Sieben Minuten nach Mitternacht

Dieser Film des Spaniers J. A. Bayona („Das Waisenhaus“), der in England spielt, sagt gleich zu Beginn, worum es ihm geht: um den Knackpunkt im Leben von Conor, an welchem er kein Bub mehr ist und noch kein Mann.

12 Jahre ist Conor alt. Es ist der Moment des Abschiednehmens von der Kindheit, letztlich des Loslassens von der Mutter. Ein ernster Moment, eine kurze ernste Phase im Leben eines ahnunsvollen Jungen. Das treibt ihn in Träumen um, die die massiven und elementaren Umwandlungen, die ihm bevorstehen, vorwegnehmen oder ankündigen oder ihn darauf präparieren.

Er nimmt sich das Recht für diese Alptraumarbeit heraus, das Recht auf Eigenleben und inneren Absentismus in der Schule. Dafür wird er von den gleichaltrigen Mitschülern, die den anstehenden Veränderungen offenbar nicht den nötigen Raum lassen, brutal gemobbt und geprügelt, später gar für unsichtbar erklärt.

Im ephebenhaften Lewis MacDougall hat Bayona eine Traumbesetzung gefunden. Conor lebt mit seiner Mutter Lizzie (Felicity Jones) zusammen. Der Vater ist abwesend, hat sich verdünnisiert und zur Oma (Sigourney Weaver) hat er keinen rechten Draht. Sie wird als besonders hart zu knacken charakterisiert.

Conor wird von nächtlichen Albträumen geplagt, hat regelmäßige Begegnungen mit einem Riesen, einem Monster (Liam Neeson), das sich aus einer mächtigen Eibe am Friedhof mit Erdbebengewalt herauschält.

Conor ist furchtlos, hat keine Angst vor dem Monster. Es begleitet ihn durch diese höchst diffizile, aber auch aparte Phase des Lebens, die alle bisherigen Sicherheiten in Frage stellt. Insofern sind die Bilder, die das Monster produziert, angemessen, die Risse und abgrundtiefen Löcher, die im Friedhof entstehen, der Verlust jeglichen Bodens unter den Füßen.

Diese neue, nie gekannte Situation wird auch illustriert durch Geschichten, die der Riese dem Jungen erzählt. Diese wiederum bannt der Regisseur J. A. Bayona, der ein Drehbuch von Patrick Ness nach dessen eigenen Roman (diesen wiederum nach einer Idee on Siobhan Dowd) zur Vorlage hatte, ausgehend von der Aquarell-Malerei mit einem Einschlag von Schatten- und Marionettenspiel als Animation auf die Leinwand.

Auch die Geschichten, die das Monster erzählt, stellen das bisherige Weltbild des Jungen fundamental in Frage. Er muss dafür sogar einen Preis bezahlen, nämlich die Wahrheit über seinen Albtraum zu erzählen.

Wobei es mit der Aquarellmalerei eine weitere Bewandtnis hat: dass Mutters unerfüllter Traum die Malerei war. So bilden zartes Aquarell einerseits, gewaltiges Monstertum andererseits, die extreme Gefühlsspanne in dieser Lebensphase ab.

Auch das Thema des Loslassens von der Mutter wird ein weiteres Mal paraphrasiert, indem die Mutter tatsächlich todkrank ist, kein Heilmittel kann ihr mehr helfen. Das wirkt im ersten Moment vielleicht etwas plump, aber das Monster ist ja auch kein diskretes Mittel in dieser Erzählung; vor allem wird dieser Eindruck mehr als aufgehoben durch die ausgefeilte, wohldosierte Regie, die ein exzellentes Team vor und hinter der Kamera versammelt und so Kino vom Feinsten, in den herben Tönen einer hochkünstlerisch spanisch-britischen Mischung zubereitet, so dass der Zuschauer leicht den Hals reckt, um nichts zu verpassen.

Wobei offenbar das Sterben der Mutter, und das kommt mir vor wie eine erzählerische Übersprungshandlung für den kaum definitiv zu erfassenden Moment im Leben des Jungen, also dieser Tod es ist, der die Leute berührt und zu Tränen rührt.

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