Kommissar Pascha (ARD, Donnerstag, 16. März 2017, 20.15 Uhr)

„Wenn eine Frau lächelt, dann ist die Suppe schon vergiftet“ meint der Kommissar – und wenn ein Kommissar lächelt – und er tut es oft, strahlt wie ein Konfirmand -, was ist es dann? Dann ist es Kommissar Pascha (Tim Seyfi), das bedeutet:

Billige Fernsehware, die linkisch auf den Integrationszug hechtet.
Resultat: Referenz an Rosenheim Cops als bayerisch-anatolischem Bauerntheater für Integrationszurückgebliebene.

Vielleicht hat die Story ja Hand und Fuß, ist aber im viel zu schnell und oft undeutlich prononcierten Textgeschnetzele schlicht untergegangen. Jedenfalls ist einem Kommissar, der lächelt, offenbar nicht zu trauen, dieser Kommissar ist nicht vertrauenswürdig, er ist scheinheilig, unzuverlässig, unhygienisch und ein anatolischer Macho dazu.

Scheinheilig: er spielt den gläubigen Muslim, kaum wird er einer Leiche ansichtig, betet er und im nächsten Moment, wenn es irgendwo Schweinefleisch und Bier gibt, greift er zu; also weder richtig Bayer noch richtig Anatole.

Er ist unzuverlässig im Umgang mit seinen Mitmenschen, Gattin, Tochter. Erst wenn letztere merkwürdig dilettantisch in Lebensgefahr gebracht wird, dann ist er plötzlich der liebende Vater; verlogen sowieso, wenn er behauptet, seine Familie sei seine große Liebe.

Er ist unhygienisch. Das zeigt der Umgang mit dem Zitronenhuhn, nachdem der Hund in die Tüte gebissen hat, trägt er die angebissene Tüte mit dem rausschauenden Hühnerkopf noch ewig und im Dienst nachlässig mit sich herum, der Kopf schleift fast auf dem Boden. Und wie er nachher das Huhn auf dem Küchentisch rupft, na guten Appetit! Auch im Biergarten trinkt er so unordentlich Bier, dass ihm ein dicker Schaumfetzen an der Nase hängen bleibt und er das offenbar nicht bemerkt, so dass die Tochter kümmernd diesen wegwischt, das lässt ihn als vertrottelt oder infantil erscheinen im Gegensatz zu seinen Bügelbemühungen.

Er ist ein anatolischer Macho. Er duldet keinen Mann neben sich und unter sich nur jüngere Frauen, und wenn Mann, dann muss es ein ganz pflaumenweicher sein (Michael A. Grimm als Pius).

Er will elegant sein, was an den guten alten Derrick als Kommissar erinnert, denn er trägt Anzug, verfügt über eine enorme Sammlung an Stofftaschentüchern mit Monogramm, die er sorgfältig bügelt. So eine teures Taschentuch nimmt er im Puff, um sich drauf zu setzen und entsorgt es gleich im Müll oder er verschenkt eines an die schniefende (das tut diese überzeugend!) Mitarbeiterin Jale (Almila Bagriacik).

Überhaupt scheint in den Lebensverhältnissen dieses Möchtegern-Mann-von-Welt einiges nicht zu stimmen, nicht nur, dass er es nicht geschafft hat, seine Familie zusammenzuhalten, auch wohnt er weit überdimensioniert in einer schicken Altbauwohnung, wie ein kleiner Kripokommissar sie sich in München garantiert nicht leisten kann, zu schweigen von der Sammlung offenbar exklusiver Taschentücher. Dieser Kommissar will mehr sein als er ist.

Die Anzug-Masche bringt ihn und die Continuity beim eh schon schwerfälligen Schnitt dauernd in die Klemme, Sakko an, Sakko aus, Sakko unterm Arm, Sakko über die Schulter, Sakko-Knopf zu, Sakko-Knopf auf oder am Knopf nesteln, auch wenn er zu ist, Sakko gezielt neben den Kleiderhaken hängen, auch das ein Hinweis darauf, dass diesem Kommissar nicht zu trauen ist, denn das müsste er doch bemerken; soll aber vielleicht diesmal erzählen dass er betrunken ist. Wenn schon Anzug als Hinwegtäuscher über Defizite, dann müsste man ihn wenigstens beherrschen.

Dieser Kommissar ist mit Selbstdarstellung beschäftigt und nicht mit Betrachten des Falles und der Menschen um ihn herum, der Fälle, die es zu lösen, in die es einzudringen gilt. Es fehlt das Elementarste für einen spannenden Krimi: eine menschliche und auch nachvollziehbare Geschichte, die sich aus Konflikten ergibt. Hier geht es lediglich um eine diffuse, geschäftliche Liaison zwischen zwei türkischen Geschäftsleuten, die in den Dämpfen eines Hamams in Istanbul schummrig bleibt und die nicht weiter herausgearbeitet ist. Dem Krimi fehlt der Krimi.

Der Impetus, einen Integrationsfilm zu machen (mit der Erfindung einer Türkenabteilung, Ausländerabteilung bei der Kripo, als Antwort auf die NSU-Morde? – das wäre doch hanbüchen) ist deutlich stärker, als der Impetus, etwas über Menschen und deren Konflikte zu erzählen.

Der Leiche, die auf dem Boden liegt, sieht man an, dass sie das Lachen verklemmt. Muss lustig gewesen sein am Drehort. Leider nicht für den Zuschauer.

Eine fernsehkritische Bemerkung erlaubt sich die junge Kommissarin angesichts eines möglichen Selbstmordes, vielleicht habe der Selbstmörder das Hauptabendprogramm geschaut. Nun, wegen diesem Film wird sich niemand erschießen; einschlafen oder wegzappen dürften naheliegendere Reaktionen sein.

Der Kommissar wirkt angespannt, der Druck seiner gut präparierten Texte, die wie aus dem Rohr geschossen kommen, übersteuert, zu bemerken gelegentlich an einem aufgeregten Fingerkuppenaneinanderreiben bei Steh-Dialogen, wobei die Regie von Sascha Bigler, der auch das Drehbuch nach dem Roman von Su Turhan geschrieben hat, nicht gerade smart zu nennen wäre – um höflich zu bleiben. Auch was die Bevölkerung des Bildschirms mit Randfiguren betrifft, mit plumpen, uncharmanten Knallchargen von Hundebesitzerin oder Killer, dumpfe Figuren, sind diese nicht dazu angetan sind, einen Krimi zum Vibrieren zu bringen.

Gleichzeitig muss der Taschentuchtick des Kommissars für einen billigen Running-Gag herhalten: ein Bediensteter des Kommissariats bringt ständig neue Kommoden, die mindestens drei Schubladen für Paschas Taschentuchsammlung haben sollen. Müde Einlage aus verschlissenem Improtheater.

Es scheint im Film um die Fusion zweier türkischer Unternehmen zu gehen. Eine Heirat soll das besiegeln. Anlass, das Thema Defloration, resp. den Anspruch auf und die Kontrolle der Jungfräulichkeit fürs deutsche Fernsehpublikum zu erklären und auch, wie ein kaputtes Hymen in einer Klinik namens Virgo wiederhergestellt werden kann.

Die Erinnerung an Derrick lässt den Unterschied zu diesem ungepflegten Machwerk besonders eklatant erscheinen. Derrik selbst musste im Grunde genommen nur den Anzug und die Rolex tragen können. Das tat er. Er musste sich lediglich das Drumherum anschauen (und mit ihm die Zuschauer): das waren generell erstklassig geschriebene Figuren, dargestellt von einer Riege erstklassiger Schauspieler, die unter der Anleitung erstklassiger Regisseure großartig aufgespielt haben. Das hatte Klasse. Hier scheinen jedoch Geld und Wille zur Klasse gefehlt zu haben; genau so wie ein Wettbewerb um die bestmögliche Besetzung. Die Billiglösung: anatolisch-bayerisches Bauerntheater; wobei das auch wieder nicht stimmig ist, denn die Darstellerinnen türkischer Provenienz versuchen sauberes Hochdeutsch zu sprechen, was faktisch einem niederschmetternden Fernsehdeutsch gleichkommt, um nicht in die Ecke des sogenannten „Gemüsetürken“ (der auch vorkommt) gestellt zu werden. Diese Rollen hat unser Kommissar bereits hundertfach hinter sich, wie die Liste bei IMDb vermuten lässt.

