Gaza Surf Club

Dass der Gazastreifen ein Landstrich ist, der von Israel, Ägypten und der Hamas im eisernen Griff gehalten und von der Welt abgeschottet wird, darf als bekannt vorausgesetzt werden, auch dass dort über eine Million Menschen in Flüchtlingslagern leben.

Umso mehr überrascht der Film von Philip Gnadt und Mickey Yamine, der sich eine zarte Blüte von Lebenslust aus dem Elendsstreifen herauspickt: Wellenreiter. Wie andere Surffilme auch fragt er nicht nach dem wirtschaftlichen Hintergrund der Surfer. Sie entstammen offensichtlich einer Schicht, die sich das leisten kann. Über Skype halten sie Kontakt mit Surfern auf Hawaii.

In der Phase, in der der Film in Parallelmontage zwischen Hawaii und dem Gazastreifen ausläuft und in dem die Wonne an den Wellen und den Brettern und den Menschen, die sie benützen, überwiegt, stellt er wortlos die Behauptung auf, dass Wasser nur die Physik kenne und keine Politik und stellt so indirekt die Frage, wozu diese kriegerische Politik überhaupt nötig sei, wenn die Menschen doch nur ihr kleines Vergnügen haben wollen, wenn sie sich dem Rausch des Wellenreitens hingeben wollen.

Mit Ibrahim haben die Filmemacher einen sympathischen jungen Mann, attraktiv und wach, gefunden. Er arbeitet teils als Schreiner, teils in einem Spital, aber wenn Wellen vor Gaza sind, dann ist er flexibel in seinen Arbeitszeiten, dann ist er auf dem Meer.

Er träumt davon, in Gaza einen Surfladen aufzumachen, sein amerikanischer Freund Matthew aus Hawaii rät ihm, den Laden „Gaza Surf Club“ zu nennen und als Treffpunkt für die surfbegeisterte Jugend aufzubauen. Allerdings ist es praktisch unmöglich, Surfbretter zu importieren; auch die Herstellung ist nicht möglich, weil es an wichtigen Materialien fehlt.

Das Elend von Gaza kommt genügend zur Geltung, die einfache Lebensweise, der dünne Fischfang, die Ruinen allerorten noch vom letzten Krieg, in dem Israel Gaza in keiner vertretbaren Weise kaputt gebombt hat.

Aber es entwickelt sich offenbar eine kleine schicke Szene, die nicht nur surft, sondern auch zum Tanz ausgeht. Bescheidene Anfänge, attraktive Bilder, man möchte am liebsten hinreisen.

Immer wieder sieht man Ibrahim am Beten, das Thema Frauen und Frauen und Surfen kommt vor oder wie eine Frau es trotzdem schafft mit ihrem lustigen Vater, die Aussichtslosigkeit der Lebens im Gazastreifen, zeitweilig vergessen zu lassen.

Ibrahim wartet auf ein Visum für Hawaii, um dort den Surfbrettbau zu lernen und selbstverständlich zu surfen. Er bekommt es tatsächlich und fliegt hin. Der Film begleitet ihn und benutzt die letzte Phase vielleicht etwas zu ausdrücklich dafür, um im Hin- und Herschneiden zwischen Gaza und Hawaii auf die Gemeinsamkeiten der Natur und die Ungleichheiten, die die Politik geschaffen hat, hinzuweisen. Darunter leidet die Spannung, denn Ibrahim scheint sich abgesetzt zu haben; aber darüber und über seine weiteren Ziele erfährt man im Film nichts mehr.

Wegen der Abgeschottetheit des Gaza-Streifens ist es allerdings wichtig, immer wieder Original-Dokumentarmaterial zu sehen zu bekommen, wie zuletzt in Ein Lied für Nour oder in Junction 48.

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