Puzzle zu Europa.
Der Titel dieses Filmes von Angela Schanelec ist vielleicht ein Hinweis oder gar die Lösung selbst zu Interpretation der ruhig inszenierten Fotostrecke „Neues Europa“.
Griechenland noch zur Zeit der Drachme, junge Leute verdienen sich von Touristen mit Gitarre und Singen ein Geld. Es kommen Europaenthusiasten mit einem Banner für Europa ins Bild. Wirkt titelgebend. Oder untertitelgebend.
Die philosophisch-meditative Methode von Frau Schanelec besteht in einer signifikanten Sujet-Ausschnittsauswahl aus minimalen Storyfragmenten. Sie stellt den Geldsammler-Hut des Musikers zentral ins Bild, die Leinwand im fast quadratischen Format erhöht diesen Eindruck eines zentralen Fokus, um den sich, ohne dass man es zeigen muss, die Geschichte dreht.
Die Kamera bleibt statisch auf den Ausschnitten. Die Schauspieler werden wie Fotomodels eingesetzt. Ihre Sätze sprechen sie in emotionslos, informativem Ton – Methode Bresson. Sie wirken so ganz bei sich und ziehen Interesse und Aufmerksamkeit auf sich.
Später im Film fängt der Eiserne Vorhang an, zu erodieren. Das ist über Archivfootage in einem Fernseher zu sehen, die Zaunöffnung in der Tschechoslowakei. Die letzten Szenen des Filmes spielen am Berliner Hauptbahnhof von Heute. Ein zentraler Ort in Europa, insofern als Berlin ein wichtiger Player ist. Ein Bild ist lediglich auf einen ICE gerichtet, der rauscht bildfüllend vorbei. Züge verbinden.
Der Drogenmensch, der beim U-Bahn-Eingang sitzt samt Hund gehört zur Möblierung; es ist der junge Mann aus der Szene in Athen von vor 30 Jahren. Später wird evident, dass es sich um ein Film-Set handelt.
Eine Schauspielerin unter einem Regenschirm gibt Antwort auf Fragen. Sie mag das Rollenspiel, fühlt sich aber auch darin einsam. Das scheint mir im ganzen Film der einzige Etepete-Satz zu sein.
Sonst geht es um alltägliche Themen, die zu einem Europabild zusammengesetzt werden können, der Lebensstandard und dessen Anforderungen, Musik, Tourismus, Trennung, Familie, Kind, eine Wohnungsbesichtigung (das Bad hat keinen Schlüssel), Packen, einen Bus besteigen, Begegnung, Morphium, Heroin, Krankheit, Fußball, Familien, Mutter im Spital, ein zerbrochenes Glas, Wiederbegegnung, Behinderung (blind, lahm), Schwimmbad, Bibliothek. Dieses Europa ist leise und von keinem Dauersound auf der Tonspur überlagert.
Der Zuschauer kann sich aus den Bild- und Szeneelementen, wenn er mag, sein eigenes Europa in Patchworkmanier zusammenstellen.
Das Buch „In den Tropen“ von David Hayes, wird fast bildfüllend ausgebreitet.
Schön herauspräpariertes Bildmaterial, Fotomaterial in feiner Differenz zum Realismus, sicher geeignet für eine Fotoausstellung, was ein schönes Betrachtungskino abgibt.
Musik: grade mal eine Kassette, auf der „you be happy“ gesungen wird.
Wandtteppichkino zu Europa.