Realitätstüftler.
Dieser Film von Timo Jaobs, der mit Federico Avino auch das Drehbuch geschrieben hat, ist eine Verbeugung vor der Mutter. Der Film ist der Mutter des Filmemachers gewidmet und bezieht seine helgeschneiderhafte Lebenslakonie aus ihr und für sie.
In der Art freischnauzig berliner Bohèmetums erzählt er die Geschichte eines Sohnes, der seine Mutter in einem Pflegeheim unterbringen will. Ideal wäre das Soho-Savoy-Ritz. Das ist aber teuer. Deswegen will der Sohn (Timo Jacobs als Cowboy) sich ein Geld verdienen. Dazu erfindet er eine Radralley, den Berlin Damage Drive.
Das ist in Kürze der Plot, der vollkommen ausreichend ist für eine ausgiebige Schilderung eines Menschentums, das schier zu zermalmen droht zwischen den Mechanismen von Gelderwerb, Materialismus und Macht und der spirituell-geistigen Welt eines Menschen auf dem Höhepunkt seines Allgemeinwissens, was üblicherweis in etwa dem Stand des Abiturs entspricht – und der einen ethischen Weltverbesserungs- bis Weltrettungsanspruch vertritt.
Dieser Mann, der Cowboy, steht vor unendlich vielen Konflikten, weil die geistige Welt vielseitigen Bedrohungen ausgesetzt ist. Und nicht nur diese. Zum Beispiel das Trinkwassser, es gibt Tendenzen, dieses zur Handelsware zu machen. Der Cowboy befürchtet, dass das auch mit der Atemluft passieren könnte.
Das ist der Dauerspagat, in dem er sich befindet. Aber da sein Vater ein Tänzer war, könnte ihm der Spagat gelingen. Der Vater sei nach Russland geflohen und dann vom Eisernen Vorhang erdrückt worden, erzählt die Mutter.
Es ist ein buntes, teils schrilles, fantasievolles Figurenpanoptikum aus einer Palette von bekannten (von Clemens Schick bis Meret Becker) bis zu unbekannten Schauspielern, die mit Hingabe Jacobs eigenbohrerische Weltsicht, die sich in jeder Szene von Routine und Anpassung fernzuhalten versucht, zum Ausdruck bringen.
Die Sprache ist eine, die teils der Theorie und rein geistigen Welt entspringt. Der Alltag ist geistdurchdrungen, aber auch das Alltagspraktische fehlt nicht. Es vermischt sich wie auf dem Türvorleger, auf dem steht WATCH YOUR SPIRIT. Es geht um den Schutz der Welt, um Liebe und Herzensgüte, es geht um den Freischwinger, der kopfüber wie ein Pendel an einer Appartur hängt und das Hin und das Her, vielleicht auch die These und die Antithese symbolisiert. Es geht um Frieden und das Gefühl, die ganze Welt zu retten zu haben. Es geht um den richtigen Weg, den man erst kennenlernt, wenn man von ihm abkommt. Es geht um eine unbändige Melange aus individual-tüftlerischer Wort-, Bild- und Figurfantasie, die behauptet, das Rad neu erfinden zu müssen. Ich hab ne Weltagentur im Rücken, die reitet dir sowas von astral rein, warum trennst du deinen Mülle nicht..
Wort. Das Credo des Feischwingers: schwing dich ins Lot. Cowboys Agentur für Weltatem. Mutti war im Heim für Busfahrer und Briefmarkensammler gelandet. Meine Nase wittert Currywurst, Zahnstein und langsamen Tod. Wenn sich Wände vor ihm aufbauen, so schiebt er sie beiseits, nur so expandiert die Realität. Melancholie-Workshop mit Greta Garbo. Aber ich kann für Euch in Vorleistung gehen und meditieren. Ich war wieder offen für die Begierden der Stagnierten. Wir waren Visionäre … Weltveränderungsvokabular aus tiefem Sonnenstand beleuchtet …
Wir müssen lernen, das Kämpfen auszuhalten, ohne siegen zu wollen …wenn wir uns nicht korrekt verhalten, dann kommen Wolken, fucking-Karmawolken … und dieser Stillstand der Zeit, das war unser Glück.
Bild. kinematographische Spielereien mit Trick und Animation, Bildbearbeitung, -veränderung und -nachbearbeitung. Sein Ralleyrad, das crazy-Weltveränderungs-no-future Fahrrad, dazu der aufgeblähte rote Rennfahreranzug und die rote Sonnenbrille. Die Stadt riecht wieder nach Blumenwiese.
Fundstück: Flammenwerfer aus Hasenheide.
Piepsi als Gast auf dem Rikscharücksitz.
Figuren.
Sweet Pepper, der abgelaufenes Hasch verkauft.
Der Teufel vom Hermannsplatz.
Tschick Macqueen oder der Deckhengst aus Dresden.
Senior, dem die Herzensgüte eines Futuristen fehlt.
Angel, die Schönheitsqueen.
Fay, mit ihr, das war ein Highlight, nur dass sie gleich bei mir einzog, irritierte mich.