Der Prozess des Zusammenpralls zweier Sprachen ist miserabel beobachtet, er wird hier desintegrativ eingesetzt, wirkt wie eine kulturelle Schwundstufe, statt dass die beiden Idiome sich befruchtend antörnen: im Film wird faktisch negative Integration praktiziert; denn realiter ist in Bilinguebiotopen ein häufiges Übernehmen von Begriffen, ein von einem Idiom ins andere Fallen zu beobachten: das wird hier radikal ausgeschlossen, womit die Sprach- und Sprechverwaltung in diesem TV-Produkt konsequent auf Realitätsverweigerung setzt: den positiven Effekt von Integration negiert. Statt dass sich die Sprachen durch ihre Begegnung befruchten, separieren sie sich.

Der Kommissar will die wichtige Figur sein und nicht die Geschichte, die wird weggenuschelt, er möchte ein starker Typ sein, der seine Mitarbeiterin Isabel nur mit dem Familiennamen Vierkant (Theresa Hanich) schnodddrig anspricht. Hier will der Kommissar im Mittelpunkt stehen – und leider demonstriert er gerade dadurch einmal mehr, dass er nicht vertrauenswürdig ist. Denn er gibt sich auch dümmlich-kumpelig bei der Begrüßung „Habe die Ehre, hebe die Haare“ – nicht gerade geeignet, um einer Figur identifizierbares, verbindliches und respektgebietendes Profil zu verleihen.

Der Film versteht sich wohl von weltfremder, fernsehredaktioneller Seite und zur Legitimation der Erfüllung des Grundauftrages des öffentlich-rechtlichen Rundfunkes als ein Immigrationsauflärungsbeitrag: es sind fingerzeigdicke Infos enthalten über die Döner-Industrie, türkische Hochzeitsrituale und das Problem des intakten Hymens.

Ob das geschickt ist, den Killer gerade während der Tötung eines Taxifahrers vorzustellen, mit Kopfhaube dazu, ein Mord, der im Film keine weiteren Folgen hat und dabei telefoniert der Täter noch beim Töten mit dem Handy, scheint zu sagen: uns interessiert Plausibilität einen Deut.

Überhaupt ist das Problem des Kommissars nicht klar, und auch, warum ein Mensch mit so vielen Defiziten Kriminalkommissar hat werden können.

Immerhin, eine schöne Kamerafahrt gilt es zu erwähnen: die Kamera schwenkt erhöht über München an einer Kirche nach oben, so wirkt der Kirchturm momentweise wie ein Minarett, das auch weitere Türme in München in diesem Lichte erscheinen lässt – fehlt nur noch die Überblendung zu Istanbul.

Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers an die von ihm finanzierten Redakteurinnen Stephanie Heckner, Katja Kirchen, Lucia Vogdt und an den Intendanten Ulrich Wilhelm des produzierenden BR!

(Erdogans Propagandabteilung dürfte den Auftritt eines bereits halbwegs islamisierten Kommissars im öffentlich-rechtlichen Fernsehen in Deutschland als enormen Erfolg verbuchen).

2 Gedanken zu „Kommissar Pascha (ARD, Donnerstag, 16. März 2017, 20.15 Uhr)“

  1. Was schert es den Baum, wenn der Hund ihn anpinkelt?!…..
    Unbeschadet dieses Verrisses haben Tausende diese beiden Filme aufgezeichnet und immer wieder genossen. Die Gemeinde wartet auf weitere Folgen, wird aber von den Fernsehoberen enttäuscht.
    Die beiden Pascha-filme können es mit den meisten Tatort-filmen dicke aufnehmen, die ihrerseits von abstrusen Handlungssträngen und schlechten Darstellern nur so strotzen.

  2. Selbstverständlich steht es jedem sich angepinkelt fühlenden Baum frei, zu bellen. Der Kritiker, der hier den Hund geben soll, der kann zur Abwechslung wiehern – die Welt hat er sowieso noch nie verändert und im Sinne der Artenvielfalt haben auch Schattengewächse ein Recht auf eine spätherbstliche Blüte im DVD-Wald.

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