Lebenslinien: Mein Glaube, meine Liebe (BR, Montag, 12. Juni 2017, 21.00 Uhr)

Liebesspielverderber.

Marika und Anke sind ein Paar. Marikas Traumberuf war schon im Kindesalter, Religionslehrerin zu werden. Sie ist ein Mensch, die ihre Ideen durchsetzt. Sie hat das studiert, hat von der katholischen Kirche die Missio Catholica, die Erlaubnis zur Erteilung von Religionsunterricht, erhalten. Die feierliche Überreichung dieses Dokumentes in einer Kirche kommt in diesen schwungvollen Lebenslinien von Michael Schmitt (Redaktion Christian Baudissin) in einem Archivausschnitt vor.

Später wird diese Übergabeszene noch einmal eingespielt werden. Dann rückwärts. Denn die katholische Kirche – man möchte es inzwischen schier nicht mehr glauben, in welcher Erstarrung die offenbar dahindümpelt – schaut genau in die Unterwäsche und unter die Bettdecke ihrer Mit- und ohne Glieder. Und wenn sie entdeckt, dass unter einer Bettdecke zweimal das gleiche Geschlecht sich paart oder was auch immer, dann steigt in ihr die Zornesröte hoch, dann verbannt sie diese Menschen, entzieht ihnen die Missio Catholica und die Kommunion dürfen sie auch nicht mehr empfangen.

Noch haarsträubender daran ist, dass die Kirche im Einklang mit dem deutschen Grundgesetz handelt, wie ein Antwalt für katholisches Kirchenrecht dem Dokumentaristen offenbart.

Raffiniert an diesen Lebenslinien von Michael Schmitt ist, dass sie nicht zornig sind. Schmitt hat sich anstecken lassen vom fröhlich-gelassen christlichen Wesen von Marika; er berichtet dieses Unfassliche als etwas immer noch Normales. Was es peinlicherweise genau noch ist.

Es war auch klug von Marika, sich nicht in die Opferrolle hineindrängen zu lassen. Dem Entzug der Lehrerlaubnis ist sie zuvorgekommen, indem sie diese selbst zurückgegeben hat zu dem Zeitpunkt, an dem sie ihre Partnerschaft mit Marika nicht mehr verheimlichen wollte. Sie hat auch vorgesorgt für den Verlust des Faches und sich heimlich Lehrkompetenz in Geschichte angeeignet.

Fazit: Marika dürfte das Idealbild einer Christin sein, gläubig, lebensfreudig, bestimmt keine schlechte Lehrerin; und just sie wird von der Kirche bestraft, weil sie mit einer Frau zusammenlebt. Offenbar bestraft da die Kirche sich selbst am meisten.

Schmitts Film gewinnt eine weitere Qualität nicht nur durch die gute Auswahl seiner Protagonisten (dazu die Mutter von Marika und ihre Bruder), sondern auch dadurch, dass sie sich gut – wie eine Bemerkung der Mutter durchblicken lässt – auf die Gespräche vor der Kamera vorbereitet haben.

Rosa von Praunheims Satz, dass nicht der Homosexuelle pervers sei, sondern die Situation in der er lebt, hat hier von seiner Brisanz nichts verloren. Sollte eine Partei für den Bundestagswahlkampf das Thema Gerechtigkeit auf ihre Fahnen schreiben wollen, so lagert hier knallige Munition.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert