Eine reiche Palette beachtlicher Einzelleistungen, die vom fernsehversauten, kinounfähigen Drehbuchautor Gernot Gricksch (Das Hochzeitsvideo, Mann tut was Mann kann) nach einer Idee von Michael Eckelt und in der wenig einfühlsamen Regie von André Erkau (Das Leben ist nichts für Feiglinge, Arschkalt und Winnetous Sohn) zu keinem genießbaren Kinostück verwertet werden können; zu sehr tendieren die Figuren zur Volltrotteligkeit. Es scheint dieser Regie nicht um den Menschen zu gehen, sondern um eitles Machertum, zu zeigen, was sie können; was im Hinblick auf das hier verhandelte Thema „Burnout“ kontraproduktiv wirkt.
Die Grundidee liest sich nicht schlecht: Fussel (Wotan Wilke Möhring) ist eine Art Lebenskünstler ohne Lust zur Lohnarbeit. Bei aller Systemverweigerei lässt er sich gerne vom System aushalten. Förderlich dabei ist die Sympathie, die seine Betreuerin vom Arbeitsamt ihm entgegenbringt und die ihn deckt und schützt, solches ist aus der Lebenspraxis zu hören, aber hier leider nicht sorgfältig und glaubwürdig genug herausgearbeitet und daher oberflächlich in der Darstellung, man hat es halt, wenn man sich so im Subventionskuchen tummelt und labt wie Gricksch und Erkau, nicht nötig, sich um die Verbindlichkeit von Details zu kümmern; Einhaltung des Schreibr- und Drehplanes scheint das A und das O zu sein.
Mit der Verschreibung einer sofortigen Burnout-Kur für Fussel, will sich die Sachbearbeiterin vor der anstehenden Revision schützen. Die Kur findet in einer speziellen Einrichtung statt, die in einem Schloss untergebracht ist.
Hier wirken die Handlungen von Fussel allerdings erratisch, einerseits spielt er das Dummerchen, andererseits versucht er, sich um die Mitpatienten zu kümmern, sich für sie zu interessieren. Das ist theoretisch auch ablesbar, in der Performance allerdings kommt es zweischneidig rüber, schnoddrig gar; seine Haltung wird nicht klar. Könnte reizvoll sein, wenn es denn nachvollziehbar dargestellt würde, wie ein unkonventioneller Mensch einen (auch das ist lediglich theoretisch ablesbar) eingefahrenen Menschen-Sanierungsbetrieb durcheinanderbringt.
Liederliche Fallskizzen. Es wirkt so, als scheiße es den Autor an, sein Thema gründlich und exakt herauszuarbeiten. So werden der Form halber einige Mitpatienten-Fälle lieblos erfunden. Das Beispiel des Versandhandels für Kondome und Duftbäumchen wirkt so gesucht – und just antiburnoutig.
Auffällig und auffallend ist einmal mehr die Kamera von The Chau Ngo; wobei die vermutete Eigenschaft von ihm, nämlich, dass er sich überlegt, was mit einer Szene erzählt werden soll, nur noch deutlicher das verwahrloste Drehbuch und die mangelhafte Behandlung der Figuren, ihrer Geschichten und Konflikte herausstellt.
Es gibt Schauspieler, das sind wohl die richtig guten, die auch bei schwachem Drehbuch und schwacher Regie bestehen können, denen man immer gerne zuschaut. Hier ist es Anke Engelke als Ärztin Alexandra. Genauso glaubwürdig ist Kostja Ullmann als Datty, der Puppenspieler. Und Michael Wittenborn als verschminkter Günther schafft es sogar, wie er die eigene Geschichte erzählt, Empathie und Rührung zu erwecken. Torben Liebrecht dagegen hat es schwer, denn seine Figur ist vom Drehbuch her hundslausig konstruiert, was da an Rückblenden aus seinem Geschäftsleben kommt, das ist Küchentischschreiberei.
Andere Figuren mit wenig Fundament tendieren dagegen schnell ins Billig-Parodistisch-Klischeehafte. Merkwürdig ist auch, dass Leslie Malton bei einem ihrer Miniauftritte explizit als „Petra“ angesprochen wird – damit der geneigte Zuschauer sich im Abspann kundig machen kann, mit welch wichtigen Schauspielerin er es zu tun hatte?
Möhring rettet sich gegen die Drehbuchmängel ins Handwerkliche, mit einem naiven Watschelgang, was nicht dem Typen, den er spielt, gerecht wird, das ist mithin schauderhaft. Mit unidfferenzierter Lautstärke (im Sinne von: Kritik will ich gar nicht hören) und chronischem Overacting (Beispiel: Briefkastenleerszene hat nicht das richtige Maß zur Komik, ist nicht lustig; wirkt krampfig) versucht er gegen die Figurprobleme anzukämpfen; dadurch hackt er alles links und recht klein. Er liefert eine panische Soloshow ab, wirkt wie getrieben von der Angst, nicht wahrgenommen zu werden – und manövriert grad aus diesem Grund sich selbst ins Abseits. Auch seine Wandlung, die er angeblich durchmacht in dem Film, ist keineswegs nachvollziehbar, allenfalls theroretisch; eben nur angedacht, nicht nachvollziehbar umgesetzt; eklatante Mängel. So wirken die Kommentare der Mitpatienten merkwürdig hohl: Andreas hat sehr viel getan für uns in letzter Zeit … echt guter Freund -… bedeutet uns echt viel…..
Einen Negativpunkt trägt die Musik bei, die wie von einem Zufallsgenerator auf die Tonspur aufgepresst wurde nach der Devise, Hauptsache laut (Daniel Hoffknecht). Entweder ist die Musik von sich selbst begeistert oder will uns weis machen, was für ein krass fetziger Film doch hier angedacht sei.
Irgendwann wird sich bei mir ein Burnout einstellen, immer wieder von Neuem mich mit hochsubventionierten deutschen Kinofilmen zu beschäftigen und mich zu fragen, warum sie so wenig Chance bei Publikum, Kritik und auf dem Kinomarkt haben. Wobei die Erkenntnis, dass es an der Kultur des Drehbuchschreibens abgrundtief mangelt, immer wieder die gleiche ist, und der Fakt dazu führt, dass so ewig viel Talent, Energie, Steuer- und Gebührengeld für nichts und wieder nichts verpulvert werden. Weil sie sich nur zur Erbringung einer Schuld der Subvention gegenüber verpflichtet fühlen, nicht aber dem Menschen, dem Zuschauer und der Neugier auf den Menschen. Lieber wird man moralinisch und diskutiert die Verantwortung gegenüber Kindern, die man in die Welt gesetzt hat.
Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers!