Fast im Wochentakt kommen zur Zeit Reisefilme ins Kino (als Gegenprogramm zu Kreuzfahrt und Cluburlaub?), erst Expedition Happiness (ein junges Pärchen baut einen alten Schulbus um und erkundet Nordamerika), Weit (ein Pärchen umrundet in 3 Jahren auf Schusters Rappen die Weltkugel) und jetzt die drei Jungs Bart, David und Jakob aus der Bodenseegegend (eine Französin: „die sind wirklich komisch, die Deutschen“), die ihre Reise am härtesten als Initiations- und Selbstfindungstrip planen; die auch ein Filmteam dabei haben (während die beiden vorherigen Filme Selfies sind), bestehend aus einem Regisseur (Kerim Kortel), einem Kameramann (Moritz von Dungren) und mindstens noch einem Tonmann. Das Filmteam macht sich wie beim Spielfilm unsichtbar.
Das Reiseziel ist es, in drei Wochen vom Bodensee aus den Atlantik zu erreichen, die Dünen von Dune de Pilat. Die Reisemittel sind Trampen, Wandern, Bus, Bahn. Das wäre alles noch einschlägig.
Aber so leicht wollen es sich die drei Freunde nicht machen. Sie wollen ihr Unternehmen auch als eine Reise ins Ich verstehen. Sie stellen die Vertrauensfrage, einmal an die Freunde, ob auf sie Verlass ist und sie stellen auch ihre eine Jugend lang einegübte Ich-Routine in Frage, indem sie sich dem Bild der Drei Affen gemäß, lustige Symbolik im mehrfachen Sinne, abwechselnd für eine Woche lang je eines Sinnes berauben, jeweils nach einer Woche wird getauscht.
Je einer ist also eine Woche lang blind (mit zugeklebten Augen), einer ist taub (mit Kopfhörer und batteriebetriebenem Störsender inklusive Verkabelung) und der Dritte, der darf nicht sprechen; gut, kein Problem, er kann sich ja mit Schrifttafeln oder mit Ansätzen der Gebärdensprache behelfen. Das kann zur höchsten Belastung werden, wenn die Jungs müde, verschiedener Ansicht, hungrig oder sonstwie gestresst sind – denn wer hat in so einer Situation noch den Nerv für eine verlangsamte Kommunikation.
Es stellt sich heraus, dass sie sich ganz schön fordern und die eigenen Grenzen als viel enger und schneller als angenommen erfahren.
Anfangs erging es mir beim Schauen des Filmes ähnlich wie der Besitzerin eines Campingplatzes, die echt sauer wird auf die Jungs, weil sie mutwillig und vorsätzlich sich eine Behinderung auferlegen; sie sollten lieber Behinderten helfen, meint sie; denn sie hat selber ein behindertes Kind. Sie glaubt wohl, die jungen Männer treiben Scherz mit der Behinderung. Dem ist aber nicht so.
Es ist auch nicht ihr Projekt, Behinderten zu helfen. Je länger die Reise dauert, desto zwingender erklärt sich die Sinnigkeit ihres Vorhabens wie von selbst. Bei jungen Leuten, die an einem Fluss relaxen wirkt es sogar fast so, als sei mindestens einer der Männer fast ein wenig neidisch, dass diese drei Jungs etwas Besonderes verkörpern und wagen – auch wenn diese Besonderheit in einem Defekt besteht; der junge Mann ahnt wohl, dass es gleichzeitig für die experimentierfreudigen Jungs nebst vieler Mühsal eine ungemeine Bereicherung bedeutet.
Vielerlei Begegnungen ergeben sich, bei denen auch der Sinn der Reise diskutiert wird; sie gehen ein Stück Jakobsweg, unterhalten sich in einer Herberge mit den zwei Betreiberinnen; nach je einer Woche folgt das Ritual der Dehandicapierung, das Ende des Gefühls von Isolation einerseits, aber auch neuer Schönheitsempfindungen, anderer Wertigkeiten und das Ende jener Entlastung, die sich durch den Wegfall des Zwanges zur Kommunikation ergeben hat.
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