jeder Ton, jeder Geruch, jeder Form erotisch aufgeladen ist. Sie ist eine sehr professionelle Schauspielerin. Es heißt, auf der Bühne lassen sich spielend von einem Darsteller verschiedene Menschenalter spielen. Im Film ist das diffiziler. Das soll jetzt die Leistung der Darstellerin in keiner Weise mindern. Aber es dürfte nicht das sein, aus puren Besetzungegründen, was das war, was aus dem Buch heraus die Menschen angesprochen hat. Das dürfte von einem erfahreneren Menschen kaum wiederherstellbar sein.

Die vermutete Unbekümmertheit des literarischen Textes, die ist der Schwerfälligkeit der Produktionsbedingungen von Kino zum Opfer gefallen; wobei Helene Hegemann auch bei der Regie oft Jugendlichkeit mit Lautstärke verwechselt.

Das ist zum Beispiel Nicolette Krebitz mit Wild deutlich besser gelungen. Das mag an ihrer enormen Kinoerfahrung liegen, dass sie von Kino Ahnung hat, wie das funktioniert.

Zum Vergleich könnte auch der Film Keeper herangezogen werden: hier wird Coming-of-Age eindrücklich von Jugendlichen im entsprechenden Alter und die schon Kamerfahrung haben, dargestellt, allerdings haben sie nicht diesen prägend intellektuell-künstlerischen Background wie Helene Hegemann. Bei ihr wirkt die Jugendlichkeit wie bandagiert, gebravt, viel zu ordentlich inszeniert; der Aufruhr der Jungend gezähmt, gedämpft durch steife, ungehobelte Inszenierung.

Es wird somit ein ordentlicher Portraitfilm über ein begabtes, frühreifes Aneckgirl, der auf Story so ziemlich verzichtet und wirkt wie Abblatttspielerei. Pistole und Kotze, Standardausrüstungen vieler deutscher Filme, hat die Autorin-Regisseurin auch schon verinnerlicht.

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